SCHWAIG — Ein für Schwaig wegweisender Beschluss soll morgen Abend in der Gemeinderatssitzung (ab 18 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses) gefasst werden: Wird die Nordschule abgerissen, um dort Wohnungen zu errichten, oder als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt? Die Meinungen in den Fraktionen und in der Bevölkerung gehen auseinander.
Die alte Nordschule und der leerstehende Kindergarten schlummern schon seit einiger Zeit mitten im Schwaiger Ortskern vor sich hin. Die Grundstücke in der Parkstraße 13 und der Heimstraße 2 sind zwei der wenigen Areale, in denen in Schwaig noch neuer Wohnraum entstehen könnte.
Genau darauf hatte sich der Bau- und Umweltausschuss auch bereits im Mai dieses Jahres verständigt: Ein Investor solle gefunden werden, um dort preisgünstigen, sozialen Wohnraum zu schaffen, der in der begehrten Stadtrandlage rar ist.
Auch Paul Brunner von den Grünen hatten damals dem Abriss der maroden Gebäude zu diesem Zweck „unter Magengrimmen“ zugestimmt. Doch inzwischen habe sich die Situation verändert, sagt der Gemeinderat, der Dienstagabend gegen den Abriss stimmen will.
Zum einen habe sich in Gesprächen mit der Diakonie, die als möglicher Träger eines sozialen Wohnbauprojekts auf dem Gelände in Frage gekommen wäre, gezeigt, dass diese den freien Platz neben dem Schwaiger Schloss bevorzugt. Zum anderen habe sich die Situation in Sachen Asyl seitdem stark verschärft.
„Das Landratsamt sucht händeringend nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten für die vielen Flüchtlinge, die zu uns kommen“, sagt Brunner. Die Gemeinde Schwaig solle hier mit gutem Beispiel voran gehen und das Gebäude zur Verfügung stellen. „Wir müssen kurzfristig denken und die schlimmste Not lindern“, findet er. Parallel dazu könne man auch über den Teilabriss eines Gebäudetrakts nachdenken.
Bürgermeisterin Ruth Thurner sieht das anders. Sie bestätigt, dass es bereits Gespräche und sogar eine Ortsbegehung mit Mitarbeitern des Landratsamts gegeben hat, das dort eventuell Flüchtlinge unterbringen möchte. Mehr als eine weitere Notunterkunft gäbe die Nordschule allerdings vorerst nicht her, denn es gibt nur eine Heizung und zwei Duschen im ganzen Gebäude. Hier müsste man nachrüsten.
Doch seitdem die ehemalige ODN-Druckhalle in Schwaig kurzfristig zur Notunterkunft für bis zu 500 Asylbewerber umgerüstet worden war (wir berichteten), liege die Situation anders, so Thurner. „Schwaig leistet ja bereits einen guten Beitrag zur Flüchtlingsunterbringung mit zwei Unterkünften in Behringersdorf und der großen Notunterkunft in Schwaig. Wir dürfen die Bürger und die Ehrenamtlichen aber auch nicht überlasten“, findet die Bürgermeisterin.
Zwar habe sie sich über die positive Resonanz bei der Informationsveranstaltung zum Thema Asyl vergangene Woche gefreut, trotzdem gingen bei ihr immer wieder auch Anfragen besorgter Bürger ein. Auch hierfür müsse man Verständnis zeigen und im Blick behalten, wie viel eine Gemeinde leisten kann.
„Wir hoffen, dass erst einmal in anderen Orten im Landkreis ein Platz gefunden werden kann“, sagt Thurner. Zudem gebe es in Schwaig genügend Hallen in privater Hand, die dem Landratsamt angeboten werden könnten. Darauf habe die Gemeinde dann keinen Einfluss, bei der Schule, die ihr gehört, hingegen schon.
Deshalb will die Rathauschefin heute Abend den Vorschlag ihrer Verwaltung unterstützen und sich für den Abriss und den Wohnungsneubau aussprechen. Sie fügt aber an: „Das entscheide ja nicht ich, sondern der ganze Gemeinderat. Sollte die Entscheidung zugunsten der Asylunterkunft ausfallen, werden wird diese selbstverständlich gemeinsam tragen und eine gute Lösung finden.“
Die Begründung Herrn Brunners, warum er gegen den Abriss der Nordschule sei, löst erstauntes Kopfschütteln aus. Ein Grund sei das inzwischen fehlende Interesse der Diakonie als möglicher Träger eines sozialen Wohnbauprojekt, weil „diese den freien Platz neben dem Schwaiger Schloss bevorzugt“. Die Diakonie will nach meinem Kenntnisstand vor allem für sich selbst bauen und dabei wären vielleicht auch ein paar Wohnungen entstanden.
Es ist interessant, zu erfahren, dass die Diakonie sich anscheinend die gewünschten Plätze in der Ortsmitte aussuchen kann. Ich dachte immer, in Schlossnähe sollte etwas entstehen, von dem deutlich mehr Schwaiger etwas haben. Vielleicht erfährt der Bürger ja demnächst mal, was hier besprochen oder versprochen wurde.
Ich gebe Herrn Brunner Recht, wenn er meint, seit dem Beschluss zum Abriss habe sich die Situation verändert. Ich komme allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis als er. Die in Deutschland erwarteten 800.000 – 1 Mio Flüchtlinge bedeuten etwa 1-1,2 % der Bevölkerung. Durch die Erstaufnahmeeinrichtung in der ODN-Druckerei wurde eine Kapazität für etwa 500 Personen geschaffen, mit einer Vertragszeit von mindestens 3 Jahren. Das entspricht 10 % der Bevölkerung Schwaigs und jetzt befürworten Herr Brunner und seine Fraktion zusätzlich noch einmal 200-300 Personen in der Nordschule.
Für diese Menge ist Schwaig eindeutig nicht groß genug. Die Flüchtlinge brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Betreuung. Das kann mit ziemlicher Sicherheit nicht gewährleistet werden. Dann sind so unschöne Ereignisse wie gestern in Kassel-Calden vorprogrammiert.
Herr Brunner will kurzfristig denken, um die schlimmste Not zu lindern und deshalb das Gelände für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Eine langfristige Betrachtung wäre wohl hilfreicher. Man muss daran denken, dass viele der Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten werden und demnächst Wohnungen brauchen. Deshalb darf man jetzt keine Flächen für kurzfristige Unterbringung verschwenden, sondern an diesem Platz müssen preisgünstige Wohnungen entstehen. Davon profitieren Alle, die derzeitigen und die zukünftigen Bewohner Schwaigs, unabhängig von der Nationalität oder der Herkunft.
Für kurzfristige Lösungen sind sicherlich noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Frau Thurner sprach von privaten Hallen in Schwaig und mir fallen spontan 2 noch nicht wieder benutzte Gebäude von Bahr und Praktiker in Nürnberg ein. Die Verhandlungen mit einer Kommune sind vermutlich einfacher als mit einem Geschäftsmann und teurer wird es mit privaten Vermietern eventuell auch. Dennoch sollte keine Gemeinde zu stark belastet werden und man sollte Schwaig nicht die Chance nehmen, dringend benötigte preisgünstige Wohnungen zu bauen oder bauen zu lassen.