Pfarrer Jan Peter Hanstein und Dekan Stefan Alexander zum Reformationsjubiläum

Wenn Luther heute leben würde

Dieses Bild des Reformators Martin Luther findet sich in der Schönberger Jakobuskirche. Seit über 1000 Jahren schon gibt es in dem Ort eine Kirche. Bischof Gundekar II. von Eichstätt nahm um 1062 eine Kirchenweihe vor. Mit der Einführung der Reformation in der Markgrafschaft wurde Schönberg 1528 evangelisch. Die heutige Schönberger Kirche ist allerdings viel jünger. Auf der Fläche der abgerissenen Burg entstand 1901 die heimatlich-neugotische Jakobus-Kirche, entworfen von German Johann Bestelmeyer. | Foto: Privat2017/10/bdt-martin-luther-jakobuskirche-schonberg.jpg

LAUF — Heute vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür von Wittenberg genagelt und damit die evangelische Kirche begründet. Zum großen Reformationsjubiläum betrachtet der Laufer Stadtpfarrer Jan-Peter Hanstein für die Pegnitz-Zeitung den Reforma­tor unter zwei Aspekten: 1. Was würde Luther heute tun“ und 2. „Würde Luther etwas anders machen? Aus der Sicht eines katholischen Pfarrers betrachtet Dekan Stefan Alexander von St. Otto in Lauf den Reformator Martin Luther für die Pegnitz-Zeitung.

1. Wenn Luther heute leben würde, was würde er tun?
„Am meisten staunen würde Luther über unsere Demokratie und die Jahrzehnte des Friedens und Wohlstands eines geeinten Deutschlands mitten in Europa. Davon konnte er in seiner Zeit der Fehden und Warlords von Kleinststaaten nicht einmal träumen.

Jan Peter Hanstein. | Foto: PZ-Archiv2017/10/Jan-Peter-Hanstein-Pfr-Lauf.jpg

Als erstes würde er sich mit Paulus (1. Kor 3,4-5) gegen die Bezeichnung unserer Kirche als „lutherisch“ wenden. Er wollte nur das Evangelium verkünden, nicht sich selbst. Viele Kirchen im Ausland nennen sich deshalb „Evangelische Kirche CA“, das ist die Kirche augsburgischen Bekenntnisses von 1530. Deshalb feiern wir auch kein Lutherjahr, sondern das „Reformationsjubiläum“.

Aber wir brauchen anscheinend Identitätsfiguren. An dem Menschen Luther sich zu orientieren ist aber auch eine große Schwäche und Begrenzung im Vergleich zu seiner Botschaft.

Wenn Luther heute leben würde, würde er sich über die unglaubliche Vielfalt der Konfessionen und Religionen freuen. Ich glaube, er sähe keinen theologischen Grund mehr, die eine Kirchentrennung rechtfertigt und wäre ein universal denkender, ökumenischer Theologe.

Luther würde bloggen

Luther würde die neuen Medien gekonnt und umfassend nutzen. Die Gesamtausgabe seiner Werke, die sog. „Weimarana“ umfasst 120 Druckseiten pro Tag seines Lebens von 1517 bis 1546! Er war ein unvergleichbarer kreativer multimedialer Vulkan. Er schrieb Briefe, Reden, Predigten, Broschüren, übersetzte die Bibel, verfasste Lehrpläne und Katechismen, dichtete Lieder und komponierte zu seinem Lautenspiel, entwarf Kirchenordnungen und schätzte die Malerei und Druckkunst.

Heute wäre er ein millionenfach erfolgreicher Superstar des Internets auf der Höhe der Zeit, ein Meister des Verständlichen und der Provokation, ein Youtuber und Blogger, erreichbar über alle Kanälen des Internets und bliebe dabei so geachtet als Intellektueller wie umstritten als Kirchenleitender.“

2. Was würde Luther im Rückblick anders machen?
„Die prophetische Gabe der Vorhersage ist eine Strafe Gottes, die Luther glücklicherweise nicht gegeben wurde. Aber er meinte wie viele andere, dass die meisten Endzeit-Prophezeiungen, die Jesus Christus und die Apostel gegeben hatten, in seinen Tagen erfüllt wurden und dass deshalb das Ende nahe war.

Luther in seiner Zeit

Die Welt war zu seiner Zeit nur 5500 Jahre alt und würde vielleicht noch 100 Jahre existieren. Es gab einfach keinen Zeithorizont einer Vergangenheit und Zukunft von Millionen und Milliarden von Jahren, wie wir uns heute das vorstellen. Luther reagierte und handelte ganz in seiner Gegenwart mit einem historisch unverstellten Zugang zur Zeit Jesu durch seine Deutung der Heiligen Schriften.

Er war angetrieben von seinen Erkenntnissen und seinem Glauben an den barmherzigen Gott und ist auf diese Weise, ohne es zu wollen und zu ahnen, 500 Jahre später zu einem Popstar der Weltgeschichte geworden, dessen Stärken und Schwächen in einer riesigen Vergrößerung sichtbar gemacht werden.

In Luthers Zeit konnte ein Maler wie Altdorfer in seinem berühmten Bild der „Alexanderschlacht“ 1526 noch malen, als könnte Alexander zu seiner Zeit ein Heer anführen, obwohl das schon fast 2000 Jahre her war.

Seit der Reformation hat eine seltsame Beschleunigung der Geschichte stattgefunden. Obwohl seitdem nur 500 Jahre vergangen sind, trennt uns qualitativ gesehen ein viel größerer Abstand. Auch der Begriff der „Reformatio“ wurde 1617, 1817 und 1917 immer anders gedeutet, er ist nach Reinhart Koselleck ein sogenannter „Bewegungsbegriff“- daher würde ein einfacher Zugang zu der Zeit von 1517 einen Kurzschluss verursachen.

Schmerzhafte Spaltung

Aus der Sicht eines katholischen Pfarrers betrachtet Dekan Stefan Alexander von St. Otto in Lauf den Reformator Martin Luther. Alexander nimmt auch am Jubiläumsgottesdienst in St. Johannis teil.

Dekan Stefan Alexander. | Foto: PZ-Archiv2017/10/stefan-alexander-pfarrer-la.jpg

Martin Luther habe zweifelsfrei seine Finger in die Wunden seiner Kirche damals gelegt, sagt Pfarrer Alexander. „Er hat gegen Missstände angekämpft und wollte diese beseitigen. Eine Spaltung war von dem Augustinermönch Luther dabei sicher nicht angedacht. Die ganze Epoche roch nach Veränderung – in vielerlei Hinsicht“. Es habe sich eine Eigendynamik entwickelt, die er nicht mehr stoppen konnte. „Hätte Luther die katholische Kirche in ihrem heutigen Zustand gekannt, ich bin mir sicher, es hätte keine Spaltung gegeben.“

Auch die Kirche wandele sich in den Bedürfnissen ihrer Zeit und so hätten sich in der katholischen Kirche viele Dinge verändert, die Luther kritisiert habe: die ­herausragende Bedeutung der Schrift, die Verkündigung in Deutsch, die Frage der Rechtfertigungslehre. „Die Impulse, die Luther und später auch andere gegeben haben, waren auch für die Entwicklung der katholischen Kirche wichtig.

Dennoch darf man nicht die dunklen Seiten übersehen. Die Reformation und die Gegenreaktion haben viel Leid gebracht. Wie immer spielten auch politische Interessen eine Rolle. Die Landesfürsten, die der Reformation folgten, konnten sich vom Kaiser lossagen, wurden Herren über ihre Kirchen. Die Folgen waren Aufstände und Kriege.“ „Diese Zeiten sind, Gott sei Dank, aber längst vorbei. Heute sprechen wir im Verhältnis der beiden Konfessionen zueinander von einer „versöhnten Verschiedenheit“. Das heißt man achtet und wertschätzt die Traditionen der anderen Seite. Gegenseitige Provokationen und Gräben, wie sie durch Familien gingen, gehören heute meist der Vergangenheit an.“

Und dennoch bleibe die Spaltung der christlichen Kirchen ein schmerzhafter Stachel, sagt Alexander. Vor einer Wiedervereinigung gibt es aber noch theologische Fragen zu klären. „Alles andere wäre eine faule Lösung.“ Im Leben der Gemeinden und Menschen spiele dies aber meist keine große Rolle mehr, und „das ist gut so. In einer Zeit, in der den Kirchen gesellschaftlich der Wind entgegen bläst, ist es umso wichtiger geschlossen aufzutreten.“

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