Vieh und Wolf

Herdenschutz in der Praxis

Mit einem schlichten mobilen Elektrozaun ist die Weide von Leimbergers Mutterkuhherde umgeben – zu wenig, um den Wolf fernzuhalten. | Foto: K. Bub2021/07/redweb20210618-090958.jpg

VORRA – Die Leimbergers betreiben auf ihrem Fischbeck-Hof Landwirtschaft, wie viele es sich wünschen: Die Rinder verbringen den Sommer auf der Weide, geschlachtet wird selbst nur wenige Kilometer vom Hof entfernt und das Fleisch direktvermarktet. Auch die Hofnachfolge ist gesichert. Eines aber trübt die Bilderbuchidylle. Und das ist weniger der Wolf, der 2020 wochenlang hier zu sehen war, sondern vielmehr das Förder-Regelwerk zum Herdenschutz.

Auf der Hochfläche Richtung Hirschbach hat Erwin Leimberger seine Mutterkuhherde auf einer neun Hektar großen Weide stehen. Hier bringen seine Kühe ihre Kälbchen zur Welt, hier haben sie ausreichend Bewegungs- und Fressmöglichkeiten. Sogar eine Hecke gibt es, die den Tieren Schatten spendet. Ein kleines Paradies. „Für uns gehört die Weidehaltung im Sommerhalbjahr einfach dazu“, sagt Leimberger.

Locker über den Zaun

Gesichert ist die Weide derzeit mit einem mobilen Elektrozaun. Praktisch für den Landwirt. Der Draht ist locker gespannt, Leimberger kann ihn mühelos übersteigen, wenn er auf der Weide nach dem Rechten sehen will. Auch das Ausmähen ist ohne viel Aufwand möglich, denn die unterste Litze des mobilen Zauns ist rund 40 Zentimeter vom Boden entfernt.

Doch wenn Leimberger nun in den Genuss von Fördermitteln kommen will, um seine Herde vor einem möglichen Wolfsangriff zu schützen, muss er vieles umkrempeln. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fördert bei Rinderhaltung nämlich in erster Linie nur Festzäune. „Mobile Elektrozäune sind bei Rindern nicht üblich. In Ausnahmefällen können für Rinderherden Mobilzäune mit festen Eckpfosten gefördert werden“, erklärt ein Sprecher des Landesamt für Umwelt (LfU) dazu.

Für Leimberger ein Problem. „Der Boden hier ist sehr steinig und lässt nur geringe Rammtiefen zu“, sagt er. Das mache das Verankern der festen Zaunpflocken schier unmöglich. Vom zusätzlichen Arbeitsaufwand ganz zu schweigen. Denn bei dem Schutzzaun darf die untere Litze an keiner Stelle mehr als 20 Zentimeter vom Boden entfernt sein.

Bis zu fünfmal im Jahr

„Im Moment mähen wir ein- bis zweimal im Jahr aus, damit durch den Bewuchs kein Strom abgeleitet wird, bei der niedrigen Höhe von maximal 20 Zentimeter müssten wir das dann bis zu fünfmal jährlich tun“, sagt Leimberger. Ein Festzaun mit solch tiefer Litze verwehre zudem auch anderen Tieren den Zugang zur Weide. Bisher seien regelmäßig Reh, Fuchs und Hase unter dem Zaun hindurch auf die Weide geschlüpft. Den Kühen hätte der tierische Besuch nichts ausgemacht. „Ein Festzaun ist 120 bis 140 Zentimeter hoch und hat fünf Drähte. Das ist wie eine Wand für Wildtiere. Das wollen wir nicht“, macht Leimberger deutlich.

Auch bei seinen Jungrinderweiden auf der gegenüberliegenden Hochfläche tut sich der Landwirt mit einem Festzaun schwer. „Wir nutzen immer wieder andere Flächen“, erklärt er. In regelmäßigen Abständen müsse er seine Weideflächen umbrechen, sonst verliere er den Status Ackerland, was eine Wertminderung für Grund und Boden bedeute. So schön die Fördermöglichkeiten von Herdenschutzmaßnahmen klingen, Erwin Leimbergers Fazit fällt eher ernüchternd aus: „Ein förderfähiger Festzaun zur Wolfsabwehr ist bei unseren Weiden technisch kaum möglich und wirtschaftlich wenig sinnvoll. Die zusätzliche Arbeits- und Kostenlast können und wollen wir nicht stemmen.“ Schließlich betreiben die Leimbergers den Hof lediglich im Nebenerwerb und gehen allesamt noch einer anderen Tätigkeit nach.

Aufforderung zum Schutz

Aufgeben aber will die Familie ihre Landwirtschaft nicht, dafür stecke zu viel Herzblut in ihrem Hof. „Wir machen weiter wie bisher, hoffen, dass nichts passiert und tragen das Risiko eben selbst“, sagt Leimberger.

Sollte ein Wolf tatsächlich eines von Leimbergers Kälbchen reißen, erhält er keine Ausgleichszahlung. Denn seit 30. April 2020 gilt die Gemeinde Vorra laut LfU offiziell als Wolfsgebiet. Nutztierhalter sind daher aufgefordert, ihre Weiden innerhalb eines Jahres entsprechend zu schützen. Der Grundschutz gemäß Bayerischem Aktionsplan Wolf sei zwar nicht verpflichtend, heißt es von Seiten des LfU, jedoch Voraussetzung für die Gewährung des Schadensausgleichs. „Eine Ausnahme von der Grundschutzregelung bilden ’nicht zumutbar schützbare Weidegebiete‘, welche gegenwärtig von der Weideschutzkommission erhoben werden“, lässt ein Sprecher des LfU wissen.

Alter entscheidet

Grundschutz-Maßnahmen können sich Nutztierhalter auch sparen bei Großpferden, die älter als vier Jahre, und bei Rindern, die älter als zwei Jahre sind. Denn die gelten laut LfU als wehrhaft gegenüber großen Beutegreifern wie dem Wolf. Das trifft jedoch nicht auf Leimbergers Mutterkuhherde zu: „Wenn sich Kälber und Rinder unter 24 Monaten auf einer Weide befinden, gilt die gleichzeitige Anwesenheit von erwachsenen Rindern nicht als Grundschutz“, lautet die Auskunft des Landesamts für Umwelt dazu.

Auch wenn der Wolf seine Familie vor noch ungelöste Probleme stellt, ein Wolfshasser ist er nicht. „Wir haben nichts gegen den Wolf“, macht Leimberger deutlich. Er fürchtet allerdings, dass die Tiere des Veldensteiner Rudels zusehends ihre natürliche Scheu vor dem Menschen verlieren. Zu oft würden die Tiere am helllichten Tag in den Dörfern nahe dem Veldensteiner Forst auftauchen. Erwin Leimberger plädiert deshalb für die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. „Verlierer bei einem völlig überzogenen Schutzstatus für den Wolf sind wir Bauern. Da stellt sich uns schon die Frage, wer schützt eigentlich uns?“

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