FEUCHT – Am Rande des Feuchter Reichswalds stehen Container, die als Obdachlosenunterkünfte genutzt werden. Während die Bewohner über unzumutbare Zustände klagen, weist das Ordnungsamt die Vorwürfe entschieden zurück.
Der frische Waldgeruch kollidiert mit dem beißenden Gestank von Schweiß, Urin und Müll. In der Jägersruh im Feuchter Osten stehen seit 2003 Container am Waldrand, die auf den ersten Blick zu einer Baustelle gehören könnten. Aus der verbeulten Tür eines Containers steigt ein Mann. Er ist Barfuß, seine Füße bluten und sein Körper ist übersät von Blessuren.
Er wohnt hier schon seit drei Monaten. Er lächelt und stellt sich in gebrochenem Deutsch vor: „Edgars Ozolins, gelernter Metzgermeister aus Riga.“ Nach Deutschland kam der 29-jährige 2015 zum Arbeiten. Das hat aber nicht so richtig geklappt. Er habe einige Gelegenheitsjobs gemacht, verlor schnell den Boden unter den Füßen und landete zweimal im Gefängnis. Seit seiner Entlassung sei er obdachlos. Auf die näheren Umstände will er nicht weiter eingehen. Dafür gewährt er einen Einblick in sein kleines Reich. „Das ist meine Gefängniszelle“, scherzt er.
Stefan H‘Lawatschek wohnt seit sechs Wochen im Container daneben. „Wir zahlen 50 Euro Miete und 127 Euro Nebenkosten, um hier zu wohnen“, erzählt er. Vor allem die Stromkosten seien hoch, weil der Betrieb der Elektroheizungen sehr teuer sei (wir berichteten). Der 49 Jahre alte, gelernte Maurer bezieht Hartz IV und ist Vater von zwei Kindern, die ihn aber wegen der Wohnbedingungen nicht besuchen. Aus seiner Wohnung sei er nach Streitereien mit der Vermieterin geschmissen worden. Allein mit Arbeitslosengeld sei es unmöglich, eine neue Bleibe zu finden. Die Vorurteile der Vermieter seien zu groß. „Viele Leute mögen uns nicht, nur weil wir hier wohnen müssen“, erzählt H‘Lawatschek.
Schon oft seien wichtige Briefe aus der Post geklaut und in den Wald oder in den Müll geschmissen worden. Probleme mit den Behörden seien dabei vorprogrammiert. Viel Zeit verbringe er sowieso nicht in seinem Container, es sei zu eng und das mache ihn krank. Der stickig heiße Container bietet mit seinen knapp 13 Quadratmetern gerade einmal Platz für das Nötigste.
Doch selbst am Nötigsten mangelt es.

„Das ist menschunwürdig“
„Es gibt keine Duschen und auch keine Waschmaschine, das ist einfach menschenunwürdig“, erklärt Magda Schneider empört. Sie heißt anders, möchte aber anonym bleiben. Sie hilft den Obdachlosen wo sie nur kann. „Ich wasche ihre Wäsche, lasse sie bei mir duschen und bringe ihnen Essen vorbei“, erzählt sie. Deswegen sei sie auch schon mit Drohungen und Hass konfrontiert worden. Schneider wohnt in einem Haus nur einige Meter von den Containern entfernt und geht mehrmals am Tag mit ihrem Hund an den Unterkünften vorbei.
Dabei habe sie in den vergangenen Jahren schon vieles erlebt. „Einmal sind mein Mann und ich durch den Wald gegangen und uns kam eine geistig verwirrte Person entgegen, die wild herumfuchtelte und behauptete, von Drachen verfolgt zu werden“, erzählt sie. Das sei kein Ort für kranke Menschen, das sei allgemein kein Ort für Menschen. Die derzeitigen Bewohner seien jedoch nett und ungefährlich.
Gegen die Obdachlosen hat sie nichts. Sie stört sich viel mehr daran, dass die Gemeinde nichts ändere. „Es wird weggeschaut und die Ärmsten und Schwächsten müssen das ausbaden!“ Sie könne dieses Elend und Leid einfach nicht mehr mit ansehen. Diese Menschen bräuchten Hilfe. Es fange bereits bei der Waschsituation an. „Wie will man wieder auf die Beine kommen, wenn man sich nicht einmal sauber machen kann“, fragt sie rhetorisch. Außerdem müsse die Gemeinde ihrer Meinung nach einen Sozialarbeiter, eine Säuberung der Container und ein ordentliches Fundament bereitstellen. Es haben sich nämlich Ratten unter dem Boden der Bewohner eingenistet.
„Ich bin entsetzt über die Zustände“
Eine Situation, die auch Birgit Ruder von den Freien Wählern Feucht erschreckt: „Ich bin entsetzt über die Zustände.“ Sie wurde von Magda Schneider auf die Unterkünfte aufmerksam gemacht, nachdem diese einen Flyer mit dem Titel „Wo drückt der Schuh“ von den Freien Wählern in ihrem Briefkasten fand. Ruder war bereits öfters bei den Containern, um sich ein Bild zu machen. „Die Ratten kommen, weil es keine Mülltrennung gibt“, erklärt sie. Das Hauptproblem sei, dass die Menschen in den Containern aufgegeben werden.
„Sie nehmen Drogen und trinken Alkohol, weil sie verständlicherweise keine Perspektive haben“, erzählt sie. Sie stellt sich die Frage: „Wo sind die Sozialarbeiter, Streetworker oder Pädagogen, die diesen Menschen wieder auf die Beine helfen?“ Außerdem könne sie nicht verstehen, warum die Obdachlosen nicht im Hotel Bauer oder in Sozialwohnungen untergebracht werden. Um die Zustände zu verbessern, habe sie sich bereits an das Ordnungsamt gewandt. Sie möchte sich auch weiterhin für die untergebrachten Obdachlosen einsetzen.
Zurück ins Leben gekämpft
Der 40-jährige Max Huber, der seinen echten Namen ebenfalls nicht angeben möchte, hat knapp zwei Jahre in einem der Container gewohnt. Er hat es jedoch herausgeschafft und bezieht mittlerweile eine eigene Wohnung. Trotzdem besucht er hin und wieder die Unterkünfte und spricht mit den Bewohnern. Weil er schon oft als „Container-Assi“ bezeichnet wurde, ist ihm Anonymität wichtig. Er möchte nicht, dass seine zwei Kinder davon lesen. Mit schlimmen Suchtproblemen habe er nie kämpfen müssen. „Bei mir war es ein Schicksalsschlag, ich habe meinen Job und meine Wohnung verloren und meine ganze Welt ist über mir zusammengekracht“, erzählt er.
Als er seinen Container bezogen hat, habe er sich plötzlich unter Alkoholikern und Drogenabhängigen wiedergefunden. „Da prallen Welten aufeinander.“ Man könne entweder sein Schicksal akzeptieren und versuchen, herauszukommen, oder sich ebenfalls betäuben und vor dem Alltag flüchten. Außerdem sei der Container in einem skandalösen Zustand gewesen. „Überall Müll, Essensreste, Schimmel und Maden, es war einfach unzumutbar“, erinnert er sich. Eine ordentliche Schlafmöglichkeit habe es auch nicht gegeben, deswegen leide er bis heute unter einem Bandscheibenvorfall. „Und dafür zahlt man auch noch Miete“, empört er sich.
Wer in einem der Container landet, habe alles verloren. Zusätzlich sei es immer wieder zu Problemen mit seinen Nachbarn gekommen. Die Lautstärke sei teilweise bis spät in die Nacht ohrenbetäubend gewesen und es kam auch zu Übergriffen. „Ich war dankbar über ein Dach über dem Kopf, aber jeder Hund hat es besser.“ Die öffentliche Dusche sei weit entfernt und man müsse vorher den Schlüssel am Rathaus abholen. „Das machen die Wenigsten, weil es neben dem Aufwand auch eine Demütigung ist, jedes mal betteln zu müssen, um duschen zu können“, erklärt er. Herausgeschafft habe er es nur dank seines starken Willens und mit der Hilfe eines Freundes.
Jens Söckneck vom Ordnungsamt Feucht weist viele dieser Vorwürfe zurück, versteht aber auch die Probleme und Anliegen. Das Ordnungsamt ist sowohl für die Unterbringung, als auch für die Sauberkeit verantwortlich. „Feucht hat überdurchschnittlich viele Obdachlose, von denen auch viele aus anderen Städten kommen“, erzählt er. Bevor Personen in den Containern untergebracht werden, werde mit Absprache vieler Behörden primär versucht, die Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die Container seien ausschließlich für Alleinstehende bereitgestellt, während Familien und Alleinerziehende in Sozialwohnungen untergebracht werden. Außerdem handle es sich dabei um eine Unterbringung auf begrenzte Zeit.
„Dreckige Container? Eine dreiste Lüge!“
„Dass wir dreckige und unausgeräumte Container weitergeben, ist eine dreiste Lüge, allein schon wegen der Infektionsgefahr“, erklärt er. Dass oftmals keine Schlafmöglichkeit vorhanden ist, komme vor. „Wir haben zwar Notfallmatratzen, diese sind jedoch manchmal zu kaputt oder verschmutzt, um sie zu verteilen.“ Das wahre Problem sei auf rechtlicher Ebene zu suchen. „Die Bayerischen Mindestanforderungen sehen ein Dach und einen Sanitärbereich vor, der Rest ist freiwillig und immer eine Kostenfrage“, erklärt Söckneck. Das beziehe sich auch auf das Thema Waschmöglichkeiten. Seit einigen Jahren biete die Gemeinde eine Dusche im Nebengebäude des Rathauses an. „Das wurde aber bis jetzt leider nur einmal genutzt.“ Es werde im Gemeinderat jedoch über Duschkabinen vor Ort beraten.
Bei bürokratischen Fragen stehe den Bewohnern, wie jedem Bürger, das Bürgerbüro und das Standesamt zur Seite. Hier werde auch an das Jobcenter vermittelt, damit die Miete und die Nebenkosten für den Container übernommen werden. Außerdem arbeite man eng mit dem Gesundheitsamt zusammen, das ebenfalls für viele Belange zuständig ist.
Das gravierende Sperrmüllproblem habe das Ordnungsamt ebenfalls im Blick. Nachdem ein Container ausgeräumt wird, müsse der Sperrmüll erst gesichtet werden. Daher sei es möglich, dass sich die Abholung einige Wochen verzögert. Ebenso habe man das Rattenproblem in Angriff genommen und Fallen aufgestellt.

Das eigentliche Problem sieht Jens Söckneck an einer anderen Stelle: „Was da ist, ist wenig und ich kann die sehr geringen Mindestanforderungen Bayerns nicht schönreden.“ Obdachlosigkeit und der Mangel an Wohnraum seien schon seit Jahrzehnten gesamtgesellschaftliche Probleme, die weit über die Grenzen Feuchts und des Landkreises hinausgehen. Hier müsse man sich grundsätzlich Gedanken machen. Den ersten Schritt könne jeder einzelne gehen: „Die Leute sollen lieber hingehen und helfen, als sich nur zu beschweren.“