Naturschützer kritisieren die Staatsforsten

Bäume im Reichswald fallen in der Brutzeit

Nahe der Ludwigshöhe werden bereits die künftigen Rückegassen freigeschnitten.
Nahe der Ludwigshöhe werden bereits die künftigen Rückegassen freigeschnitten. | Foto: Sichelstiel2016/04/ludwigshohe-freischneider-staatsforsten-wald.jpg

RÜCKERSDORF/LAUF — Wer zwischen März und September die Hecke in seinem Garten kräftig stutzt, verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz und riskiert ein Bußgeld. Die Staatsforsten hingegen dürfen im Vogelschutzgebiet und noch dazu während der Brutzeit ein mehrere Fußballfelder großes Waldstück mit schwerem Gerät durchforsten – so wie aktuell auf der Ludwigshöhe im Sebalder Reichswald. Was laut Landratsamt legal ist, sorgt bei Naturschützern trotzdem für Kopfschütteln.

Christa Alt von der Rückersdorfer Ortsgruppe des Bund Naturschutz (BN) steht nicht für Pauschalkritik an den Bayerischen Staatsforsten. Gegen die schweren Erntemaschinen zum Beispiel, die das Unternehmen ab kommender Woche auf einer etwa 24 Fußballfelder großen Fläche nördlich der Ludwigshöhe einsetzen will, hat sie nichts einzuwenden, solange sich die Schäden am Waldboden in Grenzen halten. „Ich kann heute keine Pferde mehr hinstellen“, sagt Alt, „die Zeiten ändern sich eben“. Aber dass der Nürnberger Forstbetrieb die Harvester mitten in der Brutzeit vieler Vögel losschickt, stört die Naturschützerin gewaltig. „Das ist unsensibel“, sagt sie, „normalerweise macht man so etwas nicht“.

Rückersdorfer sind alarmiert

Seit die Pegnitz-Zeitung am Donnerstag über den geplanten Holzeinschlag im Sebalder Reichswald berichtet hat, steht Alts Telefon nicht mehr still. Für viele Rückersdorfer ist die Ludwigshöhe „ihr“ Naherholungsgebiet, ob zum Gassigehen, zum Wandern oder zum Joggen am Feierabend. Dass dort nun Rückegassen für Harvester angelegt und bis zu 1500 Festmeter Holz gefällt werden sollen, passt nicht in deren Bild, auch wenn der Forstbetrieb betont, extra viel Rücksicht auf alle Waldbesucher zu nehmen.

Doch der BN-Vertreterin geht es nicht um die Spaziergänger, sondern in erster Linie um den Tierschutz. In dem betroffenen Gebiet lebten Spechte, Habichte und möglicherweise auch ein streng geschützter Wespenbussard, „ein ganz seltener Vogel“, sagt Alt. All diese Tiere würden durch den Maschineneinsatz massiv gestört.

Schützenhilfe kommt vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) aus Hilpoltstein. „Der Holzeinschlag passiert zur Unzeit“, sagt LBV-Fachmann Bernd Raab, „die ersten Vögel sind jetzt bereits auf ihren Eiern“. Es bestehe die Gefahr, dass sie ihr Gelege fluchtartig verließen. Im schlimmsten Fall bedeute der Holzeinschlag sogar den unmittelbaren Tod: „Da werden durchaus brütende Vögel mitsamt dem Nest entsorgt. So ein Harvester schaut ja nicht erst nach.“

Holzernte rund ums Jahr

Der LBV stört sich daran, dass zwar Hecken von März bis September nicht auf den Stock geschnitten werden dürfen, um Brut- und Niststätten zu schonen, im Wald aber gleichzeitig alles erlaubt ist, was per Definition „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ ist – und dazu gehört eben auch der Maschineneinsatz, selbst im Vogelschutzgebiet. Bei den Tieren sorgt das für Stress. Wegen den zunehmend milden Wintern und den deshalb oft durchgeweichten Böden werden Bäume nämlich nicht mehr nur in der kalten Jahreszeit gefällt, wie das früher üblich war. Die Harvester sind längst das ganze Jahr über im Einsatz. „Als Verband sind wir deshalb ganz klar für eine Bewirtschaftungsruhe“, sagt Raab.

Roland Blank, der Leiter des Forstbetriebs Nürnberg und damit zuständig für rund 24 000 Hektar Wald, hält die Argumente von BN und LBV für „nicht nachvollziehbar“. Gerade die Verwendung der umstrittenen Harvester sei schonender als die Holz­ernte per Motorsäge. „Das ist nur eine sehr kurzfristige Störung, die Maschinen bleiben auf ihren Rückegassen, wir müssen nicht in die Fläche“, sagt Blank im Gespräch mit der Pegnitz-Zeitung. Jetzt im Frühjahr verkrafteten die Tiere den Eingriff zudem viel besser als im Winter, „da werden die Vögel in der Notzeit gestört, wenn es nur wenig Futter gibt“.

„Gschmarri“: Das ist Christa Alts erste Reaktion darauf. „Jetzt erwacht die Natur“, sagt die Rückersdorfer Naturschützerin, „jetzt brüten die Vögel“. Das sei eine kritische Phase, in der die Tiere möglichst wenig gestört werden dürften. Gerade deshalb gebe es ja das Verbot, Hecken zurückzuschneiden.

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„Wir beachten alle Regeln“

Für Blank indes ist der Vergleich nicht zulässig, „eine Hecke ist – anders als der Wald – ein flächenmäßig stark beschränkter Bereich, dort leben viele ausgefallene Arten auf sehr engem Raum“.

Weil es sich bei weiten Teilen des Reichswalds um Vogelschutzgebiet handle, „beachten wir natürlich alle Regeln, zu Habichthorsten etwa halten wir Abstand ein“. Brüteten in einem Waldstück überdurchschnittlich viele Schwarzspechte, „würde ich dort auch nicht reingehen“. Aber das treffe auf die Ludwigshöhe nicht zu. Blank: „Nicht trotz, sondern wegen unserer Waldbewirtschaftung haben wir eine große Artenvielfalt.“

Die Untere Naturschutzbehörde lässt über Rolf List, den Sprecher des zuständigen Landratsamts in Lauf, ausrichten: „Der Holzeinschlag ist legal, das geht nach Waldrecht. Die Staatsforsten haben zugesagt, keine Bäume mit Nestern und Bruthöhlen zu erwischen.“ Mehr gebe es dazu aus Sicht der Behörde nicht zu sagen.

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