NÜRNBERGER LAND — Seit 25 Jahren ist Roger Sautter im Forstwesen tätig. Dafür erhielt der gebürtige Heidelberger, der zunächst in den Forstämtern Hersbruck und Roth und seit 2008 im Kartier-Team Mittelfranken an der Erstellung von Managementplänen im Wald arbeitet, kürzlich die Dankurkunde des Freistaates Bayern. PZ-Mitarbeiter Hermann Hatzelmann hat sich mit Sautter über seine Arbeit und das Projekt „Natura2000“ unterhalten.
Für manch einen ist Förster ein Wunschberuf. Warum der Wechsel zu „Natura2000“ – einem eher ungeliebten EU-Projekt?
Sautter: Ich war schon mit Leib und Seele Förster. Doch nachdem ich bereits seit dem Jahr 2000 mit „Natura2000“ als zusätzlicher Sonderaufgabe zu tun hatte, lag der Wechsel zu diesem Projekt gewissermaßen „in der Luft“. Tatsächlich hielt sich anfangs die „Begeisterung“ vieler Grundeigentümer für ein neues, vermeintlich gängelndes Naturschutzvorhaben – zumal von der EU – in Grenzen. Andererseits gehört der Waldnaturschutz zu den wesentlichen Aufgaben auch der Forstverwaltung und, seit 2005, auch der Bayerischen Staatsforsten. So sind mir in meinem ehemaligen Zuständigkeitsbereich, im Forstrevier Kainsbach, verschiedene Naturschutzprojekte von Verbänden und Stiftungen, die wir gemeinsam mit den Waldbesitzern und Naturschutzbehörden nach Kräften unterstützt haben, noch in bester Erinnerung. Beispiele: das Mehlbeerenprojekt der Bayerischen Evangelischen Landeskirche und das Kalktuffquellenprojekt des LBV.
Warum gibt es Natura2000 und wie ernst ist es um die Natur in Europa und hierzulande bestellt?
Sautter: Wenn es auch an vielen Orten hierzulande und europaweit noch einmalige Naturschätze zu bewundern gibt, beobachten wir doch auf der anderen Seite seit Jahrzehnten auch in Deutschland erhebliche Verluste an Lebensräumen sowie von Tier- und Pflanzenarten. Diese Entwicklung konnte bisher nur unzureichend gebremst bzw. gestoppt werden. Deshalb hat die EU mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten bereits 1979 in der „Vogelschutzrichtlinie“ und 1992 in der „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ – zusammen bilden sie das „Projekt Natura2000“ – für alle verbindliches Naturschutzrecht geschaffen. Es soll dieser Entwicklung gegensteuern, nötigenfalls sie auch umkehren.
FFH, Vogelschutzgebiete und Schutz eher unbekannter Pflanzen, Käfer, Fledermäuse – was hat es damit auf sich?
Sautter: Das Besondere an „Natura2000“ ist das Ziel einer europaweiten Vernetzung ausgewählter, landes- oder regionaltypischer Lebensräume, mit ihren jeweils hoch repräsentativen Pflanzen oder/und Tierarten, den sogenannten Indikator-Arten.Es geht darum, Biodiversität, wo wir sie noch vorfinden, zu bewahren bzw. dort wiederherzustellen, wo sie verloren gegangen ist. So zeigen bestimmte Fledermäuse wie die „Bechstein-Fledermaus“ oder der von Eichen lebende „Eremit“ – beides sind übrigens prioritäre Arten im FFH-Gebiet „Tiergarten Nürnberg mit Schmausenbuck“ – sehr gut den ökologischen Zustand von Naturlebensräumen: etwa Vorhandensein von Baumhöhlen und Totholz. Mit einer Kartierung lässt sich mit vertretbarem Aufwand und binnen Kurzem der Ist-Zustand erfassen. Damit können erforderlichenfalls Wiederherstellungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Soll in den Natura2000-Gebieten die land- und forstwirtschaftliche Nutzung eingestellt werden?
Sautter: Nein, ganz im Gegenteil! Es geht nicht darum, über schützenswerte Natur „eine Käseglocke zu stülpen“ und diese zu nutzungsfreien Reservaten zu erklären. Gerade dort, wo traditionelle Nutzungsformen wie z.B. die Mittel- und Niederwaldwirtschaft oder die extensive Nutzung von mageren Mähwiesen und -weiden zu dem heutigen, schützenswerten Zustand geführt haben, gilt es, diese weiterzuführen oder wieder aufleben zu lassen. Das heißt, das Prinzip der Freiwilligkeit von Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen steht für die privaten Grundeigentümer im Vordergrund.
Welches sind die besonders erhaltenswerten Naturschätze im Nürnberger Land?
Sautter: Auch im Nürnberger Land ist die Vielfalt an Lebensräumen und Tier- und Pflanzenarten enorm. So finden wir hier neun verschiedene FFH-Wald-„Lebensraumtypen“ vor. Die Vielfalt reicht vom „Ahorn-Eschen-Linden-Ulmen-Wald“ über Auwälder und Buchenwälder bis zu „Steppen-Kiefernwäldern“ in der Dolomitkuppenalb bei Neuhaus. Oder den „Sanddünen-Flechten-Kiefernwäldern“ zwischen Altdorf und Leinburg, die seit dem Mittelalter zur Gewinnung von Stalleinstreu intensiv genutzt wurden und gerade deswegen heute eine ganz spezielle Flora und Fauna aufweisen. Das setzt sich fort im Offenland mit extensiven Weiden und Mähwiesen, Felsspaltengesellschaften auf den Dolomitfelsen, Hochstaudenfluren in Bachtälern oder Kalktuffquellfluren in den Traufhängen der Alb.
Haben Sie Ratschläge oder Wünsche an die Kollegen von Forst, Landwirtschaft und Naturschutz?
Sautter: Dass wir weiterhin so gut zusammenarbeiten wie bisher bei der Umsetzung von „Natura2000“ und unsere Bemühungen weiter intensivieren, die Grundeigentümer für aktive Naturschutzmaßnahmen auf ihren Flächen zu gewinnen. Es wäre schön, auch für meine eigene weitere Arbeit, wenn sich so die Akzeptanz für dieses Projekt erhöhen und in der Gesellschaft verankern ließe.
Interview: Hermann Hatzelmann