LAUF (ik) — Die Kultur-, Kunst- und Kreativbranche lebt wie kaum eine andere im Spagat. Während für gutes Design und innovative Marketingideen zum Teil viel Geld bezahlt wird, tun sich viele Künstler und Kulturschaffende schwer, ihre Produkte für anständiges Honorar auf den Markt zu bringen. Nicht wenige leben am Existenzminimum. Dennoch ist die Kreativbranche im Aufwind.
Das sagt zumindest das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Akteure zu beraten und stärker mit der Wirtschaft zu vernetzen. Bayernweit lädt das von Bayern Innovativ und damit vom Wirtschaftsministerium finanzierte Zentrum deshalb zum Austausch ein. Die vierte Veranstaltung fand in Lauf statt.
Die Zahlen, die Dirk Kiefer vom Bayerischen Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft an diesem Abend in der „Glückserei“ an die Wand malt, sagen zwar nichts über die Wirtschaftskraft der einzelnen Akteure aus, wohl aber über die Dimension der Branche: immerhin 200 000 Menschen arbeiten in Bayern in rund 40000 Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, jedes achte Mitglied der IHK Mittelfranken kommt aus der Brache. Die ist im Freistaat laut Kiefer finanzstärker als in vielen anderen Bundesländern: jeder fünfte Euro in der Kreativwirtschaft wird in Bayern erwirtschaftet, sagt der Leiter des Beratungszentrums in Nürnberg.
Wirtschaftsreferent Michael Fraas, als Vorsitzender des Nürnberger Forums Wirtschaft und Infrastruktur gemeinsam mit Landrat Armin Kroder vor Ort, steuert noch eine Zahl bei: 8000 Kulturschaffende und Kreative sind laut einer Studie in der Metropolregion tätig. „Wir betrachten das als wichtigen Wirtschaftsfaktor“.
Zahlen, wie viele Kreative im Nürnberger Land tätig sind und wie wirtschaftlich erfolgreich sie sind, gibt es nicht, da die Branche nicht, wie man vermutet, nur Künstler und Kulturschaffende, sondern auch Sparten des Handwerks, Architekten und Softwareentwickler umfasst. „Wir haben das nicht erfasst“, sagt Wirtschaftsförderer Frank Richartz. Diejenigen, die an diesem Abend dem Aufruf der Wirtschaftsförderung des Landkreises und der Europäischen Metropolregion gefolgt sind und sich bei Theatermacherin Andrea Lipka, selbst Freischaffende, zum Austausch treffen, spiegeln, wie breit die Branche ist:
Da sitzt Regisseur Ralf Weiß, der bei seinen Produktionen im kleinen privaten Dehnberger Hof Theater ebenso wie Andrea Lipka stets die Auslastung des Hauses im Blick haben muss, neben einer Floristin aus dem Landkreis, die ihr Handwerk als Kunst versteht, aber davon nicht leben kann, ebenso wenig wie die freischaffende Malerin aus einem kleinen Dorf, die ihre Kunst schweren Herzens nur noch als Hobby betreibt.
Daneben Grafikdesigner Oliver Stumpf aus Simonshofen, der Kunden hat, die auf hochwertige Kataloge, Karten und Bücher als Werbegeschenke Wert legen und dem Familienvater damit eine gute Grundlage für sein selbstständiges Tun liefern. Dass das so ist, verdankt er nicht nur seinem Können, sondern auch einem privaten Netzwerk mit anderen Designern.
Bildhauerin Roswitha Weindl-Farnsworth aus Hohenstadt wiederum ist gerne und erfolgreich Künstlerin, reibt sich als Einzelkämpferin aber zwischen der Vermarktung ihre selbst entwickelten Werkstoffes und dem Anspruchs ans eigene künstlerische Arbeiten auf. Grafikdesignerin Anke Rückert stellt seit einigen Jahren fest, dass kreative Arbeit als Einzelleistung zunehmend weniger honoriert wird. Vorlage für Fotograf Thomas Geiger aus Hersbruck, Sprecher der Fachgruppe Bildjournalisten im Bayerischen Journalistenverband, der in dieser Funktion erlebt, wie Kollegen unter Dumpingpreisen und Knebelverträgen leiden, nicht zuletzt, weil Urheber- und Bildrechte von Auftraggebern oft ausgehebelt und Ausschreibungen gerade der öffentlichen Hand oft so knapp bemessen werden, dass mancher den Auftrag lieber gleich sausen lässt. Dazu passt auch ins Bild, was Fritz Schneider vom Kulturnetzwerk Schwarzenbruck erzählt, dem die steigenden Kosten durch die Verwertungsgesellschaft GEMA Sorgen bereiten, weil sie die Kulturarbeit vor Ort immer teurer machen.
Eine Branche also mit ganz unterschiedlichen Problemstellungen, die sich den Experten auf dem Podium von IHK, Bezirk und Bayerischem Zentrum für Kreativwirtschaft an diesem Abend bietet. Deren Einfluss, das wird schnell deutlich, ist im Hinblick auf die Komplexität der vielen Themen sehr begrenzt. Sie können nur Stichpunkte aufnehmen und Hilfestellungen geben, wie sich der einzelne Kreative etwa in Sachen Businessplan oder Vermarktung besser aufstellen kann. „Die Kreativität ist meist nicht das Problem, sondern die Professionalisierung“, sagt Alexander Fortunato von der IHK. Oft seien es leider auch die Kreativen selbst, die sich der Professionalisierung versperrten, weil sie den Spagat zwischen Kunst und Kommerz fürchteten, sagt Florian Jäger, der im Auftrag des Bezirks Mittelfranken Musiker berät.
Die Mitarbeiter des Bayerischen Zentrums für Kreativwirtschaft in Nürnberg gehen deshalb in die Landkreise, versuchen Mut zu machen, aber auch Potentiale zu erkennen und die Akteure zusammenzubringen. „Es geht um Vernetzung“ sagt Dirk Kiefer, „die Branche hat große Potentiale, die wollen wir sichtbar machen“. In Nürnberg ist das Zentrum, das bayernweit 18 Standorte hat, seit 2015 im schicken „HUB“ in der Nürnberger Altstadt ansässig. Dort beraten und coachen sieben Mitarbeiter Kreative und Kulturschaffende kostenlos in Fragen zu ihrer Selbstständigkeit.
„Manchmal hilft schon der Blick eines Außenstehenden, um ein Problem sichtbar zu machen“, meint Kiefer. Auch auf Messen sind die Berater präsent, suchen den Kontakt zur Wirtschaft. Der nächste Schritt soll eine Datenbank werden, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt. Im Landkreis soll die Veranstaltung kein einmaliges Treffen bleiben. Darüber hinaus soll es in Zukunft regelmäßige Beratungstage für Kreative geben.