Zirkus darf nicht in Altdorf auftreten

Ist Braunbär Ben eine Gefahr?

Ein Bild wie aus alten Tagen: Alberti-Dompteur und Zirkusbesitzer Harry Frank lässt Ben Männchen machen (oben). Stehend ist das Tier 2,40 Meter groß. Bereits die Vorfahren von Frank waren Zirkusleute. An dem Käfig des Braunbären hatte das Veterinäramt im Nürnberger Land nichts zu bemängeln (unten)2012/07/ben_New_1341407102.jpg

ALTDORF — „Der Zirkus ist in der Stadt“: Dieser Satz führt üblicherweise zu strahlenden Kinderaugen. In Altdorf sorgt er derzeit für einigen Wirbel. Denn laut Ordnungsamt tritt der Zirkus Alberti ohne Genehmigung auf – und hätte noch dazu kein Sicherheitskonzept für Braunbär Ben vorgelegt.

Braunbär Ben alias „Big Grizzly“ sitzt vor dem großen blauen Zirkuszelt in seinem Käfig. Ein unter Strom gesetzter Bauzaun und hüfthohe Eisengitter trennen ihn von den zwei Mädchen, die nach der Schule vorbeigekommen sind, um die Pferde zu füttern. Angst vor dem Tier hätte sie nicht, sagt eine der beiden.

„Antrag ist nicht gestellt worden“

Vergangenes Wochenende hatten die Altdorfer von Freitag bis Montag die Möglichkeit, die Show des kleinen Wanderzirkus zu besuchen. Das sei ohne Genehmigung geschehen, sagt Sybille Vohla, Leiterin des Amtes für Sicherheit und Ordnung in Altdorf. „Ein Zirkus ist eine öffentliche Veranstaltung“, erläutert sie. Da brauche sie einen persönlich gestellten Antrag auf eine Genehmigung. Der sei allerdings nicht gestellt worden. Sie habe überhaupt erst Donnerstagnachmittag von dem Zirkus in ihrer Stadt erfahren.

Für Braunbär Ben brauche sie außerdem eine Sondergenehmigung und ein Sicherheitskonzept. Das sei bei Raubtieren üblich. Weil ihr auch das nicht vorliege, verhängte sie kurzfristig ein Auftrittsverbot für Alberti. Sie fürchtete um die Sicherheit vor allem der Kinder im Publikum. Ein schreckliches Szenario hat Vohla da vor Augen: Böllerschüsse vom Wallensteinfest könnten dafür sorgen, dass der Bär durchdrehe und Kinder angreife.

„Ich bin ratlos“

„Ich habe nichts gegen den Zirkus“, versichert Vohla. Aber so etwas sei ihr noch nie passiert. Sie brauche doch nur die nötigen Papiere und eine persönliche Antragstellung. Trotz des verhängten Verbotes fanden die Aufführungen statt. Ihr Veto sei einfach ignoriert worden. „Ich bin ratlos“, sagt die Leiterin mit Ärger in der Stimme.

Auch auf der anderen Seite kochen die Emotionen hoch: Harry Frank, Besitzer, und sein Schwiegersohn Wolfgang Frank, Manager vom Zirkus Alberti, sehen die Sache anders. Da sie ein Privatgrundstück gepachtet haben, bräuchten sie keine Genehmigung vom Ordnungsamt, um aufzutreten. Vor Problemen wie in Altdorf seien auch sie noch nicht gestanden.

Kleiner Familienbetrieb

Das Auftrittsverbot fochten sie mit einem Anwalt an. Der sorgte dafür, dass der Oberste Gerichtshof in München am Sonntagmittag das Verbot aufhob – unter der Auflage, dass Bär Ben nicht in der Show dabei ist. Dem Anwalt liegt der kleine Familienbetrieb am Herzen. „Die Familie hat es nicht verdient, so vom Platz gejagt und mit Bescheiden traktiert zu werden“, sagt Ernst Fricke, der bereits viele Zirkusbetriebe vertreten hat.

Fricke argumentiert, dass eine Zirkusveranstaltung unter die Kategorie „Kunst und Kultur“ falle und deshalb keine Genehmigung vom Ordnungsamt benötige. Der kleine Wanderzirkus mit 25 Mitarbeitern und 40 Tieren ist auf jede Vorstellung angewiesen. Seit 1811 ist die Familie im Zirkusgeschäft dabei, mehr schlecht als recht. „Wir leben am Existenzminimum“, sagt Harry Frank. Die Welt aus Clowns und Akrobaten, Tänzern und Tieren stirbt aus.

Zirkusdirektor mit Leib und Seele

Der 59-Jährige ist Zirkusdirektor mit Leib und Seele und einer der bekanntesten Bärendompteure Europas. Er hat sein Leben lang nie etwas anderes gemacht. Sein Bruder, seine Tochter und deren Familien sind alle Zirkusleute. Doch wären die Tiere nicht der Publikumsmagnet, hätte er sie schon längst verkauft.

Wildtiere im Zirkus? Braunbären hätten früher wie selbstverständlich dazugehört. Heute scheinen tanzende Bären wie einst am Jahrmarkt außer Mode gekommen zu sein. So berichtet eine Besucherin, dass sie die Zirkusaufführung sehr schön fand, der Auftritt von Ben wäre da gar nicht nötig gewesen.

Sicherheitsbedenken wegen des Wildtieres haben Familie Frank und ihr Anwalt nicht. „Wir sind in diesem Jahr bereits in Regensburg und Augsburg aufgetreten, da gab es keine Probleme“, sagt Harry Frank, Betreuer des 18-jährigen Ben.

Tierschützer sind besorgt

Doch die Sicherheitsvorkehrungen während einer Aufführung lassen so manchem Tierschützer die Haare zu Berge stehen. Eine Absperrung zwischen Bär und Publikum gibt es nicht. Stattdessen sind vier Männer stets in der Nähe, um im Notfall einzugreifen. Er führe den Bären nicht nur an einer Leine, erläutert Harry Frank, das Tier habe während der Show einen speziellen Maulkorb an.

Ein Draht im Maulkorb sorgt dafür, dass Frank dem Bären jederzeit die Luft abschnüren kann. „Dann legt er sich brav auf den Boden“, sagt Frank. Das 2,40 Meter lange Tier habe sich bisher allerdings nichts zu Schulden kommen lassen. Brav dreht er zwei Runden auf seinem Tretroller und macht Männchen.

Keine Einwände gegen Unterbringung

Die Tierschutzorganisation Peta hat den kleinen Wanderzirkus schon lange im Visier. Auf ihrer Homepage führt sie eine Chronik und listet Vergehen auf. So sind bereits mehrere Tiere ausgebüchst, darunter Kamele und Affen. Die Haltung von Wildtieren im Zirkus hält die Organisation für unzumutbar. Auch Politiker diskutieren schon länger über ein Verbot.

Das Veterinäramt Nürnberger Land hat gegen die Unterbringung von Braunbär Ben nichts einzuwenden. Es bestätigt, dass veterinärrechtlich alles in Ordnung sei und Ben ordnungsgemäß gehalten werde. „Der Käfig ist 100 statt der vorgeschriebenen 75 Quadratmeter groß“, erzählt Wolfgang Frank stolz und blickt auf den braunen Koloss, der seine Nase gerade in ein Wasserbecken hält.

Am Samstag und Sonntag möchte Frank noch einmal mit seiner Truppe in Altdorf auftreten. Er hofft, die Verluste vom vergangenen Wochenende wieder wett machen zu können. Bis Redaktionsschluss hatte das Ordnungsamt der Stadt Altdorf dafür keine Genehmigung erteilt.

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