HERSBRUCK – Zählt wirklich nur das Wort Gottes? Wie kann man heute die Bibel überhaupt noch richtig verstehen? Anlässlich des Luther-Jahres predigte Dekan Werner Thiessen in der Stadtkirche kurzweilig und verständlich über das schwierige Thema.
Die ganze Welt schaut auf Donald Trump, der mit Twitter-Nachrichten und harten Statements die Gemüter nicht nur in den USA bewegt. „Worte wirken, es ist gewaltig was los“, leitete Werner Thiessen in seiner Predigt daraus ab. Darum ging es auch Martin Luther: „Er wollte nicht gelehrter sein als alle anderen, er wollte, dass die Bibel verstanden wird“, so Thiessen. Laut Luthers damaliger Vorstellung sollte nicht die Kirche die Glaubensinhalte festlegen, sondern eben nur die Heilige Schrift.
Was aber, wenn verschiedene Menschen die Bibel unterschiedlich auslegen? Thiessen selbst hat heuer schon fünf unterschiedliche Interpretationen der Jahreslosung gelesen – welche stimmt? „Jede“, so der Dekan: „Jeder hört das Wort Gottes anders, Gott kommt dadurch in die jeweilige Lebenssituation.“
In seiner Predigt motivierte Thiessen seine Gemeindemitglieder, sich an das Bibel-Lesen heranzutrauen, auch an schwierige Stellen. Ob Stück für Stück, ob als Tageslosung oder im Ganzen: Thiessen empfiehlt wenn man etwas nicht versteht abzuwarten oder den Text in den historischen Kontext zu rücken.
Klar ist: Werner Thiessen ist ein großer Fan der Heiligen Schrift. „Von Abraham bis zu den Aposteln ist sie voll von Menschen, die kleine und große Fehler haben. Diese Menschen verstehen wir, weil sie eben so menschlich sind.“
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Auch einen kleinen Seitenhieb auf die katholische Lehre kann sich der Dekan hier nicht verkneifen: „Die makellosen Heiligen wurden erst später erfunden.“ Luthers Weisung „Sola Scriptura“ (dt.: allein durch die Schrift) bringt Thiessen Mut machend ins heutige Deutsch: „Die gedruckten Buchstaben der Bibel können sich in Leben verwandeln, wenn sie in unser Herz finden. Im Wort Gottes wird unsere Welt von seiner Welt berührt.“
Die Faszination vom gedruckten Wort sprang auch auf die Gemeinde über, als Thiessen sie einlud, in einer Jahrhunderte alten Bibel mit einer ganz besonderen Geschichte zu blättern: Im Zweiten Weltkrieg wurde sie von einem unbekannten amerikanischen Soldaten aus der Stadtkirche mit in die USA genommen. Seine Erben hatten sie – anonym – kürzlich nach Hersbruck zurückgeschickt.