RÖTHENBACH — Wer am Sonntagnachmittag am Forstersberg in Röthenbach Schwerter klirren hört, erliegt keiner Sinnestäuschung. Seit gut einem Jahr trainiert dort die „Abteilung für historische europäische Kampfkunst der Wilden Quastler e.V.“ einmal wöchentlich den Kampf mit blanker Waffe. Dabei geht es den Mitgliedern des Vereins aber keineswegs um die bloße Show, sondern um den Erhalt einer fast vergessenen Kampfkunst.
„Kendo“ und „Karate“ kennt heutzutage jeder. Überhaupt liegen japanische Kampfsportarten schon seit Jahren im Trend. Dass es aber auch in unseren Breitengraden eine hochentwickelte Kampfkunst gab, wissen die wenigsten. Die zwei Röthenbacher Jan Dovica und Max Quast beschäftigen sich schon seit einigen Jahren mit der Fechtkunst des 14. bis 16. Jahrhunderts und haben im Frühjahr 2010 die „Abteilung für historische europäische Kampfkunst“ ins Leben gerufen. „Hauptsächlich, um ein Dach über dem Kopf zu haben“, erzählt Jan Dovica lachend, denn seitdem dürfen sie jeden Sonntag drei Stunden in der alten Turnhalle der Forstersbergschule oder auf dem Schulhof trainieren.
Zwölf Mitglieder zählt der Verein mittlerweile, und unter Anleitung der beiden Trainer werden Langschwert-Hiebe, wie zum Beispiel der „Krumphau“, die präzise Beinarbeit und auch der Kampf ohne Waffen geübt.
Ihr Wissen um die europäische Kampfkunst haben Jan und Max aus dem Studium spätmittelalterlicher Fechtbücher gewonnen, die zum Großteil erst in den neunziger Jahren wieder ausgegraben und von dem Slowaken Peter Koza entschlüsselt wurden. Seitdem wurden in der Slowakei, in Tschechien und in Deutschland Schulen gegründet, die versuchen, anhand der schriftlichen Anleitungen einzelne Techniken, Abläufe und schließlich ein möglichst ganzheitliches Kampfsystem zu rekonstruieren.
Jan und Max, von klein auf an Kampfsportarten interessiert und jahrelange Judo-Trainingspartner, stehen zwar in regem Austausch mit diesen Gruppen, möchten aber keinesfalls nur nachahmen. „Siebzig Prozent von dem, was wir machen, ist unsere eigene Interpretation und auch das Training lebt vom kritischen Diskurs der Teilnehmer“, erklärt Jan.
Die Hauptwaffe der historischen Kampfkünstler ist das Langschwert (etwa 250 bis 500 Euro), doch das sieht auf den ersten Blick gefährlicher aus, als es ist. Die Klinge ist natürlich stumpf und die für den freien Kampf verwendete Fechtfeder sogar enorm biegbar, sodass bei einem verantwortungsvollem Umgang mit den Geräten kaum Verletzungsgefahr besteht.
„Am Anfang ist es eigentlich auch eher wie Ballett“, scherzt Jan. „Man lernt bestimmte Techniken und Schrittfolgen und erst langsam entwickeln sich daraus flüssige Bewegungsabläufe und echte Kampfsituationen.“ Gibt es denn spezielle Voraussetzungen, die man für den Kampf mit den historischen Waffen mitbringen muss? „Jemand mit Kampfsporterfahrung würde unser Training natürlich bereichern, aber das ist kein Muss“, meint Jan. „Eine gewisse Begeisterung für das Mittelalter sollte dagegen schon vorhanden sein, denn in dieser Disziplin gibt es derzeit noch keine echten sportlichen Wettkämpfe, sodass die Motivation von anderswoher kommen muss.“
Für Bettina Huber, eine von zwei Frauen im Verein, steht dagegen der sportliche Aspekt stark im Vordergrund. „Ich habe zwar fast nach jedem Training einen Muskelkater, aber es macht viel Spaß und ist zudem das perfekte Muskeltraining!“, meint die 19-Jährige.
Auch wenn die Vereinsmitglieder nicht als Schaukampfgruppe betrachtet werden wollen: Eine solch spektakuläre Sportart schreit natürlich nach Zuschauern. So tritt die Truppe schließlich auch beim Röthenbacher Mittelalterfest im September auf und übernimmt einen kleinen Show-Act im geplanten Historienspiel „Picknick an der Pegnitz“.
Unter www.historischekampfkunst.roethenbach.de gibt es weitere Informationen.