Marcel Schneider ist empört

„Man will mein Blut nicht – weil ich schwul bin“

Marcel Schneider (links) ist bekannt dafür, dass er Spenden sammelt. In diesem Fall freuen sich Bürgermeister Robert Ilg, Tierheim-Chefin Martina Höng sowie Norbert Dünkel und Gerhard John von der Lebenshilfe über Geld.2015/02/5_2_1_2_20150202_BLUT.jpg

NÜRNBERGER LAND – Seit Jahrzehnten tut Marcel Schneider Gutes im Nürnberger Land. Der Frisör aus Rednitzhembach hat bis heute 270.000 Euro für die Lebenshilfe Nürnberger Land oder für die Organisation Tiere in Not auch in Hersbruck mit seinen Spenden-Galas gesammelt. Auch privat will der Mann, der in den Medien gern als Promi-Frisör (zwei Filialen „By Marcel“ in Nürnberg und Rednitzhembach) bezeichnet wird, helfen. Beispielsweise als Blutspender. Doch sein Blut will niemand. Der Grund: Marcel Schneider ist homosexuell. Und Schwule dürfen nicht spenden. Das macht den 46-Jährigen fassungslos: „Homosexuelle werden unter den Generalverdacht der Promiskuität gestellt, ihnen werden automatisch Krankheiten unterstellt. Man soll es nicht glauben“, so Schneider ironisch weiter, „aber auch wir Schwule haben schon von Verhütung gehört.“

„Ich lebe seit 22 Jahren in einer Beziehung, wir sind seit acht Jahren verheiratet“, beschreibt er sein wohl völlig durchschnittliches Eheleben. Seine Homosexualität hat er nie verleugnet, und er kämpft seit Jahren gegen die Diskriminierung von Männern, die Männer lieben. „Und dann lese ich auf dem Fragebogen vor der Blutspende die Frage: ,Hatten Sie schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann? “ Wer bei der Wahrheit bleibt, hat sich als Blutspender disqualifiziert. Das Gesetz dazu wurde 1993 erlassen. Schneider, der sich einmal im Jahr vom Arzt komplett durchchecken lässt: „Ich bin maßlos verärgert. Nur weil ich homosexuell bin, mag man mein Blut nicht. Aber Organe dürfte ich beispielsweise spenden.“

Auch für die Interessenverbände homosexueller Menschen, wie dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, kommt das einer Diskriminierung gleich. Die Ausschlusskriterien legt die Bundesärztekammer zusammen mit dem Paul Ehrlich-Institut (PEI) im Transfusionsgesetz fest. Und dort steht: Männer, die Sex mit Männern haben (sie werden mit „MSM“ abgekürzt), sind dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen.

Die Gründe dazu erläutert das PEI: Ursache dieses Ausschlusses ist der Skandal in den späten 1980er Jahren gewesen, als sich viele Patienten via Blutspende mit Aids infiziert hatten. Mit dem Ausschluss von Prostituierten oder Schwulen sollte die Spende sicherer werden. Und das wurde sie, auch deshalb, weil sich die HIV-Testmethoden am gespendeten Blut in den vergangenen Jahren immer wieder verbessert haben.

Laut PEI ist es „zweifelsfrei belegt“, dass Sexualverkehr unter Männern mit einem besonders hohen Risiko einer HIV-Übertragung behaftet ist. Rund zwei Drittel der Neuinfektionen mit HIV traten in der Gruppe der MSM auf, sagt das Robert Koch-Institut. „Da der Anteil von MSM an der Gesamtbevölkerung auf etwa drei bis fünf Prozent geschätzt wird, aber etwa zwei Drittel aller HIV-Infizierten umfasst, ist das Risiko, sich in diesem sexuellen Netzwerk zu infizieren, besonders hoch.“

Das „sexuelle Netzwerk“ kann Monogamist Marcel Schneider nun gar nicht nachvollziehen, die Erkenntnisse des Instituts sind ihm zu pauschal. „Niemand fragt mich nach meinen Lebensumständen. Und welche Frau, die Blut spendet, kann sich hundertprozentig sicher sein, dass ihr Freund nicht gerade fremdgegangen ist? Uns wird automatisch Promiskuität unterstellt.“

Tatsächlich ist der Spende-Ausschluss von Homosexuellen seit Jahren in der Debatte, auch in der Politik. Und es könnte sein, dass sich die Kriterien ändern werden: Ein Franzose klagte jüngst vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dagegen. Gutachter gaben der Klage Recht und sahen darin mit dem auch in Frankreich geltenden dauerhaften Spendeverbot für Schwule eine unzulässige „indirekte Diskriminierung“. Der Generalanwalt erkannte zwar an, dass der Staat die Spendenempfänger schützen will – Ausnahmen seien erlaubt, dürften aber nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Alleiniges Kriterium für einen Ausschluss dürfe nur ein individuelles und konkretes Risikoverhalten für eine hohe Ansteckungsgefahr mit HIV sein, forderte der Generalanwalt am EuGH, Paolo Mengozzi.

In den meisten Fällen folgen die EuGH-Richter dem Gutachter. Marcel Schneider wird gespannt auf das Urteil warten.

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