Vielfalt zu vielfältigem Nutzen

Naturnah und nachhaltig: der Stromer‘sche Wald. Freifrau Stromer von Reichenbach-Baumbaur beim Rundgang mit Harald Gebhardt, Forstbereichsleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Roth. Foto: Hatzelmann2011/08/gruensbergwald_New_1312294322.jpg

NÜRNBERGER LAND – Heute ist er in aller Munde, der fast 500 Jahre alte Begriff "Nachhaltigkeit", der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt. Meinte er zunächst nur die geordnete nachhaltige Bereitstellung von Holz in einer Zeit allgemeiner Ausplünderung der Wälder, so ist es heute die Vielfalt der Wälder und in den Wäldern, deren Erhalt und sorgsame Nutzung die UN-Generalversammlung bewogen hat, mit der Erklärung des „Internationalen Jahres der Wälder“ auf die umfassende Wald-Nachhaltigkeit gebührend hinzuweisen. Auch im heimischen Bereich, innerhalb des weitläufigen Bezirkes des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Roth/Hersbruck stellen sich die Waldbesitzer diesem hohen Anforderungsprofil an Forstwirtschaft. Beispielhaft die „Stromer`sche Kulturgut-, Denkmal- und Natur-Stiftung“ Burg Grünsberg im Nürnberger Land.

Der Schatten der hohen Bäume, die über die dicken alten Gemäuer herüberragen, mildert etwas die hochsommerliche Schwüle. Bis uns die Burgherrin Rotraut Freifrau Stromer von Reichenbach-Baumbauer gleich „empfängt“, lassen wir uns beeindrucken von der trutzigen Burganlage auf dem kleinen Felsriegel in dem von dicht bewaldeten Felsenschluchten gebildeten steilwandigen Talkessel. Unglücklicherweise verursacht der marode Zustand dieses Felsriegels hohen Erhaltungsaufwand für die Burg aus bereits vorstaufischer Zeit, einer „Versteckburg“ (Wahrburg) in unsicheren Zeiten des Hochmittelalters, eines herausragenden Bau- und Geschichtsdenkmals der Kulturgeschichte.

Zur Burg gehören 52 Hektar Wald, auch der ist Gegenstand der 1999 eingerichteten Stiftung. Zweck: Die „Förderung von Ökologie und Umweltschutz“. Nicht erwähnt ist „Nachhaltigkeit“. Doch dies erübrigt sich, zieht diese sich doch wie ein Roter Faden in der Familie Stromer bis zu jenem Peter Stromer (auch: Stromeir) im 14. Jahrhundert zurück, der als „Tannen-Säer von Nürnberg“ bis heute weltweit Anerkennung genießt. Als Kaufmann erkannte er in einer Zeit bedrohlicher Verknappung des damals wichtigsten Rohstoffes Holz für „seine“ aufstrebende Heimatstadt Nürnberg die Notwendigkeit, langfristig für eine gesicherte Holzbereitstellung zu sorgen und versuchte ein „ökonomisches“, revolutionär neues Verfahren, die Saat von Nadelholz („Tannen“), schneller wachsend als das natürliche Laubholz. Hängt das Bildnis dieses weitsichtigen Mannes auch an bescheiden unauffälliger Stelle in der Burg, so ist er, der Vorläufer der Nachhaltigkeitstheorie, doch geistige Mitte und Vermächtnis für seine Nachfahrin. Man spürt es, wenn diese zu uns von den Grundsätzen und Zielen für die Bewirtschaftung des Familien-, jetzt Stiftungswaldes spricht: Wahrung einer Nachhaltigkeit, die allerdings über diejenige ihres berühmten Urahns Peter S. hinausgeht, sowie einer Vielfalt im Wald, die für die gelernte Biologin schlicht selbstverständlich ist.

Vielfalt zu vielfältigem Nutzen: Ein Ideal des Naturschutzes. So verstanden meint er nicht nur Arten- und Biotopschutz, sondern schließt auch ein den Nutzen für die verschiedensten gemeingesellschaftlichen und eigenwirtschaftlichen Bedürfnisse. Diese Zielrichtung wird auch von naturschutzrechtlichen Schutzeinstufungen unterstrichen. So gilt es im Landschaftsschutzgebiet „Schwarzachtal mit Nebentälern“ besonders, Belange der Natur mit denen der – Erholung suchenden – Bevölkerung zu verbinden.

Konkret der Erhalt, keinesfalls eine wesentliche Verschlechterung von – bestimmten – Naturlebensräumen, ist Ziel der Schutzgebietsausweisung „natura2000“, eines europaweiten Schutzgebietssystems für landes- oder regionaltypische oder / und selten gewordene Lebensräume sowie für gefährdete Pflanzen- und Tierarten, für die Wald letzter Rückzugsraum ist. Es geht bei diesen natura2000-Gebieten (gut 11 Prozent der Landesfläche in Bayern/ 15 Prozent in EU) darum, Gebiete mit besonders reichhaltiger Natur, wie sie als Ergebnis langjähriger schonender Bewirtschaftung überkommen ist, an die Nachkommen weiter zu geben.

Ausgewiesene Flächen (incl. Offenland) für dieses wahrhafte Millenniumprojekt sind im Landkreis Nürnberger Land 5344 Hektar als „FFH-Gebiete“ (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete) und 14600 ha als „SPA-Gebiete“ (Spezial-Protected-Area=Vogelschutzgebiete). Die „Philosophie von natura2000“: Schutz der überkommenen Vielfalt bei weiterhin sorgsamer nachhaltiger Nutzung und Zulassung natürlicher Veränderungen (Sukzession). Erwähnenswert, weil gleichermaßen vorbildlich wie ungewöhnlich, dass die Stiftung ihren Wald selbst für „natura2000“ vorgeschlagen hat (FFH-Gebiet „Schwarzach-Durchbruch und Rhätschluchten bei Burgthann“).

„Ökologisch ist immer auch ökonomisch“, meint unsere Führerin beim anschließenden Gang durch ihren Wald. So einfach bringt die Biologin mit beachtlichem Erfahrungsschatz die beiden Begriffe zusammen, die landläufig – bisher – eher konkurrierend, oft aber unversöhnlich nebeneinander stehen. Viele beeindruckende Altbäume hat sie erhalten in ihrem Wald, vor einem dieser, einer „überdimensionalen“ Fichte halten wir inne. Und als wolle sie ihre ungewohnte These belegen, zeigt sie auf abgestorbene Bäume, eine davon direkt neben der Fichte, betont die erstaunliche Lebensvielfalt in Totholz, weist auf die Bedeutung der Vogelwelt am und im Baum als Nutznießer von Spechthöhlen hin, auf ihren Beitrag zur „Waldhygiene“. An einer hellen Stelle im sonst eher dunklen, reich gemischten und gestuften Wald wird sie ernst: „Eine schlimme Geschichte“, sagt sie, „eine Katastrophe nach der anderen in dem damaligen Fichtenbestand, Schneebruch, Sturmwurf, dann Borkenkäfer.“

Mit dem Umbau solcher wenig stabilen Waldbestände in Mischwald mit einer Vielfalt an Bäumen, die auch einen schwierigen Standort besser vertragen, verspricht sich die Waldbesitzerin zu einem stabilen, ökologisch und ökonomisch gleichermaßen befriedigenden Wald zu gelangen. Zu einem Wald, der sich, wenn es – wie hier – der Wildstand zulässt, in aller Vielfalt selbst verjüngt, der den nachwachsenden Rohstoff und Brennstoff Holz reichlich erzeugt.

Vielfalt nicht nur als Selbstzweck, Vielfalt als Quelle vielfältigen „Nutzens“. Auch der Waldbesucher freut sich über gute Wege, die ihm den Erholungsraum Wald erschließen, über Vogelgezwitscher, über das angenehme ausgleichende Waldklima, über Abwechslung und Vielfalt im Wald. Was er mag, ist eine „gepflegte Wildnis“, so die wissenschaftliche Erkenntnis.

Wie ein Märchenwald fast mutet uns der Wald an, durch den uns Rotraut Freifrau Stromer von Reichenbach-Baumbauer führte und an dem spürbar ihr Herzblut hängt: Kein Urwald, sondern ein Wald, der bewirtschaftet wird – fast unmerklich, naturnah, wie die Stiftungssatzung vorschreibt, und nachhaltig, mehr als im Sinne ihres berühmten Vorfahren. Und an der Schönheit ihres Waldes erfreuen sich viele Waldbesucher, so wie die zwei Jogger, die uns bei der ebenso liebevoll wie aufwändig hergerichteten Sophienquelle begegnen.

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