GRÜNSBERG – In unserer Serie „Unsere Burgen, unsere Schlösser“ stellen wir in losen Abständen die Schlösser und Burgen in der Region vor. Heute: Schloss Grünsberg. Hier trieb sich einst eine Geisterfrau herum. Aber, Halt. Schloss? Mal wird das Anwesen als Schloss, mal als Burg bezeichnet. Die Lösung des Rätsels: Beides ist richtig.
Immer bei Sturm soll sie durch den großen Saal im zweiten Stock des Palas geritten sein, die weiße Frau mit der wilden Jagd. „Das hat mein Onkel erzählt, ich glaube aber, dass nur die Fenster geklappert haben“, sagt Rotraut von Stromer-Baumbauer, die seit 2000 der Stromer‘schen Stiftung vorsteht, welcher die Burg Grünsberg gehört. Ja, was denn nun? Burg oder Schloss? So einig scheint man sich nicht zu sein, mal liest man Burg, ein anderes Mal Schloss. Das hat seinen Grund: „Es ist eine mittelalterliche Burganlage, im zweiten Stock ist aber ein Barockschloss eingebaut. Das richtige Wort wäre wohl Herrenhaus“, so von Stromer-Baumbauer.
Die beiden barocken Stockwerke – auch der erste Stock ist in diesem Stil – wären nicht ohne den Brandstifter Albrecht Alkibiades entstanden, der im Nürnberger Land gewütet und dabei auch den Palas in Brand gesteckt hatte. Die Burg Grünsberg ist eine sogenannte Versteckburg, was bedeutet, dass keiner der Kamine höher als die umgebenden Höhen ist. Man entdeckt sie also erst, wenn man direkt vor ihr steht.
Nach dem Wissen der Burgherrin ist das Anwesen das älteste seiner Art im Nürnberger Land. Die Stauferburg wurde zwischen 1000 und 1100 erbaut und ist damit ein echtes Fossil. Ihr Vorgänger war möglicherweise ein Wehrturm an der selben Stelle, der die Bevölkerung vor dem Ungarneinfall 945 schützen sollte. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde das Bauwerk von einem gewissen Rindesmule de Grundespurg 1231. Das erklärt den Namen „Grünsberg“ „Burg im Grunde“, weil sie nicht auf dem Gipfel steht, sondern auf halbem Weg in den Schwarzachgrund.
Wittelsbachisches Lehen
Bis 1504 war die „Grundesburg“ wittelsbachisches Lehen und diente vermutlich als Zinseinnahmestelle, weil sie direkt am Verbindungsweg zwischen Regensburg und Nürnberg, dem heutigen Wanderweg zwischen Prackenfels und Burgthann, lag, damals eine wichtige Handelsstrecke.
Mit dem Aussterben des Zweiges der Wittelsbacher wurde sie im „Landshuter Erbfolgekrieg“ von der „Freien Reichsstadt Nürnberg eingenommen, der sie von da an als Grenzstation zum Hohenzollerngebiet, wozu die Burg Thann gehörte, diente. Ab 1504 besaßen verschiedene Nürnberger Patrizierfamilien die „Grundesburg“ im Wechsel. Dazu zählen unter anderem die Familien Behaim, Örtel, Zollner, Haller, Paumgartner und eben Stromer, welche die Burg seit 1750 am längsten besessen haben.
Zwei Bauabschnitte der Generalsanierung sind beendet, der erste dauerte von 1997 bis 2000, der zweite von 2005 bis 2008 bzw. 2009. 69 Prozent der Kosten übernahm der Entschädigungsfonds der EU, 31 Prozent stammten aus dem Gut, das Rotraut von Stromer-Baumbauers Vater damals noch gehörte. Das sind insgesamt 86 Hektar Wald, Äcker, Fluß und Wiesen sowie ein Grundstück in Almoshof. In der ersten Bauphase ging es um die Sicherung des Palas und der barocken Zehntscheune und die Wiederherstellung der Wohnung im „Verwaltershaus“.
Die zweite Bauphase umfasste alle Nebengebäude inklusive des „Billard“, des ehemaligen Bergfrieds an der rechten Seite des Burghofs. Es hat seinen Namen daher, dass „im 18. Jahrhundert ein Billardtisch im Erdgeschoss stand, an dem Professoren der Uni Altdorf
spielten.“
Außerdem musste der „Felsen“, auf dem die Burg steht, gesichert werden. „Das ist aber nur ein Sandhaufen, der am Auseinanderrutschen war, weswegen die Burg ins Tal hinabzugleiten drohte“ , erinnert sich die Stiftungsadministratorin. Durch Einspritzen eines Spezialbetons unter die Gebäude wurde „künstlicher Sandstein“ hergestellt und dadurch die Fundamente gesichert.
Die Burg Grünsberg war ein Eigenhaus. „Der Besitzer musste Reiter mitsamt ihren Pferden bewaffnen und versorgen. Auf diesem Anwesen waren 35“, erzählt von Stromer-Baumbauer. Außerdem diente es den Patriziern als Sommerschloss. „Im Winter gingen die Herrschaften zurück nach Nürnberg, sonst hätten sie dort ihr Bürgerrecht verloren“, so von Stromer-Baumbauer. Im Sommer lebten sie im dreistöckigen Palas. Im ersten Stock wohnten die Herrschaften, im dritten die Bediensteten und Gäste. Im linken Vorgebäude von der Burg aus gesehen war der Vogt untergebracht, im rechten der Verwalter. Der zweite Stock des Palas diente repräsentativen Zwecken. Er ist vollständig in seiner damaligen Gestalt erhalten und eine wahre Barock-Pracht. An der Stuckdecke des Empfangszimmers – hergestellt von Donato Polli – wacht von Stromer-Baumbauers Urgroßvater Otto, der erste rechtsfähige Bürgermeister von Nürnberg, dargestellt in einem Kronleuchter auf einem Fisch reitend, über das Geschehen.
Wuchtige Holzschränke
Im großen Saal stehen wuchtige Holzschränke mit massiven Ornamenten, ein kristallener Lüster baumelt von der Decke. Es gibt ein Damen- und ein Herrenzimmer, jeweils mit bunten Tapeten und geschlechtertypischen Insignien – eine Wiege für die Kinder im Frauen- und ein großer runder Tisch zum gemeinsamen Unterhalten im Herrenzimmer. In ersterem finden sich noch Brandspuren von einem Granateneinschlag vom 28. April 1945.
Im ersten Stockwerk veranstaltet die Schlossherrin in der biedermeierlichen Bibliothek regelmäßig Konzerte mit einem Hammerflügel von 1810. Dort übernachten sie und ihr Mann auch ab und an im Brautzimmer. Das grüne Bett ist bemalt mit Ranken und halbnackten Rubensfrauen, auf seinem Himmel werfen zwei Putti mit Blumen um sich.
Die Türen beider Stockwerke zieren marmorierte Türstöcke von 1720, auf jedem steht ein lustiger und passender Spruch in Latein, Französisch, Italienisch oder Spanisch geschrieben. So ist über der Tür zur Toilette „Gardez le secret“ – „Hütet das Geheimnis“ zu lesen.
Steinerne Kanonenkugel
Auch der Wehrgang ist eine echte Rarität. Er ist nämlich mit speziellen Ziegeln, fränkischen Krempern, gedeckt. „Die gibt es nur in Unter- und Oberfranken, ich wüsste keine Stelle in Mittelfranken, wo es sie gibt“, so von Stromer-Baumbauer. Typisch barock ist die steinerne Kanonenkugel an einer sandsteinernen Außenmauer, die wie alle anderen früher rosa verputzt war. „Mit der Pseudokanonenkugel wollte man zeigen, dass die Burg nie eingenommen worden ist.“
Um noch mehr über die Geschichte von Schloss Grünsberg herauszufinden, forschen Rotraut von Stromer-Baumbauer und ihr Mann Lothar ständig in den Archiven. 69 Meter Akten gibt es über die Anlage. Ihre letzte Entdeckung: „Wir haben herausgefunden, dass die Uhr und die Glocke am Vorgebäude von 1542 stammen“, so Baumbauer.
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