Kommentar

Nein zum Radschnellweg: Kirchturmdenken oder nachvollziehbar?

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NÜRNBERGER LAND — Nach Schwaig hat es nun auch Rückersdorf abgelehnt, sich an der Planung für einen Radschnellweg nach Nürnberg zu beteiligen. Noch offen ist, ob das Prestigeprojekt damit gestorben ist. Aber welches Signal geht von den Gemeinderatsbeschlüssen aus? Unser Pro und Kontra.

PRO
Verständliche Entscheidung

Dass Schwaig und Rückersdorf die geplante Radschnellverbindung entlang der B 14 ablehnen, ist nachvollziehbar. Schon jetzt kommen Radler auf dem bestehenden Radweg vergleichsweise komfortabel von Lauf nach Nürnberg und zurück. Da täte ein Ausbau des Radwegenetzes an ganz anderen Stellen im Landkreis Not.

Zwischen 1000 und 1400 Radler nutzen den Radweg an der B 14 täglich. Ob sich diese Zahl durch den Ausbau zu einer Schnellverbindung tatsächlich vervierfachen könnte, wie Experten meinen, ist fraglich. Denn spielt die Breite eines Radwegs und die damit verbundene, geringe Zeitersparnis für Pendler wirklich eine Rolle bei der Entscheidung, das Auto zugunsten des Fahrrads in der Garage zu lassen?

Außerdem: Wegen der vielen Einmündungen, speziell in Rückersdorf, erfüllt die Trasse laut der Planer die hohen Anforderungen für eine Radschnellwegverbindung nur zu 47 Prozent. Wirklich „schnell“ ginge es deshalb auch nach dem Ausbau nur an wenigen Stellen voran. Die kalkulierten Gesamtkosten von über 18 Millionen Euro stehen dazu in keinem Verhältnis.

STEFANIE BUCHNER-FREIBERGER

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KONTRA
Das falsche Signal

Es gibt ein Wort für das, was Schwaig und Rückersdorf gerade abliefern: Kirchturmdenken. Das Schnellweg-Projekt ist ein wichtiger Baustein für eine Verkehrswende. Pendler aus dem ganzen Pegnitztal könnten hier schnell und komfortabel nach Nürnberg gelangen – mit dem Rad, nicht mit dem Auto. Laut einer Machbarkeitsstudie hat diese Strecke ein Potenzial von bis zu 5000 Fahrradfahrern täglich. Welche Blechlawine könnte damit eingespart, wie viel Feinstaub und CO2 vermieden werden! Und da diskutieren wir wirklich über ein paar Stellplätze vor dem Behringersdorfer Bürgersaal? Oder über 280 000 Euro, die sich eine finanziell gut ausgestattete Kommune wie Schwaig nicht leisten will?

Nein, die bestehenden Radwege reichen nicht aus. Wer das behauptet, hat das Konzept von Schnellverbindungen nicht verstanden. Es geht hier nicht um die Anforderungen einer „kleinen Gruppe dynamischer Radler“, wie ein Gemeinderat sagte. Damit das Fahrrad zum Alltagsvehikel wird und nicht nur am Wochenende aus der Garage geholt wird, muss das Radfahren einfach, schnell und komfortabel sein. Im Augenblick ist der Weg durch beide Orte, Rückersdorf und Behringersdorf, eher ein Hindernislauf. Nicht umsonst ist die Abzweigung von der Rückersdorfer Hauptstraße zu Kirchgasse einer der Unfallschwerpunkte im Landkreis. Meistens erwischt es hier Radfahrer, die von abbiegenden Autofahrern übersehen werden.

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Komfortabel ist die jetzige Situation wirklich nur für Autofahrer. Einfacher Beweis: Welcher prozentuale Anteil des öffentlichen Verkehrsraums etwa auf der Rückersdorfer Hauptstraße ist für sie reserviert? 60 Prozent? 70 Prozent? Macht endlich mehr Platz für Radfahrer!

ANDREAS SICHELSTIEL

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