Brisantes Gutachten

Verschläft der Kreis die Gesundheitsversorgung?

Im Mai 2019 musste das Hersbrucker Krankenhaus dichtmachen (rechtes Bild) – trotz aller Versuche der Lokalpolitik, das zu verhindern. Die Einrichtungen in Altdorf (linkes Bild) und Lauf (Mitte) sollen erhalten bleiben. Das hat der Landkreis allerdings nicht in der eigenen Hand. Die Krankenhäuser Nürnberger Land GmbH gehört seit 2006 zum Klinikum Nürnberg. | Foto: PZ-Archiv2019/12/Bildschirmfoto-2019-12-11-um-10.45.44.png

NÜRNBERGER LAND — Ein vom Landkreis Nürnberger Land in Auftrag gegebenes Gutachten sieht die Kommunalpolitik beim Thema Gesundheitsversorgung in der Verantwortung – sie muss jetzt handeln, um einem Ärztemangel vorzubeugen, so die Forderung. Auch die stationäre Versorgung ist den Fachleuten zufolge bedroht. Die Kreisräte wollen auf jeden Fall das Krankenhaus in Altdorf erhalten.

Die Jahresabschlusssitzung des Kreistages findet in lockerer Atmosphäre statt. Man trifft sich in einem Gasthaus statt in einem Sitzungssaal im Landratsamt, es gibt Plätzchen, Spekulatius und Weihnachtsgans. Die Fraktionssprecher bedanken sich bei der Verwaltung für die gute Arbeit und bei den Räten für die Harmonie in den Sitzungen, trotz der unterschiedlichen politischen Ansichten. Am Montagnachmittag aber störte ein vom Landkreis selbst in Auftrag gegebenes Strukturgutachten zur Gesundheit im Nürnberger Land die sonst so besinnliche Veranstaltung beim „Löhner“ in Diepersdorf. Dr. Petra Schulte und Dr. Martin Köbler von der Berliner Firma Peritinos präsentierten eine Zusammenfassung. Der Inhalt hat es in sich: Peritinos bescheinigt dem Landkreis darin nämlich, seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. In vier Thesen wird das Gutachten zusammengefasst:

  • „Das stationäre Versorgungsangebot ist rückläufig. Diese Entwicklung wird weitergehen. Das Sicherstellungsgebot verbleibt beim Landkreis.“
  • „Das ambulante Angebot ist noch gut, wird in den kommenden Jahren allerdings nur schwer und nur mit Einflussnahme aufrechtzuerhalten sein.“
  • „Der Bedarf an Gesundheitsleistungen und damit die Anspruchshaltung der Bevölkerung wird weiter steigen und der Handlungsdruck auf die Politik zunehmen.“
  • „In den vergangenen Jahren wurde das Thema Gesundheitsversorgung als nicht prioritär angesehen.“

Noch gebe es genug Haus- und Fachärzte. Doch in den kommenden Jahren werde rund ein Drittel der Mediziner im Landkreis in den Ruhestand gehen, während die Bevölkerung wachse – vor allem der Anteil der Senioren. So sei es womöglich in Zukunft nötig, Kommunen ohne Hausarzt vor allem im östlichen Landkreis per „Medibus“, also einer mobilen Arztpraxis, zu versorgen.

Das Gutachten schlägt zudem vor, ein Förderprogramm zur Ansiedlung von Ärzten zu entwickeln und auf Gemeinschaftspraxen zu setzen. Es empfiehlt den Räten „Ehrlichkeit gegenüber dem Bürger über das, was machbar ist“, und „Bürgerworkshops“, um Konzepte zu erarbeiten.

Altdorfer Krankenhaus in Gefahr

Seit 2006 gehören die Krankenhäuser im Nürnberger Land zum Klinikum Nürnberg. „Der Landkreis hat den Betrieb der Krankenhäuser outgesourced (…). Die Konsequenz daraus war unter anderem die Schließung von Hersbruck ohne Möglichkeit der Einflussnahme“, heißt es in der Zusammenfassung. Dadurch sei eine Lücke im Landkreisosten entstanden. Welche Auswirkungen diese hat, dafür gibt es noch keine Daten. Es brauche ein Konzept, um den Standort Altdorf „krisenfest zu machen“.

Norbert Dünkel (CSU) übte Kritik an der beauftragten Firma. „Uns geht es brennend um das Thema Krankenhaus-Versorgung.“ Nachdem das Gutachten den Zeitraum seit der Schließung des Hersbrucker Krankenhauses im Mai dieses Jahres nicht abdecke, könne der Landtagsabgeordnete damit keinen Druck auf die Landesregierung ausüben: „Das bringt mir nichts“, so Dünkel merklich verärgert.

Köbler und Schulte von Peritinos wiesen die Kritik zurück. Die entsprechenden Zahlen lägen erst Ende 2020 vor. Der Kreistag hätte sich vorher überlegen müssen, was er von dem Gutachten erwarte.

Robert Ilg bezeichnete es als „unglücklich“, dass die ersten Erkenntnisse des Gutachtens in einer öffentlichen Sitzung, also unter Teilnahme der Presse, präsentiert wurden – ohne ausreichend Zeit, sich damit intensiv zu befassen. „Ich halte es für sehr gefährlich, die Bevölkerung zu verunsichern“, so der FW-Sprecher und Hersbrucker Bürgermeister.


„Unglaublich armselig“

Landrat Armin Kroder verwehrte sich dagegen, dass der Landkreis sich nicht genügend um das Thema gekümmert habe. Man habe mehrfach versucht, in Berlin zu intervenieren, um den Standort Hersbruck zu halten. Die Idee von Medibussen nannte er „etwas unglaublich Armseliges“. In die Busse könne man auch gleich eine Bank und einen Metzger integrieren, ergänzte er voller Sarkasmus.

Margit Kiessling (Grüne) sagte, man müsse „alles dafür tun, dass die Krankenhäuser Lauf und Altdorf erhalten bleiben“.

Am Mittwoch kommender Woche findet ein Gesundheitsforum im Landratsamt statt. Dann wird das gesamte Gutachten veröffentlicht. 

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