ALTDORF/BURGTHANN – Der Altdorfer Uwe Friedel ist Artenschutzbeauftragter beim Bund Naturschutz und Experte für den großen Beutegreifer. Er plädiert für ein Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wildtieren mit Herdenschutz. Und er äußert sich zu einem kürzlich gerissenen Rehbock bei Mimberg.
Der Wolf ist inzwischen in acht verschiedenen Territorien in Bayern heimisch, auch im Veldensteiner Forst, wo seit 2018 laut Landesamt für Umwelt (LfU) 15 Welpen geboren wurden. Das im vergangenen Jahr überfahrene Muttertier stammte ursprünglich aus Brandenburg, der Rüde aus dem Gebiet des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Wölfe sind mobil, Anzeichen deuten darauf hin, dass sie inzwischen auch im südlichen Nürnberger Land herumstreifen.
„Die Tiere legen täglich bis zu 60 Kilometer zurück“, sagt der Altdorfer Uwe Friedel. Für den Artenschutzbeauftragten des Bund Naturschutz steht fest, dass der große Beutegreifer keine Gefahr für den Menschen darstellt und dass eine Koexistenz von Weidetierhaltung und Wölfen möglich ist. Teile der Landwirtschaft sehen das ganz anders. Sie fordern einen kontrollierten Abschuss, wenn Wölfe Weidetiere reißen.

Soweit muss es nicht kommen, stellt Friedel fest. „Mit gutem Herdenschutz können die Landwirte verhindern, dass Schafe oder Kälber gerissen werden“, betont der Wolfsexperte und verweist auf das bayerische Herdenschutzprogramm für die Landwirtschaft, das teilnehmenden Bauern Elektrozäune und die Anschaffung von Schutzhunden zu 100 Prozent fördert. „Für mich ist vollkommen nachvollziehbar, dass Weidetierhalter keine Wölfe in der Nachbarschaft haben wollen, ich verstehe deren Sorgen“, versichert Friedel. „Sie können aber handeln.“
Während der Schutz der Herden mit Elektrozäunen komplett über das Herdenschutzprogramm bezahlt wird, wirbt das Landwirtschaftsministerium allerdings aus Friedels Sicht nur halbherzig dafür und will auch nicht die laufenden Kosten fördern. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) setze stattdessen auf eine „Erleichterung der Entnahme“, übersetzt heißt das: auf kontrollierte Abschüsse bei Rissen von Nutztieren.
Seit 2017 ist der Wolf zurück in Bayern
Wölfe gibt es in Deutschland wieder seit dem Jahr 2000, als erste Tiere von Polen aus einwanderten. Zwischenzeitlich gehen die Wolfsexperten von rund 1000 Tieren in ganz Deutschland aus. In Bayern wurde 2017, 140 Jahre nach der hiesigen Ausrottung des Wolfs, wieder ein erstes Rudel gesichtet. Im Jahr 2020 zählte man bayernweit 28 Risse von Nutztieren durch Wölfe, überwiegend Schafe und vereinzelt Damwild. Für Friedel eine überschaubare Zahl, „vor allem vor dem Hintergrund, dass tausende Tiere in der Tierkörperverwertung enden“.
Ganz anders sieht das Martin Erhardsberger, beim Bayerischen Bauernverband zuständig für das Thema Wolf. Es gebe zwar den Aktionsplan Wolf für Bayern, darin sei aber die Bestandsregulierung nur unzureichend geregelt, sagte er kürzlich in einer Videokonferenz mit über 100 Teilnehmern aus der Landwirtschaft (wir berichteten). Allerdings bekenne sich der Aktionsplan zur Weidetierhaltung, „ein positiver Ansatz“, so Erhardsberger.
Elektrozäune wehren Tiere ab
Ein Bekenntnis zur Weidetierhaltung kann auch Friedel jederzeit ablegen. Schafhaltung im Wolfsgebiet, davon ist er überzeugt, gelinge mit wirksamen Schutzmaßnahmen. Wobei auch Friedel einräumt, dass noch viele Fragen offen sind. „Wir wissen einfach vieles noch nicht.“ Welche Hindernisse etwa ein Wolf überwindet. Sicher ist allerdings, dass Elektrozäune die Tiere abwehren. Wäre ein solcher Zaun in den Wildgehegen bei Betzenstein vorhanden gewesen, dann hätte dort kein Wolf eindringen und 25 Stück Dam-, Rot- und Muffelwild töten können, wie Anfang März geschehen, sagt Friedel.
Betzenstein ist ein 2500-Einwohner-Ort im Veldensteiner Forst, keine 50 Kilometer vom südlichen Nürnberger Land entfernt. Für den Wolf ein Tages- oder Nachtspaziergang. Verwunderlich wäre es also nicht, wenn der Beutegreifer auch hier auftaucht.
Rehbock bei Mimberg gerissen
Antonius Boller und seine Jagdkollegen Christopher Hoffmann, Ottmar Straub, Thomas Basel und Peter Gottschalk haben ein Jagdrevier bei Burgthann. Am 10. März entdeckten die Jäger bei Mimberg einen Rehbock, der durch einen Biss in die Kehle getötet worden war. Der Bauch des Tieres war aufgerissen, seine Innereien vollständig gefressen. „Wegen der Auffindesituation und der Spurenlage konnten wir einen Wolfsriss nicht ausschließen“, sagt Boller.
Deshalb informierten er und seine Jagdgenossen Burgthanner Landwirte und die Jagdpächter angrenzender Reviere über den Fund. Auch deshalb, weil im Schwarzachtal Schafe und Lämmer weideten. Außerdem nahmen sie Kontakt zum Landesamt für Umwelt auf. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des LfU hat dann an der Fundstelle Spuren gesichert und Proben von den Bissstellen am Rehbock genommen.

Eigentlich waren die Jäger davon ausgegangen, dass das LfU eine DNA-Analyse der Bissspuren erstellen würde, die Auskunft darüber hätte geben können, ob ein Wolf den Rehbock gerissen hatte oder ob das Tier anders zu Tode gekommen war. Sie wurden enttäuscht. Die Bissspuren hätten auf einen Fuchs hingewiesen, teilte das LfU den Jägern mit. „Wir können insgesamt keine Anzeichen auf die Beteiligung eines großen Beutegreifers feststellen“, heißt es in der Nachricht des LfU. Eine DNA-Analyse wurde nicht durchgeführt. „Das öffnet doch Raum für alle möglichen Spekulationen“, ärgert sich Boller. Für ihn als erfahrenen Waidmann ist es kaum möglich, dass ein Fuchs einen so schweren Rehbock wie den aufgefundenen erlegt. Und außerdem: „Warum hat das LfU so lange benötigt, um zu entscheiden, dass eine DNA-Untersuchung nicht durchgeführt wird?“
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Für Uwe Friedel ist das ganze auch unbefriedigend, er weist aber darauf hin, dass die zuständige Abteilung beim LfU unterbesetzt ist, DNA-Untersuchungen aufwändig und teuer sind und die Behörde derzeit mit Anfragen zum Thema Wolf überrannt wird. Aus seiner Sicht könnte auch ein wildernder Hund den Rehbock getötet und Füchse sich später über den Kadaver hergemacht haben. Allerdings sei der Riss durch einen Wolf durchaus möglich, sagt Friedel.
Interessant in diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen von Boller und seinen Jagdgenossen: Im Revier sei es bemerkenswert ruhig, das Wild verstecke sich. Menschen müssen sich jedenfalls nicht vor dem Wolf verstecken, betont Friedel. Seit der Ankunft des Beutegreifers im Jahr 2000 in Deutschland sei kein einziger Fall eines Angriffs bekannt geworden.
Wenn man in Deutschland einen Wolf sieht, sollte man sich bemerkbar machen, schreibt Eckhard Fuhr in seinem Buch „Die Rückkehr der Wölfe“. Das vertreibe den Wolf. „In die Hände klatschen, sich aufrichten, sich groß machen – dann wird er verschwinden.“ Wenn man mit einem Hund in einem Wolfsgebiet spazieren geht, sollte er laut Fuhr an die Leine genommen werden. Wölfe können in Hunden einen Artgenossen sehen, der in ihr Territorium eindringt. Für Menschen gefährlich werden Wölfe, die an Tollwut erkrankt sind, seit 2008 gilt Deutschland aber als tollwutfrei.
So einfach wie auf dieser Fotomontage ist es in der Realität nicht. In Wolfsgebieten müssen Weidetiere mit Elektrozäunen vor den Beutegreifern geschützt werden. Foto: agrarmotive/Adobe Stock
Der Geo-Ökologe und Wolfsexperte Uwe Friedel arbeitet seit 2012 hauptberuflich für den BN. Foto: Alex BlintenHans Boller und seine Jagdgenossen fanden am 10. März diesen gerissenen Rehbock bei Mimberg. Ihr Verdacht: Ein Wolf hat das Tier getötet.