ROCKENBRUNN – „Achtung, wir drehen!“ Es wird totenstill am Rockenbrunner Gasthaus. Kein Mucks, kein Kameraklicken ist zu hören – trotz unzähliger Journalisten aus ganz Bayern. Es ist offizieller Drehtermin für die Medien in dem kleinen Röthenbacher Örtchen. Hier herrscht in dieser Woche die Welt des Films, denn es wird der zweite Franken-Tatort „Das Recht sich zu sorgen“ gedreht.
Wo sonst eine Wiese ist, stehen Autos, Zelte, Wohnmobile für „Felix Voss“, „Paula Ringelhahn“ und Co. und Dutzende Menschen tummeln sich dort: Aus einem normalen Dörfchen wurde eine BR-Kulisse, die sich an diesem Tag Redakteure, Fotografen und Radio-Leute ansehen dürfen. Genau getimt und geführt von den PR-Damen wandert der Tross der Medienschaffenden den Hügel hinunter zum Rockenbrunner Gasthaus.
Dort steht schon ein Polizei-Auto. „Wir haben auch Nürnberger Polizisten dabei“, verrät die zweite Regisseurin. Doch nicht nur die Polizisten sind „Originale“, wie es in der Filmsprache heißt, auch die Bestatter aus Nürnberg kommen in eigener Dienstkleidung. Komparsen aus dem Landkreis suchen die heimischen Journalisten aber vergebens. Zum Casting wurde vor allem in Nürnberg, Fürth und Würzburg aufgerufen.
Gerade ist eine kurze Pause. Zig Menschen wuseln zwischen Tonarmen, Mikros, Kabeln, Kameras, Lichtern und Aufhellern (reflektierende, kleine Wände) hin und her. Derweil sitzt Andreas Leopold Schadt – Spurensicherer Sebastian Fleischer – an der Seite, raucht und hält einen Plausch. Sein Einsatz vorm Gasthaus kommt erst noch. „Das wurde downdressed“, erzählt die verantwortliche BR-Redakteurin Stephanie Heckner: Das Gebäude wurde patiniert, Betonstücke und dreckige Plastikstühle zieren die Front, Blumen fehlen.
Heckner ist begeistert vom Innenhof mit dem Karpfenteich: „Wenn wir das gewusst hätten, dann hätte die Leiche ganz woanders liegen können….“ Aber so ist sie nun im Wirtshaus: Besitzerin Andrea Schwinn wird erwürgt von ihrer Tochter gefunden, ihr Mann ist verschwunden. Zu diesem Mord kommen zwei weitere mysteriöse Fälle in Nürnberg und am anatomischen Institut in Würzburg. Sie alle fragen danach, wer sich denn nicht nach dem Gegenteil von Einsamkeit sehnt.
Einsam ist es in Rockenbrunn nicht, als der Polizist ins Auto steigt und ein junges Mädchen vom Haus wegradelt, während ihr ein Mann mit weißem Hund entgegenkommt. „Leise, auch kein Flüstern!“, schallt es vom BR-Team. Nach wenigen Sekunden ist die Kamera wieder aus. Doch die Szene passt noch nicht. Die Meute der Journalisten wird neu drapiert, damit sie nicht im Bild ist, Maskenbildnerinnen richten eilig Haare und Makeup: Alles ist im Zaum des Tatorts. Sonst so neugierige Medienschaffende warten geduldig, drücken nicht ohne Anweisung ab.
Szenenwechsel: „19, fünf, die Erste!“ spielt an einem alten, verschmutzen Lada. Aber halt, das Nummernschild ist Regisseur Andreas Senn nicht dreckig genug. Also turnt eine BR-Mitarbeiterin durchs Unterholz und zieht das Blechding durch Blätter und Matsch. Senn nutzt die Zeit zur Probe. So soll Schadt die Türen öffnen, so soll er schauen und in den Wagen soll sich eine Person hineinlegen, die die geöffnete Fahrertür dann auch offen hält. So ist Fernsehen – alles getimt, alles geplant, auch der Besuch der Medien.
Am Lada dürfen die Fotografen dann auch die beiden Hauptdarsteller Dagmar Manzel (Paula Ringelhahn) und Fabian Hinrichs (Felix Voss) ablichten. Aber ohne kleine schauspielerische Einlage, das ist Hinrichs „zu blöd“. Auch hier hat der BR alles fest in der Hand. Die PR-Damen stellen die Darsteller zu diversen Gruppenfotos zusammen, Löckchen werden gerichtet und Einzelinterviews mit der gerade wartenden Leiche Andrea Schwinn (gespielt von der gecasteten Sonja Tille, die eine Stunde in der Maske für die Verwandlung braucht) oder mit dem Laufer Matthias Egersdörfer (Michael Schatz) sind tabu. Im späteren Gruppengespräch wird er in seinem trockenen Humor erzählen, dass er als Bub im „Rockers“ war und die Rückkehr seltsam ist.
Hinrichs findet das Fachwerk hier heimelig. Fast eine Woche mit Drehtagen bis zu 12 Stunden ist die BR-Crew in Rockenbrunn. „Wir sind hier mit offenen Armen empfangen worden“, berichtet Manzel bei der Pressekonferenz. Kontakt zu den Einheimischen haben sie aber kaum. „Passd scho“ hat sie aber in ihren Wortschatz übernommen. Bevor die exakt 15 Minuten Gesprächszeit vorbei sind, fragen die beiden noch, was am „Rockers“ so kultig ist. Dann wird weitergedreht – bis der Linienbus kommt: Für den muss sogar das Tatort-Team die Straße räumen und mal warten.