LAUF — Nicht Schulz, sondern Scholz macht in dieser Woche Wahlkampf für die SPD in Bayern: Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz ist auf Tour durch den Freistaat. Der SPD-Bundesvize eröffnete gestern am Abend in Passau den Countdown für die Bundestagswahl am 24. September. Zuvor machte der Hanseat Station in Nürnberg, Freising – und in Lauf.
Das Thema Flüchtlinge, das Kanzlerkandidat Martin Schulz vor gut einer Woche nun doch in den Wahlkampf der SPD hineingebracht hat und damit die Aufmerksamkeitsspanne für die Sozialdemokraten wieder nach oben schnellen ließ, taucht in Lauf auf ungleich elegantere Weise auf. Statt Zahlen und Prognosen liefert Olaf Scholz in der vollen Glückserei am Laufer Marktplatz eine kleine Analyse der europäischen Zusammenarbeit in dieser Frage und gibt damit Schulz, der heute in Italien mit Ministerpräsident Paolo Gentiloni über die Lage im Mittelmeer spricht, indirekt Schützenhilfe für seine Aussagen, auch wenn der Name des Kandidaten während der einstündigen Veranstaltung nicht ein einziges Mal fällt.
Die Flüchtlingskrise könne von den europäischen Staaten nur gemeinsam gelöst werden, betont Olaf Scholz, „wir müssen Verantwortung teilen“. Viel früher als 2015, als die Flüchtlingswelle Deutschland erreichte, seien die Zeichen dagewesen. Immer wieder seien Flüchtlinge zu Tausenden durch die Meerenge von Gibraltar gekommen. Deutschland habe damals den anderen EU-Ländern die Verantwortung überlassen. „Jeder Fehler holt einen ein.“ Jetzt müsse man klüger sein, „das müssen wir aus dieser Sache lernen, dass wir Verantwortung teilen müssen“.
Auslöser für sein Buch „Hoffnungsland – eine neue deutsche Wirklichkeit“, das Scholz in Lauf auf Einladung des SPD-Unterbezirks vorstellt, war nach seinen Worten die Flüchtlingskrise. Erschienen ist es im Frühjahr. Scholz, der sich als SPD-Bundesvize aber auch als Arbeitsminister einen Namen als besonnener Pragmatiker gemacht hat, beschäftigt sich darin nicht nur mit Fragen der Migration, sondern formuliert ein deutliches Plädoyer für ein starkes Europa.
Europa und die Europäische Union seien eine der „zentralen Fragen unserer Zeit“, betont der SPD-Politiker auch vor den rund 75 Genossen und Bürgern in Lauf. Es sei falsch, die EU immer nur mit wirtschaftlichen Fragen in Verbindung zu bringen. „Es geht um Politik.“ Sowohl in der Außenpolitik, als auch in der Sicherheitspolitik wie auch in der Verantwortung für die Außengrenzen müsse man zusammenarbeiten. Und eben auch in der Frage von Flucht und Migration. Die Skepsis, die der EU von vielen Seiten entgegenschlage hänge damit zusammen, dass „die Bürger nicht sicher sind, ob die EU da was tut“.
Dass Deutschland 2015 zu einem „Hoffnungsland“ für viele Geflüchtete wurde, findet Scholz, sei erstmal positiv zu sehen. „Es war ein plötzliches Glück“. Dass dabei nicht alles glatt lief, sei verständlich. „Es war ja eine völlig neue Erfahrung.“ Die, davon ist er überzeugt, für beide Seiten Chancen mit sich bringt, wenn man sie richtig gestalte. Deshalb hat er in seinem Buch auch überlegt, wie das gehen kann, dass Deutschland zum Hoffnungsland für Migranten wird.
„Fördern und Fordern“
In Hamburg zumindest wurden bereits 6000 Flüchtlinge in Beschäftigung gebracht. Nicht nur Fördern, sondern auch Fordern sei das Thema. Vor allem in Sachen Werte. „Jeder der hierher kommt, schätzt uns für unsere Offenheit und unser Rechtssystem.“ Deshalb könne man auch verlangen, dass sich die Migranten auf dieses System einließen, sich anpassten, etwa in der Berufswelt. Oder im gesellschaftlichen Umgang. Deutliche Töne, die die SPD in der Vergangenheit oft scheute.
Doch der Wahlkampf kann nicht nur mit einer klareren Haltung in Sachen Flüchtlinge gewonnen werden. Deshalb weitet Scholz den Bogen in der Glückserei am Ende noch aus: Nicht nur Migranten bräuchten eine Perspektive für die Zukunft, sondern viele andere Menschen. Ziel sozialdemokratischer Politik müsse es sein, Fragen zu beantworten und Lösungen zu geben.
Beispiel Volkswirtschaft: Klar seien die Wirtschaftsdaten aktuell gut, „aber niemand wird von einer wirtschaftlichen Statistik satt“. Vielmehr sei es so, dass viele Löhne stagnierten und eher nach unten gingen. Während Mieten und Wohnungspreise stiegen. Scholz: „Das Leben muss bezahlbar bleiben.“ Dabei, davon ist der Sozialdemokrat überzeugt, funktioniert die Volkswirtschaft nur deshalb so erfolgreich, „weil wir den Sozialstaat hinter uns haben“. Der rasante Wechsel der Arbeitswelt dürfe Menschen nicht an den Rand drängen, „sie müssen wissen, dass sie aufgefangen werden“.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es eine Zuhörerin anspricht, hält der SPD-Vize aber für „unmoralisch“: Dieses bedeute, „man findet sich damit ab, dass ein Teil der Bürger draußen ist“.
Seine Form der sozialen Unterstützung für die Bürger seiner Hansestadt, neben anderem: Kostenlose Kitas, flächendeckende Ganztagsangebote, keine Studiengebühren. Vielleicht deshalb haben ihm die Ausschreitungen in Sachen G20-Gipfel, auch wenn heftig von Bürgern und Politik kritisiert und in der Glückserei kein Thema, am Ende in seinem Amt doch nicht geschadet.
Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Lauf
Der Geruch von harter Arbeit, im ehemaligen Pausenraum im ersten Obergeschoss des Laufer Industriemuseums hängt er noch zwischen kargen Spinden und alten Waschbecken. Ein guter Platz für einen SPD-Politiker, um sich schriftlich zu verewigen. Nach dem Rundgang mit Museumsleiterin Christiane Müller durch die frühere Schmiede der Firma Dietz & Pfriem und Probesitzen am hölzernen Esstisch der Ausstellung macht Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz vor den Augen von Bürgermeister Benedikt Bisping und SPD-Bundestagskandidat Alexander Horlamus davon gerne Gebrauch: Deutschland sei ein Industrieland und die Stadt Lauf zu Recht stolz auf ihr schönes Museum, schreibt der SPD-Bundesvize der Stadt in die Annalen. Für Bisping und Scholz ist es nicht die erste Begegnung: Sie kennen sich vom Deutschen Städtetag.
