Heutige Bauerndemo

Der Frust ist groß

Die Gruppe „Land schafft Verbindung“ hatte bereits im Oktober 2019 zu einer Kundgebung nach Bayreuth eingeladen (im Bild). Damals kamen etwa 1000 Landwirte, darunter zahlreiche aus dem Nürnberger Land. Heute, in Nürnberg, wird die Teilnehmerzahl um ein Vielfaches höher sein. | Foto: News5/Merzbach2020/01/news5-merzbach-bauernprotest-bayreuth-scaled.jpg

NÜRNBERGER LAND – Mit welchem Landwirt man auch redet: Es braucht nur ein, zwei Nachfragen, schon ist der Frust zu spüren. „Wir lassen uns das nicht mehr gefallen“, dieser Satz fällt ein ums andere Mal. Die Bauern fühlen sich als Sündenböcke. Vom Klimawandel bis zum Bienensterben, für alles werde ihnen die Schuld gegeben, meint Thomas Bobisch aus Hegnenberg bei Altdorf.

Er hilft bei der Organisation des Traktor-Protestzugs mit, der heute sternförmig aus sechs Richtungen zum Nürnberger Volksfestplatz führt. Der 36-jährige Milchviehhalter kümmert sich um die Kolonne, die sich zwischen 9 und 10 Uhr an der Diepersdorfer Straße in Schwaig versammelt und dann über Laufamholz, Mögeldorf, die Passauer Straße und den Ben-Gurion-Ring zum Ziel rollt.

Die Polizei rechnet insgesamt mit bis zu 5000 Traktoren und prophezeit vormittags wie nachmittags gegen 16 Uhr Staus, wenn die Teilnehmer den Heimweg antreten.

Fast 300 Anmeldungen für Schwaig

Wie viele Berufsgenossen sich der Schwaiger Kolonne anschließen, das traut sich Bobisch nicht vorherzusagen. Aber das Interesse ist ihm zufolge riesig: „Wir haben 260, 270 Anmeldungen und mussten deshalb eine zweite WhatsApp-Gruppe aufmachen. Aber es geht auch nicht jeder in diese Gruppen.“ Hinzu kämen Landwirte aus dem Raum Amberg-Sulzbach, die über die B 14 nach Schwaig anreisen. Schwer einzuschätzen, wie viele mit ihrem Traktor den Weg aus der Oberpfalz auf sich nehmen.

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Eine zweite Kolonne aus dem PZ-Verbreitungsgebiet startet in Kalch­reuth, ihr Weg führt über die B 2 durch den Nürnberger Norden. In Kalchreuth reihen sich auch die Söhne von Gerhard Wölfel ein, der den Sattelbachhof im Eckentaler Ortsteil Eschenau betreibt. „Ich bin sicher, zu der Demo in Nürnberg fährt jeder hin, ob Biobauer, ob konventioneller Bauer, ob Geflügelbauer oder Rinderzüchter“, sagt er. Der 52-Jährige baut mit seiner Familie Erdbeeren und Spargel an, er hält Pferde und bewirtschaftet 200 Hektar Ackerland.

Ein Familienbetrieb seit Generationen, kein kleiner Hof, und dennoch: „Es wird immer schwieriger, mit der Konkurrenz aus Europa mitzuhalten“, sagt Wölfel. Schuld daran seien die hohen Auflagen in Deutschland, „das werden immer mehr“. Oft seien sie „fachlich nicht begründet“, meint er im Hinblick etwa auf die geplante Novelle der Düngemittelverordnung. Der Vater unterstützt den Protest der Söhne: „Es sind überwiegend Bauern der jungen Generationen, die heute demonstrieren.“

Hinter der Demo stecken in der Tat nicht die oft altgedienten Funktionäre des Bayerischen Bauernverbands (BBV), der sonst für die Belange der Landwirte trommelt. Organisiert hat sie die Bewegung „Land schafft Verbindung“, ein bisher nur loser Zusammenschluss von Bauern aus ganz Deutschland, die sich über den Messenger-Dienst WhatsApp absprechen. Angeblich sollen auf diese Weise bis zu 25 000 Landwirte im Freistaat miteinander vernetzt sein. Zur Einordnung: In Bayern gibt es etwa 100 000 bäuerliche Betriebe.

Kritik an den Medien

„Wir wollen Aufmerksamkeit für unsere Position“, sagt Bobisch, der vor vier Jahren den elterlichen Betrieb übernommen hat und rund 120 Kühe im Laufstall stehen hat. „Wir sind auch noch da, wir wollen auch leben. Wegen mir können überall Blühwiesen entstehen, aber das muss dann finanziert werden.“ Er kritisiert nicht nur die seiner Ansicht nach oft einseitige Berichterstattung der Medien, sondern auch die Doppelmoral der Verbraucher, die zwar hochwertige Lebensmittel fordern, aber „am Ende trotzdem nach dem Preis gehen“.


Der Bauernverband sieht „Land schafft Verbindung“ nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Er sei der Gruppe „hochdankbar“, sagt der Günthersbühler Günther Felßner, der stellvertretende BBV-Präsident. Er lobt deren „enorme Kampagnenfähigkeit“. Die Forderungen – etwa die Kritik an der geplanten Verschärfung der Düngemittelverordnung – seien „eins zu eins die Positionen, die wir im Verband haben“, so Felßner.
Viele BBV-Orts- und Kreisobmänner beteiligen sich darum an der Kundgebung. Felßner selbst wird nach eigenen Angaben auf dem Volksfestplatz reden.

„Es sind die 20- bis 30-Jährigen, die das organisieren“, so der Funktionär, „Altsitzer mit 65 Jahren sind nicht unbedingt auf WhatsApp.“ Die nächste Bauerngeneration stehe aber auch vor den größten Herausforderungen: „Das sind die, die vielleicht gerade den Hof übernommen haben, viel investiert haben, und dann kommt die Politik und sagt: Du brauchst eine neue Güllegrube für 100 000 Euro.“

Bobisch, der Hegnenberger Milchbauer, formuliert es so: „Wir wissen nicht mehr, wie man jemanden überhaupt noch dazu motivieren soll, Landwirt zu sein.“ 

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