Nur ein paar Wanderern und Skilangläufern ist aufgefallen, dass die Arbeiten am Dörlbacher Kanaleinschnitt beendet sind. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde am Alten Kanal das größte Bauvorhaben vollendet, das an der historischen Wasserstraße in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführt wurde. Eigentlich wollte das Wasserwirtschaftsamt Ende November den sanierten Kanalabschnitt offiziell einweihen, die Feier fiel dann aber nicht ins Wasser, sondern regelrecht in den Schnee, weil miserable Wetterverhältnisse die Organisatoren zur Umplanung zwangen. Jetzt will man irgendwann im kommenden Frühjahr feiern.
DÖRLBACH – Dass am Kanal bei Dörlbach über Jahre Bagger im Einsatz waren und der Wander- und Radweg von und in Richtung Neumarkt versperrt war, sorgte für Ärger bei Fahrradfahrern und Ausflüglern. Kritiker merkten an, dass der Aufwand, der hier getrieben wurde, doch viel zu groß sei. Und Naturschützer schimpften über die Abholzung des Waldes. Die Bäume mussten der Sanierung der Kanalböschung weichen. Mit der Folge, dass der Dörlbacher Einschnitt nun ein ganz neues Gesicht hat. Die wildromantische „Kanal-Schlucht“, wie sie noch bis vor wenigen Jahren zu bewundern war, ist verschwunden. Jetzt präsentiert sich die Wasserstraße so ähnlich, wie sie im 19. Jahrhundert nach ihrem Bau ausgeschaut hat: mit glatten Böschungen ohne jeglichen Bewuchs.
Hang rutschte ab
Mehrere Rutschungen am steilen Hang des Dörlbacher Einschnitts veranlassten das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg aktiv zu werden. In den Wintern 2004/05 und 2005/06 sowie im März 2008 brachen Teile des Hangs ab und machten den parallel zum Alten Kanal verlaufenden Fünf-Flüsse-Weg unpassierbar. Was also tun? Das Wasserwirtschaftsamt gab ein geologisches Gutachten in Auftrag, aus dem hervorging, dass der gesamte Dörlbacher Einschnitt bedroht war, wenn es nicht gelingen würde, den Hang zu stabilisieren. Um das Technik-Denkmal zu erhalten, entschloss man sich deshalb zu umfangreichen Sanierungsarbeiten, die in zwei Bauabschnitte eingeteilt wurden: Mit dem ersten Abschnitt begann man im Sommer 2010 und beendete diese Arbeiten Ende 2010. Der zweite, sowohl größere als auch schwierigere Bauabschnitt begann im September 2011 und wurde jetzt abgeschlossen. 2,85 Millionen Euro hat man in den Erhalt des Dörlbacher Einschnitts investiert, Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für den Erhalt des ländlichen Raums und Mittel des Freistaats Bayern.
Dass der steile Hang am Kanal bei Dörlbach ins Rutschen kam, hat historische Gründe: Als die Arbeiter um 1840 den Dörlbacher Eischnitt bauten, mussten sie mit Hacke und Schaufel auf etwa 1000 Metern Länge einen 20 Meter hohen Bergrücken durchschneiden. Das dabei abgetragene Material hat man damals nicht abtransportiert, sondern als hochaufragende steile Böschung neben dem Kanalbett aufgetürmt. Im Laufe von über 150 Jahren hat die Mischung aus Ton und Tonstein dann ihre Festigkeit verloren, an der Oberfläche rutschte der Hang ab – für die Tiefbaufirma Bögl eine echte Herausforderung. Der Rutschhang musste streckenweise abgeflacht und mit einer 550 Meter langen Stützwand stabilisiert werden. Diese Wand gruben Bögls Bagger 2,50 Meter in die Erde. Ganz wichtig zur Wiederherstellung der Stabilität: Eine die Tonschichten durchlaufende Schieferbank musste entwässert werden. Dazu bauten die Ingenieure einen Sickerstrang in den sanierten Hang ein.
Insgesamt 80.000 Kubikmeter Material hat man per Lkw aus dem Dörlbacher Einschnitt abgefahren, das sind rund 8000 Muldenkipper-Ladungen voller Ton und Tonstein, lauter Aushub, den die Arbeiter vor über 150 Jahren mit ihren Schaufeln und einem dampfgetriebenen Bagger aus dem Bergrücken bei Dörlbach gruben. Dieser frühe Schaufelbagger wurde in der Nürnberger Maschinenfabrik Wilhelm Späth extra für den Kanalbau konstruiert.
Bautechnisch ist die Kanalstrecke von Schwarzenbruck über Burgthann in Richtung Neumarkt der anspruchsvollste Abschnitt. Einigkeit besteht bei Fachleuten, dass es sich bei der Überquerung der Europäischen Wasserscheide um eine technische Meisterleistung handelt. Heute zählt der Ludwig-Donau-Main-Kanal zu den beeindruckendsten Zeugnissen deutscher Industriekultur. Von seinen ehemals 178 Kilometern Schifffahrtsweg sind noch 65 erhalten. Zuständig für den mittelfränkischen Kanalabschnitt ist das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg.
