Pädagogik

Mobiles Unterstützungs-Team: Ein Netzwerk, das eingreift, wenn nichts mehr geht

Das MUTeam wird dann aktiv, wenn alle anderen Unterstützungssysteme ausgeschöpft sind sowie eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus nicht mehr gelingt.
Das MUTeam wird dann aktiv, wenn alle anderen Unterstützungssysteme ausgeschöpft sind sowie eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus nicht mehr gelingt. | Foto: Schulamt Nürnberger Land2025/11/3914308a22abcc5d9db19d2346d80e74c5f561a8_max1024x.jpg

NÜRNBERGER LAND – Die Fronten sind verhärtet, die Nerven liegen blank. Worte fliegen wie Pfeile durchs Klassenzimmer, Bücher landen vor Wut auf dem Boden. Das Kind schreit, rennt hinaus, schlägt die Tür zu. Stille. Die Lehrkraft ringt um Fassung, Mitschüler um Haltung, Eltern um Verständnis. Schulalltag in Bayern? Mitnichten. Aber durchaus im Bereich des Möglichen, auch im Nürnberger Land.

Wenn Ermahnungen, Gespräche und Förderpläne nicht mehr greifen und die Schulstunden längst zum täglichen Kraftakt geworden sind, kommt bei allen Beteiligten schnell ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht auf. Insbesondere beim Kind manifestiert sich mitunter der Gedanke, es niemandem mehr recht machen zu können und keinen Rückhalt zu haben. Deshalb gilt es genau hinzuschauen, denn hinter all dem Lärm steckt oft ein leiser Hilferuf nach Aufmerksamkeit, nach Gesehenwerden. Auffälliges Verhalten ist selten das Problem selbst – es ist häufig eher der Ausdruck eines Problems, das erkannt werden will. Pädagogen wissen das.

Kinder unterstützen

Wenn alle Maßnahmen erfolglos bleiben, Gespräche zwischen Schule und Elternhaus immer wieder scheitern und die Situation festgefahren scheint, dann bedarf es einer weiteren Instanz, die sich neutral und mit geballter Kompetenz eines solchen Falles zum Wohl des Kindes annimmt und mithilfe eines erweiterten Netzwerks lösungsorientiert handelt. Diese wichtige Aufgabe übernimmt das MUTeam – das Mobile Unterstützungs-Team des Schulamtbezirks Nürnberger Land. Das MUTeam wird dann aktiv, wenn alle anderen Unterstützungssysteme ausgeschöpft sind sowie eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus nicht mehr gelingt. Ob dieser Sachverhalt gegeben ist, kann nur die Schulleitung feststellen und auch nur sie darf den Kontakt herstellen. „Denn wir kommen ins Spiel, wenn alle anderen Stricke reißen“, sagt Martina Schwarm, die Koordinatorin des MUTeams. „Unsere Aufgabe ist es, alle Beteiligten wieder an einen Tisch zu bringen und den Blick auf das Kind zu öffnen – weg vom Problem, hin zur Ursache.“

Während in einer ersten Pilotphase vor einem Jahr zunächst nur einzelne Schulen durch das Mobile Unterstützungs-Team begleitet wurden, steht seit April 2025 das Angebot allen 39 Grund- und Mittelschulen des Landkreises offen und berücksichtigt knapp 9700 Schülerinnen und Schüler. Pro Woche erreichen Martina Schwarm und ihr Team ein bis zwei neue Fallanfragen. Bevor das MUTeam jedoch einen Auftrag annimmt, wird in einer wöchentlichen Konferenz überprüft, ob bereits alle anderen Beratungsinstanzen eingebunden waren und wie ein möglicher Einsatz aussehen könnte, um den sich immer zwei Fallmanager aus dem mittlerweile achtköpfigen Kernteam kümmern.

Aktuell neu hinzugekommen sind Lehrkräfte aus Grund- und Mittelschulen, die mit ihrer praktischen Erfahrung wichtige Perspektiven einbringen. Die weiteren Teammitglieder steuern ihr Fachwissen aus den Bereichen Beratung, Schulpsychologie, Sonderpädagogik und Inklusion bei. Auf diese Weise gelingt multiprofessionelle Zusammenarbeit auf hohem Niveau.

Sachverhalte neu bewerten

So vielfältig das Kernteam aufgestellt ist – so vielfältig sind auch die Probleme der betroffenen Kinder mit ihren teils starken Verhaltensauffälligkeiten, die unter anderem durch emotionale Belastungen, Schulangst, AD(H)S oder Autismus bedingt sein können. Jeder Fall ist einzigartig und verlangt nach einer individuellen Lösung. Martina Schwarm betont deshalb: „Wenn es keinen Fürsprecher mehr für das Kind gibt, dann kommen wir. Wir versuchen, den Blick wieder auf das zu lenken, was das einzelne Kind braucht.“

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, gehören zum erweiterten Netzwerk des MUTeams unter anderem Erziehungs- und Jugendberatungsstellen, Förderzentren für den Bereich Lernen und sozial-emotionale Entwicklung, die Beauftragten für inklusive Unterrichts- und Schulentwicklung (BiUSe), das Jugendamt und die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), die Polizeiinspektionen im Landkreis und viele mehr. Die Zusammensetzung der Helfergruppe sowie die enge Vernetzung untereinander scheinen wichtige Schlüssel zum Erfolg in der Arbeit des Mobilen Unterstützungs-Teams zu sein. Vielfach positiv sind die Rückmeldungen von Betroffenen.

„Mir hat der Einsatz des MUTeams geholfen, aus einer schwierigen Situation wieder herauszufinden. Das Team hat mir Hilfsmittel zur Selbsthilfe an die Hand gegeben, die für mich sehr gewinnbringend waren. Dadurch fühle ich mich für zukünftige Problemsituationen besser gewappnet,“ teilt eine Grundschullehrerin ihre Erfahrung. Weitere Rückmeldungen erhält das Team häufig von den betroffenen Eltern selbst. Familie L. wünscht sich, dass das Konzept „auf ganz Deutschland ausgeweitet wird, denn durch den schnellen und guten Einsatz kann man vielen Familien helfen und Schwierigkeiten wieder ins Lot bringen, bevor diese eskalieren.“

Tatsächlich gelang es oft erst durch ihre Arbeit, Situationen zu beruhigen, Ursachen zu erkennen und gemeinsam mit Eltern und Schule neue Wege zu finden. Deshalb zieht das MUTeam nach einem Jahr eine durchweg positive Bilanz und ist dankbar, dass das Staatliche Schulamt Nürnberger Land in enger Abstimmung mit der Regierung von Mittelfranken das Projekt ins Leben gerufen hat. Vorbild für das Konzept war ein Vorläufermodell im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort fand durch Hospitationen ein enger Austausch zwischen den Fachkräften statt und der Grundstein für ein Netzwerk, das im Nürnberger Land gemeinsam Verantwortung übernimmt, wurde gelegt.

Pädagogische Woche steht an

Langfristig wird das Schulamt das Erfolgskonzept weiter ausbauen und die Erfahrungen des MUTeams an alle Schulen weitergeben. Bei einer pädagogischen Woche im November 2025 werden rund 30 Workshops angeboten, etwa zum Thema „Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Kindern“. Insgesamt orientiert sich das zugrunde liegende pädagogische Konzept des MUTeams an der „Neuen Autorität“ nach Haim Omer und setzt – stark verkürzt ausgedrückt – auf Präsenz, Beziehung und Kooperation. Ziel ist es, Lehrkräfte zu stärken und präventive Strukturen aufzubauen, damit Unterstützung künftig früher greifen kann.

Ein Sprichwort sagt: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen. Das trifft heute mehr denn je im Kontext Schule zu, da Kinder und Jugendliche in einer zunehmend komplexen Welt auf vielfältige Unterstützung angewiesen sind. Schule ist längst nicht mehr nur ein Ort des Lernens, sondern ein sozialer Raum, in dem Belastungen, Ängste und familiäre Herausforderungen immer öfter sichtbar werden. Genau hier setzt das Mobile Unterstützungs-Team an und steht ein Jahr nach Projektbeginn als positives Beispiel da, das Schule machen sollte. Denn am Ende gilt: Um ein Kind zu begleiten und ihm einen Ausweg zeigen zu können, braucht es nicht nur ein Dorf, sondern Menschen, die frei von Vorurteilen gemeinsam genau hinsehen, zuhören und handeln. 

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