GROSSBELLHOFEN — Es riecht nach Leim und Leder, jedes Regal in dem kleinen Raum ist bis unters Dach voll mit Schuhkartons. Von der Straße aus sieht man erst auf den zweiten Blick, dass sich in dem schmucken Häuschen in Großbellhofen ein Schuhgeschäft verbirgt. Dennoch feiern Georg und Gunda Meier in diesen Tagen den 50. Geburtstag ihres Betriebs.
Ein Schuhgeschäft in einem Dorf wie Großbellhofen – das an sich ist schon eine Nachricht. Dass es dieses Geschäft nun schon seit 50 Jahren gibt, umso mehr. Damals, Ende Mai 1961, war Chef Georg Schneider gerade 24 Jahre alt. Gelernt hatte er sein Handwerk bei Konrad Wörler, dem ältesten noch heute praktizierenden Schuster der Gegend, in Schnaittach. „Er hat Wert darauf gelegt, dass ich eine ordentliche Ausbildung bekomme“, berichtet Meier. „Deswegen hat er mich in die Berufsschule nach Nürnberg geschickt.“ Dort gab es schon zur damaligen Zeit eine spezielle Lehrwerkstatt für die Schuhmacher – anders als in Lauf, wo sie noch mit Bäckern und Maurern zusammen unterrichtet wurden.
1960 absolvierte Georg Meier seine Meisterprüfung, 1961 eröffnete er sein Geschäft in Großbellhofen, ein halbes Jahr später heiratete er seine Frau Gunda.
Elternzeit gab es noch nicht
Drei Töchter haben die beiden hier aufgezogen, „Elternzeit“ war damals noch ein Fremdwort. „Wenn ich hinten ein Baby gebadet habe und es kam ein Kunde, hab ich das Kind halt schnell nochmal in ein Handtuch gewickelt und mitgenommen“, erinnert sich Gunda Meier. Familiär ging es schon immer zu in ihrem Schuhgeschäft: Bis heute dürfen die Kinder, zusammen mit den fünf Enkeln der Meiers, im Garten spielen, während ihre Eltern einkaufen. Schuster Georg Meier schaut dann persönlich nach ihnen.
Untergebracht in seinem Elternhaus besteht das Geschäft bis heute aus einem kleinen Verkaufsraum und einer Werkstatt – doch auch den Wohnbereich des Hauses dominieren Schuhe: Ein Kinderzimmer wird heute als Lager für das umfangreiche Birkenstock-Sortiment genutzt. Der Verkaufsraum ist das Reich von Gunda Meier. Die gelernte Sekretärin arbeitet seit dem ersten Tag mit und hat sich über die vielen Jahre ein großes Wissen über Schuhe, deren Materialien und Beschaffenheit, Fußbetten und Pflege angeeignet – und natürlich eine große Portion Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse ihrer Kunden. Gerade möchte eine etwa 70-jährige Kundin eine bequeme Sandale für jeden Tag kaufen – geduldig hilft Gunda Meier ihr bei der Suche und beim Anziehen und schon bald ist eine ausgesucht. Da fällt der älteren Dame ein, dass sie ja auch noch neue Hausschuhe braucht. „Diese Form hätt‘ ich gern, aber aus einem kräftigeren Material – und vielleicht in einer anderen Farbe.“ Kein Problem für Gunda Meier. Der beschriebene Schuh ist zwar nicht vorrätig, doch sie hat schon einen Händler im Kopf, der genau diesen im Katalog hat. Die Kundin ist glücklich, und schon kommt die nächste herein.
Nebenan in der Werkstatt liegt gerade ein Paar Lederreitstiefel auf dem Arbeitstisch. Der Schaft ist seinem Träger zu eng geworden, Georg Meier hat ihn aufgeschnitten, um einen schmalen Streifen Gummi einzuarbeiten. Außerdem warten die verschiedensten Schuhe auf neue Absätze oder andere kleinere Reparaturen. Kaum jemand lässt sich heute noch Schuhe maßanfertigen, doch auch diese Kunst beherrscht Georg Meier noch: Neben den Reitstiefeln, an denen er gerade arbeitet, steht ein halbfertiger schwarzer Herren-Lederschuh.
Wie macht man es nun, wie führt man ein Schuhgeschäft in einem 300-Seelendorf? „Von Großbellhofen allein könnten wir nicht leben“, sagt Georg Meier. Aber die Kunden kommen aus dem ganzen Umland, einen Stammkunden haben die Meiers sogar in Berlin. „Die Familie macht immer Urlaub in Osternohe und kommt dann zu uns“, berichtet Meier. Viel genutzt habe ihm, dass er in vielen Vereinen und bei der Feuerwehr aktiv war und ist.
Außerdem hat er viele Jahre lang als Fleischkontrolleur gearbeitet und ist dadurch viel herumgekommen. Die Kombination daraus und aus der Mundpropaganda der zufriedenen Kunden hat über die Jahrzehnte hinweg dafür gesorgt, dass bis heute zehn, zwanzig Menschen am Tag den Weg in das Großbellhofener Geschäft finden. Mitte 70 sind die Meiers und stehen täglich von 7.30 bis 18 Uhr im Laden, doch ans Aufhören denken sie nicht: „Ich wüsste gar nicht, was ich machen sollte“, sagt Georg Meier.
Ihr durchschnittlicher Kunde ist jene ältere Dame, daran haben sie ihr Sortiment angepasst. Bequemschuhe, Birkenstock und Pantoffeln dominieren das Angebot. Aber: „Manche Kunden sind schon mit ihren Eltern gekommen und dann ein paar Jahre weg geblieben. Mit ihren eigenen Kindern kommen sie jetzt wieder zu uns.“ Deswegen stehen zwischen den Bequemschuhen auch modische Sneaker und Kinderschuhe mit Prinzessin-Lillifee-Aufdruck.