ALTDORF — „Der Zirkus ist in der Stadt“: Dieser Satz führt üblicherweise zu strahlenden Kinderaugen. In Altdorf sorgt er derzeit für einigen Wirbel. Denn laut Ordnungsamt tritt der Zirkus Alberti ohne Genehmigung auf – und hätte noch dazu kein Sicherheitskonzept für Braunbär Ben vorgelegt.
Braunbär Ben alias „Big Grizzly“ sitzt vor dem großen blauen Zirkuszelt in seinem Käfig. Ein unter Strom gesetzter Bauzaun und hüfthohe Eisengitter trennen ihn von den zwei Mädchen, die nach der Schule vorbeigekommen sind, um die Pferde zu füttern. Angst vor dem Tier hätte sie nicht, sagt eine der beiden.
„Antrag ist nicht gestellt worden“
Vergangenes Wochenende hatten die Altdorfer von Freitag bis Montag die Möglichkeit, die Show des kleinen Wanderzirkus zu besuchen. Das sei ohne Genehmigung geschehen, sagt Sybille Vohla, Leiterin des Amtes für Sicherheit und Ordnung in Altdorf. „Ein Zirkus ist eine öffentliche Veranstaltung“, erläutert sie. Da brauche sie einen persönlich gestellten Antrag auf eine Genehmigung. Der sei allerdings nicht gestellt worden. Sie habe überhaupt erst Donnerstagnachmittag von dem Zirkus in ihrer Stadt erfahren.
Für Braunbär Ben brauche sie außerdem eine Sondergenehmigung und ein Sicherheitskonzept. Das sei bei Raubtieren üblich. Weil ihr auch das nicht vorliege, verhängte sie kurzfristig ein Auftrittsverbot für Alberti. Sie fürchtete um die Sicherheit vor allem der Kinder im Publikum. Ein schreckliches Szenario hat Vohla da vor Augen: Böllerschüsse vom Wallensteinfest könnten dafür sorgen, dass der Bär durchdrehe und Kinder angreife.
„Ich bin ratlos“
„Ich habe nichts gegen den Zirkus“, versichert Vohla. Aber so etwas sei ihr noch nie passiert. Sie brauche doch nur die nötigen Papiere und eine persönliche Antragstellung. Trotz des verhängten Verbotes fanden die Aufführungen statt. Ihr Veto sei einfach ignoriert worden. „Ich bin ratlos“, sagt die Leiterin mit Ärger in der Stimme.
Auch auf der anderen Seite kochen die Emotionen hoch: Harry Frank, Besitzer, und sein Schwiegersohn Wolfgang Frank, Manager vom Zirkus Alberti, sehen die Sache anders. Da sie ein Privatgrundstück gepachtet haben, bräuchten sie keine Genehmigung vom Ordnungsamt, um aufzutreten. Vor Problemen wie in Altdorf seien auch sie noch nicht gestanden.
Kleiner Familienbetrieb
Das Auftrittsverbot fochten sie mit einem Anwalt an. Der sorgte dafür, dass der Oberste Gerichtshof in München am Sonntagmittag das Verbot aufhob – unter der Auflage, dass Bär Ben nicht in der Show dabei ist. Dem Anwalt liegt der kleine Familienbetrieb am Herzen. „Die Familie hat es nicht verdient, so vom Platz gejagt und mit Bescheiden traktiert zu werden“, sagt Ernst Fricke, der bereits viele Zirkusbetriebe vertreten hat.
Fricke argumentiert, dass eine Zirkusveranstaltung unter die Kategorie „Kunst und Kultur“ falle und deshalb keine Genehmigung vom Ordnungsamt benötige. Der kleine Wanderzirkus mit 25 Mitarbeitern und 40 Tieren ist auf jede Vorstellung angewiesen. Seit 1811 ist die Familie im Zirkusgeschäft dabei, mehr schlecht als recht. „Wir leben am Existenzminimum“, sagt Harry Frank. Die Welt aus Clowns und Akrobaten, Tänzern und Tieren stirbt aus.
Zirkusdirektor mit Leib und Seele
Der 59-Jährige ist Zirkusdirektor mit Leib und Seele und einer der bekanntesten Bärendompteure Europas. Er hat sein Leben lang nie etwas anderes gemacht. Sein Bruder, seine Tochter und deren Familien sind alle Zirkusleute. Doch wären die Tiere nicht der Publikumsmagnet, hätte er sie schon längst verkauft.
Wildtiere im Zirkus? Braunbären hätten früher wie selbstverständlich dazugehört. Heute scheinen tanzende Bären wie einst am Jahrmarkt außer Mode gekommen zu sein. So berichtet eine Besucherin, dass sie die Zirkusaufführung sehr schön fand, der Auftritt von Ben wäre da gar nicht nötig gewesen.
Sicherheitsbedenken wegen des Wildtieres haben Familie Frank und ihr Anwalt nicht. „Wir sind in diesem Jahr bereits in Regensburg und Augsburg aufgetreten, da gab es keine Probleme“, sagt Harry Frank, Betreuer des 18-jährigen Ben.
Tierschützer sind besorgt
Doch die Sicherheitsvorkehrungen während einer Aufführung lassen so manchem Tierschützer die Haare zu Berge stehen. Eine Absperrung zwischen Bär und Publikum gibt es nicht. Stattdessen sind vier Männer stets in der Nähe, um im Notfall einzugreifen. Er führe den Bären nicht nur an einer Leine, erläutert Harry Frank, das Tier habe während der Show einen speziellen Maulkorb an.
Ein Draht im Maulkorb sorgt dafür, dass Frank dem Bären jederzeit die Luft abschnüren kann. „Dann legt er sich brav auf den Boden“, sagt Frank. Das 2,40 Meter lange Tier habe sich bisher allerdings nichts zu Schulden kommen lassen. Brav dreht er zwei Runden auf seinem Tretroller und macht Männchen.
Keine Einwände gegen Unterbringung
Die Tierschutzorganisation Peta hat den kleinen Wanderzirkus schon lange im Visier. Auf ihrer Homepage führt sie eine Chronik und listet Vergehen auf. So sind bereits mehrere Tiere ausgebüchst, darunter Kamele und Affen. Die Haltung von Wildtieren im Zirkus hält die Organisation für unzumutbar. Auch Politiker diskutieren schon länger über ein Verbot.
Das Veterinäramt Nürnberger Land hat gegen die Unterbringung von Braunbär Ben nichts einzuwenden. Es bestätigt, dass veterinärrechtlich alles in Ordnung sei und Ben ordnungsgemäß gehalten werde. „Der Käfig ist 100 statt der vorgeschriebenen 75 Quadratmeter groß“, erzählt Wolfgang Frank stolz und blickt auf den braunen Koloss, der seine Nase gerade in ein Wasserbecken hält.
Am Samstag und Sonntag möchte Frank noch einmal mit seiner Truppe in Altdorf auftreten. Er hofft, die Verluste vom vergangenen Wochenende wieder wett machen zu können. Bis Redaktionsschluss hatte das Ordnungsamt der Stadt Altdorf dafür keine Genehmigung erteilt.
Wer ist diese „Vohla“? Ein Bürokratie-Vogel ohnegleichen.
Solche kann man in einem Zirkus nicht gebrauchen. Vogel der Nacht flieg hinauf bis zum Mond….
Warum hat der Zirkus keinen Antrag gestellt? Klingt nicht sehr professionell. Diese Vorfälle mit den entlaufenen Wildtieren wirken auch eher abschreckend. Vielleicht hat der Zirkus schon seine Gründe, warum er den Behördengang vermeiden will. Ich werde mit meinen Kindern diesen Zirkus jedenfalls nicht besuchen! 4 Männer wollen einen Grizzly aufhalten? Maulkorb? Und die Tatzen? Ts, ts, ts.
Äh, die Dame vom Amt sagt ihr fehlten doch nur die nötigen Papiere und sie hätte Angst der Bär greife Kinder an. Denkt sie etwa, wenn sie die Papiere hat, kann den Kindern automatisch nix passieren. Deutschland ist so ein komischer Bürokratiestaat, unglaublich!!!!
Wieder typisch Altdorf ! Stress statt Konsens. Statt froh zu sein, dass ein Zirkus das alte Dorf besucht, kommt die Bürokratiekeule. Wobei: Ein Ordnungsamt hat für Ordnung zu sorgen, und wenn das die Mitarbeiter dort nicht tun und es passiert etwas, ist das Geschrei hinterher gross. Von daher muss man die Reaktion sogar verstehen und begrüßen. Aber hätte man die Differenzen mit den Zirkus-Verantwortlichen nicht geräuschlos zur beiderseitigen Zufriedenheit aus der Welt schaffen können ? Schade !
Eine geräuschlose Erledigung der Angelegenheit war seitens des Zirkusbetreibers vermutlich gar nicht gewollt. Billiger hätte er umfangreiche Werbung für den Zirkus doch gar nicht bekommen können. Oder hätten wir hier in Feucht oder anderen umliegenden Orten von Altdorf sonst erfahren dass ein Zirkus in Altdorf gastiert?
Genehmigung hin oder her…
Wir waren am Sonntag spazieren und sind zufällig am Zirkus vorbeigelaufen. Wenn man den Bären in seinem Käfig sieht kann hier definitv keine Rede von artgerechter Haltung sein (trotz der tollen 25 qm mehr).
Das verhalten des Tieren hat mich stark an „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke erinnert.
Schade das es noch immer Menschen gibt, die mit ihren Eintrittsgeldern das Ausstellen von Wildtieren unterstützen…
Also,ich hatte auch so meine Bedenken als ich gesehen habe das unser Rathaus die Werbeplakate vom Zirkus mit dem Text „Veranstaltung nicht genehmigt“ beklebt hatte.
Ich bin Tierfreund und wollte mich selbst überzeugen ob man vieleicht etwas bei der Polizei melden sollte was mit Tierquälerei oder zumindest schlechte Haltung der Tier zu tun haben könnte(aber bitte nicht falsch verstehen,mit Peta oder dergleichen die selbst keine saubere Weste haben was der Umgang mit Tieren betrifft sowie das veruntreuen der Spendengelder,habe ich nichts am Hut).
Ich bin also zum Zirkus und war zu Beginn erstaunt das man auf meine Frage was ein Gang durch die Tierschau kosten würde, mir kein Geld abgenommen wurde.
Die Tiere(eigentlich sehr viele) sind dort absolut in bester Verfassung was ich so feststellen konnte,alles sehr gepflegt, durchweg Personal das Pferde wäscht, Hunde und Ziegen ausführt,relativ riesige auslauf Koppeln für alle Tierarten und wie eine Nachbarin (die täglich dort vorbeikommt) mir sagte ,ständig Tier im Freien und nicht in den Stallungen zu sehen sind.
Über den Bären kann ich nur sagen das er, als ich da gewesen bin,in seinem Pool geplanscht hat,und auf der Wiese in seinem Freigehege gespielt und gedöst hat,b.z.w einen ausgeglichen Eindruck auf mich gemacht hat.
Nach diesem positiven Eindruck bin ich am vergangenen Samstag auch in die Zirkusveranstaltung gegangen.
Wärend Artisten dort relativ hohe Qualität an Akrobatik gezeigt haben und auch die kleine Band gute Stimmung im Zelt verbreitet hat ,hatte ich den Eindruck das es den Zirkusleuten bei den Tierdarbietungen nicht um Action oder schwierigen Dressur-Akten geht sondern mehr die schönheit der Tiere und natürliche Bewegungs-Abläufe der verschiedenen Tierarten demonstriert werden,was bei allen Zuschauern sichtlich Einklang fand und mit viel Applaus belohnt wurde.
Der Zirkusbesitzer (glaube ich) und auch viele der Domteure und Artisten haben sich nach der Veranstaltung viel Zeit für Gäste und Kinder genommen die noch Fragen hatten oder sich einfach nur für die schöne Show bedanken wollten.
Dabei hat mich eine Antwort einer der Artisten besonders zum nachdenken gebracht.
Auf die Festellung einer jungen Mutter, die auch als Besucher in der Veranstaltung war, das man in den Medien und auf den Internetseiten der Tierrechtler offt liest das Zirkus mit Tieren out sein soll und viele Unterschriften- sammlungen und Meinungs-Umfragen ergeben haben sollen das die Mehrheit der Menschen in Deutschland sich gegen Zirkus mit Tiere entscheiden würde antwortete der Artist
„das ist eine leichte Rechenaufgabe.In Deutschland gibt es momentan c.a 400 Zirkusunternehmen.Wenn jeder dieser Zirkusse nur 20 Personen pro Tag zu Gast hätten,(aber es sind ja weit mehr wenn man von Zirkussen wie Krone,Knie,Busch oder ähnliche ausgeht, denn diese Unternhemen brauche ja bestimmt 500 Besucher pro Tag) also wenn 20 Personen am Tag in die besagten 400 Zirkusse gehen sind das 8 000 Menschen täglich,56 000 Menschen in der Woche,bei 8000 Menschen pro tag bei 200 Auftritts-tagen würde das 1.600.000 Besucher ergeben.“(ich habe diese Rechnung Daheim nochmal überprüft,sie stimmt).
Dazu sagte der Artist abschließend „wenn man bedenk das 1.600.000 Menschen pro Jahr den Zirkus besuchen, stimmen wohl irgentwie die Meinungsumfragen und Unterschriftensammlungen nicht“.
Ich muss mich schon sehr wundern über unser Ordnungsamt. Vor ca. 5. Wochen wurde unser Sohn in Altdorf von einem Kampfhund gebissen. Das Ordnungsamt sah aber keinen Handlungsbedarf,da wir erst Anzeige erstatten müssen.Also haben wir Anzeige erstatten,leider ist bis heute nichts geschehen.Liebe Frau Vohla wer sorgt da für die Sicherheit der Kinder, direkt nebenan ist ein Spielplatz. Muss erst schlimmers passieren bevor man reagiert. Maulkorb zwang wer schon mal ein Anfang.
Ihr habt Angst um Eure Kinder? Ok, teilweise berechtigt, aber wie wäre es denn, dem Zirkus absolut fern zu bleiben! Und WER denkt an die armen Tiere, die unter absolut unwürdigen Umständen ihr Leben fristen müssen. Wo bleibt denn bitte die Würde der Tiere???
Hier nochmal mein Kommentar vom 1. Juli, den ich unter einem anderen Beitrag geschrieben hatte:
Ich habe eine große Hochachtung vor den Laiendarstellern während der Wallenstein-Festspiele in Altdorf. Mit großem Engagement, in unzähligen Stunden, auch mit großem finanziellen Einsatz bereiten sie sich auf ihre Auftritte vor, schade, dass dieser Einsatz heuer mit so wenig Publikum gewürdigt wird!
Als der Zirkus Alberti diese Woche sein Zelt aufstellte, dachte ich, wie unglücklich, gerade während der Festspiele. ABER um so unfaire empfinde ich im o.g. Artikel (nur in der Papierausgabe vom 30. Juni lesbar) den Versuch, mit umrahmter Top-Meldung, den Kontrahenten „Alberti“ auszuschalten. Man nennt es auch „Rufmord“.
Anmerkung vom 06.07.2012: In der Zwischenzeit war ich auch in einer Vorstellung und ich habe mir die Unterbringung der Tiere angesehen. Ich nutze gerne die Gelegenheit mit meinen Enkelkindern die Vorstellung eines Wanderzirkus anzusehen. Bisher kannte ich den Zirkus Alberti nicht, aber es war seit langer Zeit die beste Vorstellung die ich unter der Rubrik besucht habe. Viele unterschiedliche Tiere (die auch Futter und Pflege benötigen) gab es zu sehen. Auch habe ich immer einen traurigen Beigeschmack, wenn ich die Tiere in ihren viel zu engen Käfigen sehen muss, da schau ich ganz genau hin! Aber in Altdorf haben die Tiere – Dank des großzügig gepachteten Geländes – viel, sehr viel Auslauf.