ALTDORF – Im Naturschutzgebiet Flechten-Kiefernwälder zwischen Altdorf und Leinburg werden derzeit tausende von Kiefern gefällt. Die Schutz-Verordnung lässt das ausdrücklich zu: Naturnahe Forstwirtschaft im Schutzgebiet sei möglich, heißt es darin. Dass man auch mit den gewaltigen Holzerntemaschinen im besonders geschützten Gebiet arbeitet, scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, um dessen Aufklärung sich die Verantwortlichen vom Forstbetrieb Nürnberg bemühen.
Ein kreischendes Geräusch, dann ein Krachen, Metall beißt in Holz und bringt blitzschnell eine Kiefer aus der Vertikalen in die Horizontale. Wobei der Baum nicht einmal richtig umfällt: Der gewaltige Arm des Harvesters hält ihn fest, säbelt in einer blitzartigen Geschwindigkeit Äste und Rinde herunter und zerschneidet ihn dann in die Längen, die der Forstbetrieb braucht. Viktor Tris ist morgens um acht Uhr in seine Holzerntemaschine gestiegen und hat bis kurz vor Feierabend seit heute morgen rund 600 Kiefern gefällt und bearbeitet. Ruckzuck geht das, seit Beginn der Arbeiten im Wald bei Altdorf hat Tris mehrere tausend Bäume verarbeitet. Der Mitarbeiter des Leinburger Forstunternehmens Geistmann fällt alle Kiefern, die zuvor von Revierleiter Hugo Goldmann rot markiert wurden. Sein monströses Gefährt bewegt sich dabei auf einer Linie zwischen den Bäumen, die Goldmann ebenfalls vorgegeben hat, mit weißen Zeichen an den Kiefernstämmen.
800 Hektar großes Gebiet
Großflächige Rodung im Naturschutzgebiet – geht das? Der Forstbetrieb Nürnberg arbeitet erneut in dem geschützten Areal „Flechten-Kiefernwald“ zwischen Altdorf und Leinburg, das mit seinen über 800 Hektar zu einer der größten besonders geschützten Flächen in Bayern gehört. Hiebmaßnahmen nennen die Forstleute die Holzernte, zweimal im Jahr kommen sie mit den gewaltigen Harvestern in den vor über einem Jahrzehnt unter strengen Schutz gestellten Wald bei Altdorf.
Und eben weil es diesen besonders strengen Schutz für das Gebiet gibt, müssen alle Arbeiten sowohl mit der Unteren Naturschutzbehörde am Laufer Landratsamt als auch mit deren vorgesetzter Behörde bei der Regierung von Mittelfranken abgesprochen werden. Von dort kommt regelmäßig grünes Licht. Zum einen ist Forstwirtschaft im Naturschutzgebiet ohnehin erlaubt, zum anderen helfen die Rodungen auch, die geschützten Flechten im Naturschutzgebiet zu erhalten. Die brauchen nämlich besonders lichte Wälder, um überleben und sich ausbreiten zu können. Innerhalb des Naturschutzgebiets gibt es auf einer Fläche von etwa 100 Hektar einen sogenannten Naturreservatwald, der sich seit 32 Jahren selbst überlassen bleibt und in dem keinerlei Forstwirtschaft stattfindet. Hier stehen die Bäume viel dichter als in den benachbarten Gebieten, in denen regelmäßig durchforstet wird – mit der Folge, dass für die Flechten zu wenig Licht am Boden ankommt und sie bis auf wenige Reste im Naturreservatwald verschwunden sind, während sie auf den lichteren Flächen bessere Bedingungen finden.
Zu viele Nährstoffe
Flechten brauchen nicht nur relativ viel Licht, sie gedeihen auch auf mageren Böden, auf denen sie nicht von Konkurrenzpflanzen verdrängt werden. Im Naturschutzgebiet ergeben sich für die kleinen Wesen zwischen Pflanze und Alge besondere Probleme. Durch den steigenden Stickstoff-
eintrag aus der Luft in die Waldböden gibt es viele Nährstoffe für Moose, Schwarz- und Preiselbeeren. Wo diese Pflanzen als Bodendecker wachsen, bleibt für die Flechten kein Platz mehr, sie verschwinden. Um nun den Nährstoffeintrag nach dem Fällen der Bäume so gering wie möglich zu halten, entnehmen die Forstleute nicht nur die Stämme, sondern alles, was nach dem Zuschneiden vom Baum übrig ist: sämtliche Äste und das gesamte Kronenmaterial.
Der Bund Naturschutz hat sich vor einigen Jahr ausgesprochen kritisch mit den Hiebmaßnahmen des Forstbetriebs Nürnberg im Naturschutzgebiet auseinandergesetzt und Betriebsleiter Roland Blank damals unter anderem vorgeworfen, rücksichtslos zu jeder Jahreszeit, auch während der Brutperiode der Vögel, im Naturschutzgebiet fällen zu lassen. Heute sagt Blanks Stellvertreter Horst-Dieter Fuhrmann, dass man bewusst ganzjährig Holz einschlägt, um die Arbeiten gleichmäßig in der Zeit zu verteilen, statt sie auf bestimmte Jahreszeiten zu konzentrieren. Und wie steht es mit den angeblichen Vorgaben, die der Forstbetrieb erfüllen muss? Werden tatsächlich bestimmte Holzmengen in bestimmten Zeiträumen geordert? Natürlich gebe es Lieferverträge, sagt Fuhrmann. „Daran kann man sich aber nicht sklavisch halten.“ Keineswegs sei es so, dass die Abnehmerfirmen die Holzmengen festlegen. Der Einschlag richte sich vielmehr nach der waldbaulichen Planung und sei unabhängig von jeglicher finanziellen Planung.
100 Jahre alte Bäume
Zurück zur Hiebmaßnahme im Naturschutzgebiet Flechten-Kiefernwald zwischen Altdorf und Leinburg: Auf 35 Hektar werden hier Bäume entnommen, 30 bis 35 Festmeter Holz pro Hektar, rechnet Revierleiter Hugo Goldmann vor. Kaum zu glauben, dass die hier geernteten Kiefern alle um die hundert Jahre alt sind. Die Bäume haben einen Stammumfang, den Kiefern auf anderen Standorten bereits nach 20 Jahren haben. Das liegt an dem ausgesprochen kargen Boden im Naturschutzgebiet. Bis zu 40 Meter mächtig sind hier die Flugsandschichten, in denen die Kiefern wurzeln. Die Bäume müssen mit nur sehr geringen Wassermengen auskommen – was zu langsamerem Wachstum führt. „Dafür ist das Holz allerdings von einer sehr guten Qualität“, so Forstdirektor Peter Hofmann vom Rother Amt für Landwirtschaft und Forsten, der sich noch gut an die ersten Harvester-Einsätze im Bereich des ehemaligen Forstamts Feucht erinnert. Hofmann war hier Leiter, als die erste Erntemaschine im Boten bei der Arbeit in Hugo Goldmanns Revier im Jahr 1989 vorgestellt wurde.
Soso… die Flechten müssen also geschützt werden (wichtiger als Bäume?). Es macht denen aber scheinbar nix aus wenn man mit dem Harvester darüber fährt?
35 Hektar werden bearbeitet und pro Hektar 30 bis 35 Festmeter Holz erwirtschaftet. Bei den Holzpreisen… ein tolles Geschäft! Und der Harvester muss ja auch ausgelastet sein! Ist Herr Geistmann nicht Mitarbeiter beim Forstamt Altdorf, oder war er es zumindest mal?
Soso…
Mit dem Harvester durch ein Naturschutzgebiet – unfaßbar! warum nicht gleich mit einem Panzer? von Rückepferden zum Schutz von empfindlichen Waldböden hat der Forstbetrieb Nürnberg offenbar noch nie etwas gehört.
und „tausende von Kiefern“, die um die 100 Jahre alt sind, klingt für mich nicht nach einer nachhaltigen Forstwirtschaft, sondern schlicht nach Raubbau.
eine NaturSCHUTZbehörde, die solche brachialen Hiebmaßnahmen einfach widerspruchslos durchwinkt (wie vor kurzem im Schwarzachtal), hat ihren eigentlichen Sinn und Zweck verloren.
wie es dort aussieht, wo sich Betriebsleiter Roland Blank mit schwerem Gerät mal so richtig „austoben“ darf, sieht man z.B. hier im Wendelsteiner Wernloch – ein Bild der Verwüstung:
http://www.nordbayern.de/region/schwabach/bund-naturschutz-harvester-hinterlassen-ein-bild-der-verwustung-1.646099
Eine tolle Sache, Dank und Respekt an den Forstbetrieb Nürnberg. Flechten gehören mit zu den gefährdetsten pflanzlich-pilzlichen Organismen in Deutschland und Mitteleuropa. Insbesondere epigäische Flechten (= erdbewohnende Arten) benötigen lichte Wälder zum Arterhalt und zur Dispersion. Wir finden: dies ist eine wichtige Waldnaturschutzmaßnahme