ALTDORF – Nach kontroverser Diskussion stimmen 12 Stadtratsmitglieder und Bürgermeister Martin Tabor für die von der Seebrücke angestoßene Resolution und lehnen eine von der CSU eingebrachte Erklärung zur Flüchtlingspolitik ab.
Bürgermeister Martin Tabor hat mit dem Einstieg in die Debatte um eine Resolution zum „Sicheren Hafen“ den Ton gesetzt. Und der war rau. „Unanständig“ sei es von der CSU, jetzt mit einem eigenen Antrag daherzukommen. „Politische Spielchen“ wirft der Rathauschef den Christsozialen vor, ein Vorgehen, das er auf das schärfste verurteile.
Was war passiert? Schon seit Jahren versucht die Altdorfer Lokalgruppe der Seebrücke die Stadt dazu zu bewegen, sich zum Sicheren Hafen für Flüchtlinge zu erklären. 2019 hatte der Stadtrat das Ansinnen mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Kommune nicht zuständig sei für die Aufnahme von Migranten. Nach den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr ist die Seebrücke dann erneut auf das Rathaus zugegangen und hat darum gebeten, im Stadtrat für den Sicheren Hafen werben zu dürfen, was dann im Oktober vergangenen Jahres geschah (wir berichteten).
Eine überparteiliche Arbeitsgruppe hat schließlich gemeinsam eine Resolution erarbeitet, die acht Punkte umfasst und mit der sich Altdorf zum Sicheren Hafen erklärt. Weil auch Werner Merkel für die CSU am Austausch über die Resolution beteiligt war, empört sich jetzt Bürgermeister Tabor, dass die Christsozialen der gemeinsamen Erklärung einen eigenen, sieben Punkte umfassenden Entwurf entgegensetzen.
Eine politische Selbstverständlichkeit?
Dabei ist für die CSU ein solcher Gegenentwurf nichts anderes als eine politische Selbstverständlichkeit. Auf Konsens habe man gehofft, betont deshalb Bernd Eckstein (CSU). Den sieht er aber weit und breit nicht nach Tabors Einstieg in die Diskussion. Den eigenen Antrag hat die CSU laut Eckstein in den Stadtrat eingebracht, um das geltende Asylrecht in den Vordergrund zu stellen. „Wir müssen uns in erster Linie an Recht und Gesetz halten.“
Werner Merkel fügt hinzu, es bestehe doch Einigkeit darüber, dass keine Menschen im Mittelmeer ertrinken dürfen. Die Stadt dürfe aber keine Resolutionen über bundes- oder europapolitische Themen fassen. Die Diskussion ist schon weit fortgeschritten, als Merkel richtig wütend wird. Er verbitte sich als langjähriges Mitglied der evangelischen Kirche die Unterstellung, er würde die Menschenwürde nicht achten, sagt er laut und um Fassung ringend, nachdem Christian Lamprecht (FDP) und Eckhard Paetzold (Grüne) wie Tabor gegen die CSU argumentiert und auf das C im Parteinamen hingewiesen haben. Martin Tabor zitiert neben anderen Papst Franziskus und Landesbischof Heinrich Bedford-Strom in Sachen Flüchtlingspolitik und erwähnt, dass viele Kommunen, die sich zum Sicheren Hafen erklärt haben, von christsozialen oder christdemokratischen Bürgermeistern regiert werden.
Zeichen der Humanität
Dazu äußert sich später Ralf Schabik (FW/UNA). Leider zeige es sich oft, dass den hehren Erklärungen keine Taten folgen. Einige Sichere Häfen, so Schabik, versagen bei der Integration. Ist es deshalb nicht wichtiger, für die Menschen zu sorgen, die schon hier sind? Genau darum geht es dem CSU-Fraktionschef Thomas Kramer. Die Stadt hat keine Zuständigkeit bei der Aufnahme von Flüchtlingen – das ist Konsens bei CSU und FW/UNA, das macht auch FW/UNA-Fraktionschef Thomas Dietz deutlich. Und dem stimmen auch die anderen Fraktionen zu. SPD, Grüne und FDP sehen in der Resolution zum Sicheren Hafen allerdings ein Zeichen der Humanität, das deutlich machen soll: Altdorf will helfen. Dieses Zeichen nimmt die Gegenseite aber als Moralkeule wahr. Schwierig für beide Seiten also. Deshalb Ralf Schabiks Appell an seine Kollegen im Stadtrat: „Man muss unterschiedliche Meinungen aushalten.“
Die Resolution zum Sicheren Hafen hat folgenden Wortlaut (in Klammern dazu die Abstimmungsergebnisse im Stadtrat):
1. Die Stadt Altdorf erklärt sich solidarisch mit Menschen auf der Flucht. (19:6)
2. Die Stadt Altdorf erklärt, sich für sichere Fluchtwege, gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, für die Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettungsmissionen und die menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden einzusetzen. (18:7)
3. Die Stadt Altdorf erklärt, die Seenotrettung nach ihren Möglichkeiten aktiv zu unterstützen. (16:9)
4. Die Stadt Altdorf erklärt, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die menschenwürdige Versorgung (Wohnen, Gesundheit, Bildung) von Geflüchteten in der Stadt einsetzt. (25:0)
5. Die Stadt Altdorf erklärt, dass sie sich für die zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten aus besonderen Notsituationen einsetzt und bietet nach ihren Möglichkeiten Unterstützung an. (14:11)
6. Die Stadt Altdorf erklärt, dass sie sich verstärkt gegen Diskriminierung von Geflüchteten, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzt. (23:2)
7. Die Stadt Altdorf erklärt, dass sie die Integration von Geflüchteten aktiv unterstützt, z. B. über die Errichtung eines Integrationsbeirats und die Unterstützung des bestehenden ehrenamtlichen Einsatzes, vor allem des Unterstützerkreises für Asylsuchende Altdorf. (25:0)
8. In diesem Sinne erklärt sich die Stadt Altdorf zum „Sicheren Hafen“. (13:12)
Ein am Ende knappes und bei den einzelnen Unterpunkten interessantes Ergebnis, weil sich trotz der vorausgegangenen kontroversen Diskussion viele Gemeinsamkeiten ergeben. Bürgermeister Tabor, die SPD, die Grünen und die FDP haben mit 13:12 Stimmen die Resolution angenommen und die von der CSU eingebrachte Erklärung zur Flüchtlingspolitik abgelehnt.
Deren sieben Punkte, über die nicht mehr einzeln abgestimmt wurde, lauten:
1. Die Mitgliedstaaten der EU mögen sich auf ein rechtsstaatliches Verfahren unter den Maßgaben der Europäischen Werteordnung verständigen, wonach Asylsuchende ordentlich untergebracht und versorgt werden und zügig ein Asylverfahren durchlaufen können.
2. Das Asylverfahren soll in unmittelbarer Nähe der EU-Außengrenzen stattfinden. Die Abkommen von Schengen und Dublin sollen Berücksichtigung finden, sofern sich die EU nicht auf andere Maßgaben einigt.
3. Anerkannte Asylbewerber haben Flüchtlingsstatus und sollen über ausgewogene europäische Verteilmechanismen auf die Mitgliedstaaten verteilt werden.
4. Sofern eine Seenotrettung im Mittelmeer erforderlich ist, soll diese staatlich organisiert werden, um die strikte Einhaltung internationalen Rechts zu gewährleisten. In Seenot geratene Asylsuchende sind in den nächsten sicheren Hafen zu verbringen.
5. Der Schleuserkriminalität ist entschieden entgegenzutreten. Eine Kooperation staatlicher Seenotrettung mit Schleusern muss ausgeschlossen werden.
6. Bei Nichtanerkennung des Flüchtlingsstatus sind zügige und sichere Rückführungen zu gewährleisten.
7. Die Europäische Außenpolitik muss sich stärker den Fluchtursachen und gesellschaftspolitischen Verhältnissen in den Herkunftsländern widmen, um den Menschen eine Bleibeperspektive in ihrer Heimat zu bieten.