REICHENSCHWAND – In Reichenschwand hat der 10. Sonntag nach Trinitatis – der Israelsonntag – eine besondere Bedeutung. Seit mehr als 200 Jahren wird der Gedenktag an die „Zerstörung des Tempels in Jerusalem“ mit einem Gottesdienst in der Friedhofskapelle begangen. Im Anschluss spielt der Posaunenchor auf den beiden Friedhöfen, während die Gottesdienstbesucher an den schön geschmückten Gräbern ihrer Verstorbenen gedenken.
Pfarrerin Lisa Weniger erinnerte an den Ursprung der im ganzen Umkreis einmaligen Tradition. Im Jahr 1816 hatte Pfarrer Leonhard Hering in einer Zeit von Hunger und Tod die Gemeinde zum ersten Mal an „Zerstörung“ auf dem Friedhof versammelt – dort, wo sie in den vergangenen Wochen so oft schon zusammen gekommen waren und so viele aus ihrer Mitte hatten verabschieden müssen, auch viele Kinder und Jugendliche.
Er hatte ihnen Hoffnung gegeben inmitten von Not und Tod und an die Treue Gottes erinnert, der immer wieder einen Neuanfang schenke. So wurde die Tradition fortgeführt, als im Jahr darauf eine reiche Ernte das Elend zwar nicht vergessen machte, aber doch linderte. Und so besteht sie bis heute.
Damals wie heute aktuell
In ihrer Predigt schlug Pfarrerin Lisa Weniger den Bogen zu Israel und dem Gedenktag an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Im Predigttext aus dem Lukas-Evangelium wird deutlich, dass Jesus weint inmitten des Glanzes und aller Pracht in Jerusalem, denn er sieht bereits, was bevorsteht und unabwendbar scheint. Jesus weint, weil die Menschen die Zeichen der Zeit nicht erkennen und nur nach ihrem eigenen Vorteil handeln, statt „zu suchen, was Frieden schafft“.
Und das sei heute noch genauso wichtig und aktuell wie vor 200 oder vor 2000 Jahren angesichts von Elend und Zerstörung in der Welt. Auch heute gelte es, „die Zeichen der Zeit zu erkennen“ und zu handeln im Vertrauen auf Gott.