HERSBRUCK – „Gitanes Blondes“ machen süchtig – und nein, mit einem möglicherweise ähnlich klingenden, nikotinhaltigen Pendant hat dieser Name definitiv nichts zu tun. Süchtig machten sie trotzdem und das letzte „große“ Konzert im KiCK zu einem vollen Erfolg.
Die Band „Gitanes Blondes“ nahm ihre Zuhörer mit einmaligem Sound, der sich am besten irgendwo zwischen Klezmer, irischen Klängen, Balkan-Folk und Jazz einordnen lässt, mit auf eine abwechslungsreiche musikalische Reise rund um die Welt.
Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Gitanes Blondes marschierten erst pfeifend durch die Reihen des Publikums hinweg, nur um dieses dann gleich auf den folgenden Musikabend einzustimmen und vor allem einzubinden. Erst nachdem alle gemeinsam eine Melodie gesummt hatten, ging es für die vier Musiker auf die Bühne im Hersbrucker Kick. Kaum hatten sie ihre Schutzmasken abgenommen, ließen sie sich selbst keine Verschnaufpause. Es wirkte, als wollten sie den Musikstrom nicht abreißen lassen – immer wieder fand einer von ihnen einen Ton, an dem die anderen musikalisch weiterspinnen konnten.
Unmerkliche Signale
Dabei waren es vor allem ihre Variationen, die zwar den ein oder anderen bekannten Musikschnipsel erkennen ließen, aber dennoch immer wieder neu interpretiert wurden. Besonders beeindruckend zu beobachten waren die kleinen, fast unmerklichen Signale, mit denen sie untereinander agierten. Und so kam der musikalische Kopf und Violinist Mario Korunic auch erst nach der ersten halben Stunde und einem applaudierenden „Platzregen“ kurz zum Luftholen – und anschließend zu ein paar Worten im ausverkauften Kick.
Seit 22 Jahren seien sie schon unterwegs, erzählte der gebürtige Kroate und studierte Musiker. Gemeinsam mit Konstantin Ischenko am Akkordeon, Christoph Peters an der Gitarre und Simon Ackermann am Kontrabass kann er inzwischen auf eine höchst erfolgreiche internationale Karriere blicken. Aber auch in Hersbruck ist die Musikgruppe aus München nicht unbekannt, nachdem sie 2016 bereits beim Gitarrenfestival auftrat.
Summendes Kamel
Nun wollten die Vollblutmusiker aber erstmal das „am besten klingende und musikalischste Kino“ erzeugen. Dazu brauchten sie erneut die Zuschauer: Der Einstieg für ein irisches Musikstück erfolgte mit Wind und ersten Regentropfen, alle Hände wurden dazu zum Instrument. Nur um kurz darauf einen Tischtennisball zu fangen, der in den Zuschauerraum flog. Zuvor spielte der sich allerdings noch durch einen Tango, einhändig wirkte das ganz leicht und fast beiläufig, wie Ischenko und Korunic sich neben dem Akkordeon- und Geigenspiel den kleinen Ball zupassten. Damit vertonten die Musiker eine ihrer Konzertreisen auf einem Kreuzfahrtschiff nach Buenos Aires und das zugehörige Bordprogramm.
Ja, dies mochte ungewöhnlich wirken, aber es gehört wohl zum einmaligen Sound der Gruppe. Irgendwie sind sie eine Klezmerband, vertonen damit kleine Geschichten und beschreiben musikalische Reisen durch die ganze Welt. Andererseits fühlen sie sich in allen Stilrichtungen sichtlich zu Hause. Zum Beispiel ist da ein kleines Kamel, das mit den Großen nicht Schritt halten kann und dafür munter summt und tanzt. Die Message dahinter – viele Probleme werden dadurch nicht gelöst, aber leichter. Im nächsten Instrumentalstück fand es dann einen grünblättrigen Busch zur Stärkung, die Interpretatoren wiederum ihr nächstes Musikstück. Virtuos erklang der bekannte, aus einer Oper stammende „Hummelflug“, abgelöst von einem „Spiel der Glühwürmchen“ in Hersbrucker Uraufführung.
Von Bach bis Bossa
Es machte Spaß, zu sehen, wie sich die Musiker selbst nicht allzu ernst nahmen und dies auch auf ihre begeisterten Zuhörer übertrugen. Denn obwohl Christoph Peters ihnen schon vor der Pause die Schlusszugabe gestattet hatte, um das zum Ende vermeintlich müde Publikum zu umgehen, kamen sie natürlich dennoch nicht um einen wirklichen Abschluss herum. Damit wollten sie gleichzeitig beweisen, auch mal mit Noten spielen zu können. Ein Blatt für alle musste dabei aber ausreichen. Und trotzdem war es eigentlich überflüssig bei ihrer eigenen Version einer Komposition von J.S. Bach.
Zuvor ließen die Gitanes Blondes noch einen ursprünglich mazedonisch-bulgarischen Tanz erklingen, bevor sie aus der Fahrt eines einsamen Kutschers durchs weite, eiskalte Sibirien nach einigen gespielten Kilometern einen flotten Bossa Nova entwickelten. Das Konzertende erinnerte dann an den Anfang: Summend nahmen sie den Weg von der Bühne, durch die Zuschauerreihen hindurch.
Nur 30 Zuschauer …
Es gab wohl niemanden, der an diesem Abend nicht mitgerissen und begeistert worden war von diesem bunten und bei aller vermittelten Leichtigkeit dennoch anspruchsvollen Musizieren auf höchstem Niveau. Aber auch die Musiker fanden nur lobende Worte für ihr Publikum, das „alles richtig gemacht“ hätte, solange es noch möglich sei.
Für das Kick wird es vorerst der letzte „volle“ Konzertabend gewesen sein. Durch die neuen Corona-Beschlüsse ist 2G+ nötig, außerdem darf lediglich eine 25–prozentige Auslastung des Raums erreicht werden. Das wären nur rund 30 Gäste, trotz neuer Lüftungsanlage und Maskenpflicht, wie Harald Thiel resümiert. Dennoch stehen bis Weihnachten noch einige Konzerte auf dem Programm, für die sich dieser Aufwand sicher lohnt: „Marion & Sobo Band“ am 4. Dezember und „Jona_4“ am 18. Dezember.