RÖTHENBACH — „Was tun wir unseren Kindern an?“ Diese provokante Frage stellte der Röthenbacher SPD-Ortsverein den kompetenten Teilnehmern einer Podiumsdiskussion zu aktuellen Bildungsfragen. In einigen Punkten und vor allem bei der Kritik an der vorzeitigen Selektion der Schülerschaft nach der vierten Klasse Grundschule herrschte Einigkeit. Doch wie sehr und schnell sich unser Schulsystem ändern soll und das überhaupt kann, darüber wurde im Foyer der Karl-Diehl-Halle zwei Stunden lang rege diskutiert.
Moderatorin Marianne Haller eröffnete das Gespräch mit dem Hinweis auf das vieldiskutierte Buch „Was wir unseren Kindern in der Schule antun“, in dem die Autorin Sabine Czerny, selbst Grundschullehrerin in Bayern, das dreigliedrige Schulsystem heftig angreift. Dass der Übertritt nach der vierten Klasse eine frühzeitige Auslese bedeute und Schülern wie Eltern enormen Druck auflaste, darüber waren sich die Diskutanten weitgehend einig. Wie dieses System jedoch entschärft werden könne und welche Veränderungen dann in Bezug auf die Unterrichtsqualität und -gestaltung notwendig seien, darüber entstand eine lebhafte Debatte, in die sich auch das Publikum wirksam mit einbrachte.
„Schatzsuche statt Selektion“ forderte der Präsident des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV) Klaus Wenzel, wenn es um die individuelle Förderung der Kinder geht. Und auch der Vorsitzende des Elternbeirats des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Georg Escher nannte das für alle Schüler vorgegebene gleiche Lerntempo – ungeachtet der individuellen Entwicklung und des Leistungsvermögens des Kindes – den Schwachpunkt des derzeitigen Schulsystems.
Von neuen Schulmodellen ist die Rede, beispielsweise der Gemeinschaftsschule, deren Konzept die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild den Zuhörern vorstellt. Im Mai startet die Bayern-SPD hierzu eine umfangreiche Informationskampagne.
Ebenfalls in den Fokus rücken die Hauptschulen, die, wie am Beispiel Röthenbach sichtbar, in Mittelschulen umgewandelt werden sollen. Sie dürfen allerdings nicht nur anders heißen, sondern müssen sich auch inhaltlich verändern, konstatiert Roland Pecher, Rektor der Geschwister-Scholl-Mittelschule. Sein Appell „Bildung neu denken!“ wirft dann auch die Frage auf, inwieweit hier die Lehrer gefordert sind, welchen Gestaltungsspielraum und welche Motivation sie derzeit überhaupt haben.
Die Rektorin der Grundschule am Forstersberg Gisela Altaner zum Beispiel sieht die Probleme vor allem im hohen Verwaltungsaufwand und in der konstanten Planungsunsicherheit, mit der die Schulen konfrontiert sind. Auch die häufigen Veränderungen in den Lehrplänen machen Innovation und Flexibilität oft den Garaus. Wortmeldungen aus dem Publikum und Beiträge aus dem Plenum lassen erkennen, dass aber neben strukturlockernden Reformen, auch mehr Mut von Seiten der Lehrerschaft gewünscht wird.
Überhaupt werden die Pädagogen ordentlich in die Mangel genommen. Dabei gehe es jedoch nicht um die Leistung einzelner, sondern um die Lehrerausbildung, die sich den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre noch nicht angepasst hat, so Margit Wild.
Außerdem müsse der Dialog zwischen Eltern und Lehrer erheblich verbessert und durch Supervision und andere Beratungsangebote unterstützt werden.
Laut wird an diesem Abend auch der Ruf nach mehr Verbindlichkeit in Bezug auf die Fortbildungsangebote für Lehrer sowie eine frühzeitige Überprüfung der Lehramtsstudierenden hinsichtlich ihrer pädagogischen Fähigkeiten. Mit Hilfe solcher Maßnahmen könne man auch das Ansehen des Berufs wieder erheblich steigern, meinen die Experten.
Der Diskussionsbedarf der Teilnehmer auf dem Podium und im Zuschauerraum ist groß, und am Schluss steht die Erkenntnis, dass man gut und gerne noch Stunden weiterreden könnte. Dennoch scheint das Ziel der Veranstaltung, nämlich den Damen und Herren des Landtages beziehungsweise des BLLV ein paar Anregungen mit nach München mitzugeben, erreicht worden zu sein.
Es ist unglaublich, mit welcher Ignoranz Politiker Autoren für ihre Politik vereinnahmen. Czerny ist für die Abschaffung des Auslesesystems und nicht für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Die erübrigt sich dann sowieso. Ich glaube diese Leute haben das falsche Buch gelesen!
Gruß Fred Steeg