LAUF — Sie hat zahlreiche Romane als Hörbücher vertont und singt in einer kleinen Band – den meisten ist Andrea Sawatzki jedoch als ehemalige Tatort-Kommissarin Charlotte Sänger in Erinnerung. Im März diesen Jahres erschien nun das erste Buch aus der Feder der 50-jährigen Berlinerin: „Ein allzu braves Mädchen“ ist zugleich Kriminalroman und pschychologisches Portrait. Bei den Laufer Literaturtagen las die Frau mit der sinnlichen Stimme am Freitagabend in einer prallgefüllten Bertleinaula aus ihrem spannenden Debüt vor und gab am Ende sogar eine Kostprobe aus ihrem zweiten Buch „Tief durchatmen, die Familie kommt“. Zwei Romane, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der rote Samtvorhang öffnet sich. Hindurch treten zwei ellenlange, schlanke Beine, die in braunen Schlangenleder-Pumps stecken. Andrea Sawatzki, die rothaarige, feingliedrige Frau im grünen Kostüm tritt nicht auf – Andrea Sawatzki erscheint.
Bevor sie sich mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen an den kleinen Tisch auf der Bühne der Bertleinaula setzt, genießt die elegante Schauspielerin noch kurz den Moment des donnernden Beifalls der 570 Zuhörer.
Der Kriminalroman, den sie im März diesen Jahres veröffentlichte, handelt von einer verstörten jungen Frau, die zitternd in einem Waldstück aufgefunden wird. Im grünen Paillettenkleid sitzt sie unter den Zweigen einer Tanne und weiß weder wie sie heißt, noch was mit ihr geschehen ist. Nachdem Manuela Scriba in die Psychiatrie überwiesen wird, weicht ihr anfängliches Misstrauen allmählich dem Bedürfnis, die schockierenden Einzelheiten ihres Lebens zu offenbaren. Zur gleichen Zeit liegt ein 71-Jähriger im Schlafzimmer seiner Villa – auf grausame Weise mit einer scharfkantigen Waffe ermordet.
„Ein allzu braves Mädchen“ lässt nicht nur Parallelen zur Person Sawatzki erkennen. Die Autorin scheint beim Schreiben des Kriminalromans auch inspiriert worden zu sein vom Format des Tatort-Fernsehfilms, das mit den Themenfeldern Mord und Prostitution die typischen Klischees eines Krimis bedient.
Wie bei der Berlinerin handelt es sich bei der Protagonistin Manuela Scriba um eine rothaarige, zierliche Frau mit eisblauen Augen, die sich in ihrer Kindheit um ihren an Alzheimer erkrankten Vater kümmern musste und verbindet dabei die tragische Biografie des Mädchens mit den Hintergründen eines erschütternden Mordfalls. So entstand am Ende die Geschichte einer in der Kindheit stark überforderten 23-Jährigen, die laut der Autorin bis zu ihrer Vollendung unzählige Fassungen und viele verschiedene Anfänge hinter sich hat.
Dass das Buch autobiografisch sei und einen persönlichen Bezug hätte, streitet Sawatzki, die sich, wie sie selbst sagt, schon als Kind gerne Geschichten ausgedacht hat, energisch ab. Und dennoch fragt sich der Leser unwillkürlich, wo die Parallelen zwischen Sawatzki und Scriba genau verlaufen könnten, beziehungsweise wo diese enden.
Geschickt baut die Autorin ihren Roman nach einzelnen Wochentagen auf, an denen sie immer mehr Details der grausamen Vergangenheit von Scriba ans Licht bringt und springt dabei zwischen drei verschiedenen Perspektiven hin und her: Der Dokumentation des Geschehens, dem allwissenden Erzähler und dem Blick auf das Innere der Protagonistin.
Am Ende wird der grausame Mord aufgeklärt und mit der tragischen Geschichte des psychisch kranken Mädchens zusammengeführt.
Wie ihr Buch enden wird, das wusste Sawatzki zunächst selbst nicht. „Ich überlege mir vor dem Schreiben nie ein Konzept, was dazu führt, dass mein zweites Buch nun sogar eine Fortsetzung braucht,“ sagt die Berlinerin lachend.
Obwohl die Premiere von „Tief durchatmen, die Familie kommt“, erst am heutigen Montag in Berlin stattfinden wird, gibt Sawatzki zur Freude des Publikums bereits am Freitagabend in Lauf eine kleine Kostprobe aus dem Roman. Die Familienkomödie ist gespickt mit Selbstironie und Sarkasmus und entlockt den Zuhörern am Ende des bisher sehr spannenden Abends noch einige herzhafte Lacher. Dennoch zieht sich die Alzheimer-Thematik auch durch dieses Werk, wenn auch hier auf eine vielmehr lockere und humorvolle, statt tragische Weise.
Die Filmrechte für beide Bücher hat Sawatzki bereits verkauft. Klar sei aber noch nicht, ob „Ein allzu braves Mädchen“ als Thriller erscheine, oder eher als ein Roman, bei dem es vor allem um die Klärung der Schuldfrage gehe. Vorstellbar sei für Sawatzki auch, dass Scriba im Film nicht mehr 23 Jahre ist, sondern älter. „Ich habe beim Schreiben des ersten Buchs nicht bedacht, dass ich Scriba so nicht selber spielen kann. Vielleicht kann man den Film aber rückblickend erzählen“, sagt Sawatzki, die die Hauptrollen in beiden Büchern gerne selber verkörpern möchte. „Im zweiten Buch habe ich aufgepasst, Gundula Bundschuh ist wesentlich älter als Manuela Scriba.“