Lesung

Hersbruckerin mit viel „Chuzpe“ in einer fremden Welt

Eleonore Blaurock-Busch erzählte anschaulich aus ihrem Leben.
Eleonore Blaurock-Busch erzählte anschaulich aus ihrem Leben. | Foto: Barbara Henning2024/11/Kuba_Blaurock_Busch_Druck-scaled.jpg

HERSBRUCK – Im Rahmen des Jahresthemas 2024 „Demokratie – wozu?“ gestaltete der Kulturbahnhof Hersbruck einen Abend, der das Thema des Fremd-Seins und Konfrontiert-Werdens mit anderen Kulturen in den Mittelpunkt stellte.

Ausführlich berichtete Eleonore Blaurock-Busch, wie sie sich als junge Wissenschaftlerin in den USA mit völlig neuen Lebensgewohnheiten auseinandersetzen musste, was sie mit viel „Chuzpe“ (Unverfrorenheit, Dreistigkeit, Unverschämtheit – Anm. d. Red.) geschafft hat. Dieser Aufenthalt war der Hintergrund ihres Buches „Chuzpe – gegen das Vergessen und für die Zukunft“, das sie 2022 zusammen mit Hans Jürgen Schulz und in Kooperation mit der Schreibwerkstatt Hersbruck herausgegeben hat.

1941 geboren, verbrachte Blaurock-Busch ihre Kindheit in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Hersbruck, woran sie aber keine eigenen Erinnerungen habe. Nach ihrem Studium der Ernährungswissenschaften siedelte sie in die USA über und sah sich plötzlich mit einer völlig neuen Welt konfrontiert. Dabei machte sie die Erfahrung, dass Unvoreingenommenheit und eine gewisse Portion an Chuzpe nötig sind, sich in einer anderen Kultur zurechtzufinden.

Der Großvater war SS-Wachtmeister

Erst dort erfuhr sie durch Gespräche mit jüdischen Zeitzeugen und durch Dokumentationen, was zur Zeit ihrer frühen Kindheit in Hersbruck geschehen war. Als sie Jahre später zurückkehrte, ging sie den Einzelheiten über die Verbrechen im Hersbrucker KZ auf den Grund. Sie sammelte authentische Erinnerungen der Bevölkerung und dokumentierte sie in ihrem Buch. In diesem Rahmen erfuhr sie auch, dass ihr geliebter und gutmütiger Großvater SS-Wachtmeister im Hersbrucker Arbeitslager gewesen war. Das musste sie erst mal verarbeiten. Es hat ihrem späteren Leben eine ganz bestimmte Richtung gegeben.

In einem musikalischen Intermezzo spielten und sangen Ullrich Reuter und Wim Scheuerlein das anrührende Lied „Und der Regen rinnt…“ von der tschechischen Schriftstellerin Ilse Weber, die in Theresienstadt inhaftiert und in Auschwitz-Birkenau zusammen mit ihrem Sohn ermordet wurde.

Auch im weiteren Fortgang des Abends stand ein Buch im Mittelpunkt: „Olenas Geschichte der Integration“ von Eugenia Didenko, in ukrainischer und deutscher Sprache verfasst. Es ist die Erzählung vom Neuanfang einer jungen Frau nach der Flucht aus der Ukraine. Darin wird über die Schwierigkeiten beim Erlernen einer fremden Sprache berichtet, über Einblicke in eine andere Geschichte, über neue Freunde, über das Sich-Orientieren in einem ganz anders strukturierten Alltag.

Anschließend erzählte eine Gruppe von Ukrainerinnen von den vielfältigen Problemen im Umgang mit Ämtern und Schwierigkeiten, denen die Kinder in der Schule ausgesetzt sind. Dem auf Augenhöhe zu begegnen, bedarf es ebenfalls einiges an Chuzpe, Offenheit, Verständnis und Entgegenkommen von beiden Seiten.

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