RÖTHENBACH — Zum jetzigen Zeitpunkt ist es völlig ungefährlich, das Röthenbacher Trinkwasser zu sich zu nehmen, es erfüllt alle gesetzlichen Vorgaben. Aber die Gefahr, dass der Schadstoff PFOS, der unter anderem im Birkensee gefunden wurde, auch in den Brunnen der Stadtwerke auftaucht, ist real. Dieses Fazit zieht das Gesundheitsamt des Landkreises Nürnberger Land.
Auf Anfrage der Grünen-Kreistagsfraktion nahm Dr. Hans-Peter Kubin, der Leiter des Gesundheitsamts, vor dem Gremium Stellung zu den Nachrichten aus Röthenbach. Der im Tierversuch krebserregende Schadstoff PFOS, der seit 2012 an immer mehr Stellen im Reichswald gefunden wird, ist nun auch in einem Brunnen des Grafitelektrodenherstellers Graphite Cova festgestellt worden (die Pegnitz-Zeitung berichtete).
Kubin bestätigte die Fakten, die das Wasserwirtschaftsamt bei einer Bürgerinformationsveranstaltung im Röthenbacher Rathaus genannt hatte. In einem von drei Betriebsbrunnen wurde ein Wert von 1,3 Mikrogramm pro Liter gemessen. Allerdings sind auch die anderen beiden Brunnen belastet. Wie das Unternehmen gegenüber der Pegnitz-Zeitung eingeräumt hat, ist dort ebenfalls PFOS nachweisbar, wenn auch „weit“ unter dem sogenannten Leitwert, also der maximal empfohlenen Konzentration, die für Trinkwasser gilt. Gesetzlich verbindliche Grenzwerte gibt es nicht.
Amt erst seit Juni informiert
Während das Wasserwirtschaftsamt nach eigener Aussage bereits seit Frühjahr 2018 über die Belastung informiert war, will das Gesundheitsamt davon erst durch eine E-Mail am 5. Juni erfahren haben – und das, obwohl Graphite Cova laut Kubin als Wasserversorger gilt. Auf dem Betriebsgelände gibt es Wohnungen, in denen das Wasser aus den drei Brunnen aus dem Hahn kommt, außerdem, berichtet ein Mitarbeiter, wurde dieses in der Vergangenheit zum Kaffeekochen verwendet.
Die zeitlichen Abläufe werfen erneut ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsarbeit und Infopolitik der Behörden, die in der Vergangenheit insbesondere von den Kreis-Grünen und der Röthenbacher CSU kritisiert wurden. Laut Kubin gab es am betroffenen Brunnen bereits zwei Beprobungen, diese seien im Februar und im März erfolgt. Beide Messungen hätten PFOS in erhöhter Konzentration nachgewiesen – „deshalb ist hier schon von einer gewissen Konstanz auszugehen“. Nach wie vor fehlt jedoch ein sogenannter chemischer Fingerabdruck, also eine Detailanalyse.
Eine solche Analyse soll klären, ob die PFOS-Belastung mit den Fällen am Birkensee und am Finstergraben bei Diepersdorf zusammenhängt. Bisher geht das Wasserwirtschaftsamt von einer zusätzlichen Quelle aus. Demnach müsste das PFOS von der Oberfläche, also vom Firmengelände oder aus der Umgebung, kommen. Graphite Cova sieht das anders: „Wir gehen davon aus, dass die Ursache in etlichen Kilometern Entfernung liegt, um bei uns in dem zirka 100 Meter tiefen Brunnen anzukommen.“
„Nur eine Frage der Zeit“
Grünen-Kreisrätin Lydia Hufmann-Bisping ist promovierte Geologin, sie hält es „nur für eine Frage der Zeit“, bis das PFOS auch die Trinkwasserversorgung erreicht, die Graphite-Cova-Brunnen seien nur 1,5 Kilometer von jenen der Stadtwerke im Pegnitzgrund entfernt, außerdem lägen sie in derselben Grundwasserschicht. „Ich darf diese Befürchtungen absolut teilen“, meint Gesundheitsamtsleiter Kubin, auch wenn er darauf hinweist, „dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn macht, Angst zu haben“. Das Röthenbacher Wasser könne man bedenkenlos trinken, es werde gut überwacht. „Erheblichen Handlungsbedarf“ sieht Cornelia Trinkl, Röthenbacher Stadträtin und CSU-Kreisrätin.
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Nun will das Landratsamt per Bescheid entweder die Sanierung oder Stilllegung des Graphite-Cova-Brunnens durchsetzen. Ob die Stilllegung eine gute Idee ist? Pumpe man aus dem einen Brunnen nichts mehr ab, räumt Kubin ein, könne es sein, dass die Konzentration an den anderen beiden Stellen steige.
Immerhin: Vor drei Monaten wurden laut Gesundheitsamt auf dem Graphite-Cova-Gelände nur noch 0,039 Mikrogramm pro Liter gemessen, offenbar, weil der belastete Brunnen nicht mehr am Netz ist oder das Wasser gut gemischt wird. „Wir werden bis Ende des Jahres einen Teil unseres Wassers von der Stadt Röthenbach beziehen, sodass dann alle Wohnhäuser und die Mitarbeiter-Bäder (…) versorgt werden“, sagt das Unternehmen. Vor rund zwei Wochen wurden die Betroffenen informiert, dass das Wasser vom Betriebsgelände kein Trinkwasser mehr sei. Graphite Cova führt das allerdings nicht auf PFOS, sondern auf einen „zu hohen Eisengehalt“ zurück. Dafür existiert ein Grenzwert.
Andreas Sichelstiel