RÜCKERSDORF – Der Gesangverein Rückersdorf 1862 feiert sein 150-jähriges Bestehen. Beim Festabend am Samstag im Bürgersaal erlebten die Jubiläumsgäste einen engagierten, vielseitigen Chor. Es wurde aber auch deutlich, dass den ältesten noch bestehenden Verein in der Gemeinde Zukunftssorgen plagen. Nachwuchs fehlt. Um jüngere Menschen zu begeistern muss der Verein neue Wege gehen.
In der Chronik, die Rita Kierstein und Dieter Dietze auszugsweise vortrugen, heißt es: „Unter dem Motto ‚Singe wem Gesang gegeben‘ von 13 Männern im Januar 1862 im Gasthaus ‚Weißer Schwan‘ als Männergesangverein Rückersdorf gegründet.“ Der Weiße Schwan ist bis heute Anziehungspunkt für Musikinteressierte – hauptsächlich aber für Rockfans. Und hier zeigt sich schon das Problem: Chorgesang in althergebrachter Manier ist bei Jugendlichen ziemlich „out“. Ein Wort, das es vor 150 Jahren noch nicht gab, obwohl das eine stürmische Zeit voller Veränderungen war.
„Damals war der Chor oft die einzige Möglichkeit neben dem Beruf, sich in der Gemeinschaft zu einer geselligen Veranstaltung zu treffen, Musik zu hören und vor allem selbst zu machen“, meint Jan Meier, der Vorsitzende des Sängerkreises Hersbruck, in seinem Grußwort zur Jubiläumsfeier.
Die Grundbedürfnisse sind geblieben, die Möglichkeiten ihrer Erfüllung haben sich aber stark gewandelt. „Die Freizeitangebote haben in allen Bereichen stark zugenommen und zu einer Reizüberflutung geführt. Zugleich nimmt die Bereitschaft immer mehr ab, sich auch noch bei der Freizeitgestaltung Bindungen zu unterwerfen. Der Trend ist eindeutig: weg von der Freizeit mit Pflichtterminen hin zum Ungebundenen und Spontanen“, sagte Bürgermeister Peter Wiesner als Schirmherr bei der Feier.
Er sieht durchaus Chancen für Vereine wie diesen – wenn sie dem Zeitgeist folgen: „In der heutigen technisierten Zeit, in der die wirtschaftlichen Lebensläufe immer mehr automatisiert und vom Computer geprägt sind, wird es immer notwendiger, für einen Ausgleich zu sorgen“, meint Wiesner. „Deshalb, glaube ich, werden die Menschen in Zukunft wieder vermehrt neben den sportlichen Aktivitäten auch die musische Komponente suchen, um für ihr seelisches und geistiges Gleichgewicht etwas zu tun. Das kann auch Gesangvereinen wieder einen positiven Schub geben.“
Landrat Armin Kroder schlug in die gleiche Kerbe: „Die Jugendlichen von heute sind für Projektarbeit begeisterungsfähig, mit definiertem Beginn und Ende.“ Neue Ideen sind gefragt, das ist dem Verein bewusst. Es mag ihm Auftrieb geben, dass sogar Julia Lehner zum Festabend kam. Die Nürnberger Kulturreferentin, die ihre Wurzeln in Rückersdorf hat, machte dem Verein Mut, sich weiterzuentwickeln. Auf ihre sängerischen Fähigkeiten sollte er aber besser verzichten: „Meine Stimme, die sich selbst gern reden hört, ist ungeeignet für Gesang“, sagte die Professorin.
Der Rückersdorfer Gesangverein singt allerdings nicht nur, er sorgt auch für Unterhaltung und Geselligkeit: mit Konzerten, bei weltlichen und kirchlichen Festlichkeiten, Hochzeiten, besonderen Geburtstagen, Beerdigungen, beim alljährlichen Krippenspiel, am Volkstrauertag oder bei Weihnachtsfeiern. Er bietet seinen Mitgliedern eine Gemeinschaft und Erfolgserlebnisse – ein soziales Netzwerk, nicht abstrakt im Internet. Die Festredner – darunter auch Vertreter der Partnervereine Singverein Frohsinn Röthenbach und Männergesangverein Altensittenbach sowie der Rückersdorfer Vereinskartell-Vorsitzende Christian Alt – machten Mut, am Fortbestand zu arbeiten.
Bei der Feier wurden Menschen geehrt, die dem Verein seit vielen Jahren die Treue halten, wobei sich ein Problem zeigte: von den sieben zu Ehrenden ließen sich drei aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen: Günter Hofer, Erika Kellermann und Gisela Spindler. So erhielten nur vier treue Seelen ihre Urkunden und Nadeln: Hans Volkert (zehn Jahre aktives Mitglied und seit sechs Jahren 1. Vorsitzender), Marga Steinkirchner (25 Jahre aktive Sängerin), Heidi Neumaier (zehn Jahre aktiv) und Lotte Bäumler (25 Jahre passives Mitglied). Nur zwei Jubilare waren aus Rückersdorf, die anderen fünf aus Röthenbach. Aber das sieht man nicht so eng.
Jürgen Harries – Motor der populären Konzertreihe „Musik in Scheune und Kapelle“ – hatte zu dem Festabend ein Saxophon-Quartett der Hochschule für Musik Nürnberg in den Rückersdorfer Bürgersaal geholt. Nicole Lukauer (Sopran), Sonja Rabl (Alt), Johannes Raum (Tenor) und Maximilian Wind (Bariton) zauberten frische Klänge aus altem Holz. Ein Sinnbild?
Thomas Kohl
Bravo Ihr Sänger, ich wünsche weiterhin viel Sangeslust
und Gottes reichen Segen…. besonders dem Herrn Dietze…