BLLV-Präsident benennt Schwächen

„Der Pisa-Test wird immer überschätzt“

Wenzel
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NÜRNBERGER LAND — Für wenig aussagekräftig hält Klaus Wenzel aus Schnaittach, der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrer­innenverbands (BLLV), den Pisa-Test, dessen aktuelle Ergebnisse nun auf dem Tisch liegen. Bei der Studie, die die Leistung von 15-jährigen Schülern misst, haben deutsche Jugendliche gute Noten erzielt. Was sie wirklich alles können, meint Wenzel, werde aber nicht erfasst.

Herr Wenzel, wie aussagekräftig ist diese Studie eigentlich?

Wenzel: Sehr wenig, der Pisa-Test wird immer überschätzt. Er prüft nur einen Teilaspekt einer jungen Persönlichkeit ab, nämlich Wissensbestände und Können. Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi sagte, man solle die Kräfte der Kinder – nämlich Kopf, Herz, Hand und Fuß – allseitig und harmonisch fördern. Der Pisa-Test prüft aber nur das ab, was kognitiv messbar ist, was die Kinder sonst noch alles können, wird nicht erfasst. Außerdem müsste man den Test viel stärker differenzieren. Die Situation im Nürnberger Stadtteil Gostenhof ist eine andere als beispielsweise die in Schnaittach oder in Erlenstegen.

Wie meinen Sie das?

Wenzel: Bei der Pisa-Studie wird weder der soziale noch der regionale oder der sozio-ökonomische Hintergrund der Kinder einbezogen oder erfasst. Alle Schüler werden gleich bewertet, obwohl die Voraussetzungen für Lernen und Schulerfolg ganz unterschiedlich sind.

Was sind die Gründe dafür, dass die Kinder in Deutschland in den kognitiven Wissensbereichen besser geworden sind? Werden sie inzwischen einfach besser auf den Test „eingestellt“?

Wenzel: Ja. Das ist aber nur ein Grund. Außerdem ist aber der deutliche Zuwachs an Ganztagesklassen in den vergangenen zehn Jahren ein Teilaspekt für die Leistungsverbesserung. Ganz wichtig ist auch zu sagen, dass bei den Schulpolitikern inzwischen – zumindest in geringem Maß – angekommen ist, dass man intensiv und individuell auf die Jugendlichen eingehen muss. Zum Beispiel mit Förderstunden. Ideal ist die Situation in skandinavischen Ländern. Hier gibt es pro Klasse einen zweiten Pädagogen, der eine intensive Förderung Einzelner möglich macht. Ganz schlimm ist die Situation dagegen in Shanghai.

Warum? Die Kinder in Shanghai liegen bei der Pisa-Studie auf dem ersten Platz.

Wenzel: Ja, und sie werden dort so stark unterdrückt. Um Gottes Willen! Nicht auszudenken, wenn das in Deutschland genauso wäre.

Wie kann man den Unterricht in Deutschland denn verbessern, ohne die Schüler zu stark unter Druck zu setzen?

Wenzel: Wichtig ist, dass wir als Lehrer für unsere Schüler Bildungsprozesse gestalten. Die Kinder sollten nicht nur in ihrem Klassenzimmer sitzen und pauken, sondern in größeren Zusammenhängen lernen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Wenzel: Zum Beispiel geht das mit Projektarbeit. Man teilt die Schüler in unterschiedliche kleinere Gruppen auf und erarbeitet mit ihnen die Themen gemeinsam durch viel praktische Arbeit. Dabei werden verschiedene Interessenlagen angesprochen, die Kinder erfahren eine ganzheitliche Bildung und lernen nicht nur stur irgendetwas auswendig.

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