BURGTHANN/NÜRNBERGER LAND – Was das Thema Mücken angeht, ist der Forschungsstand überwiegend in den 50er Jahren hängengeblieben. Biologen wollen sich nun auf den neuesten Stand bringen und starten ein deutschlandweites Projekt, um mehr über Art und Anzahl der Blutsauger zu erfahren. Die einzige Sammelstation für den Landkreis steht in Burgthann.
So unbeliebt sie auch sind, so wenig Ahnung haben wir von ihnen: Die „aktuellsten“ Forschungsberichte über Mücken in Deutschland sind 60 Jahre alt. „Wir wissen mehr über Mücken in den Tropen als bei uns“, klagt Andreas Rose. Der promovierte Biologe ist der Bayernleiter für ein deutschlandweites Mammutprojekt, das sich Großes vorgenommen hat: Endlich die Forschungslücke zu schließen. Zum ersten Mal überhaupt wird eine flächendeckende Bestandsaufnahme vorgenommen. Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung hat das Stechmücken-Monitoring in Auftrag gegeben.
In Burgthann, genauer im Renaturierungsgebiet Sandgrube Heinleinshof, steht deshalb seit einigen Tagen ein unscheinbarer blauer Behälter mit weißem Deckel. Es handelt sich um eine Mückenfalle, die – wie der menschliche Körper – CO2 und Duftstoffe aussendet, um die Blutsauger zu locken. Zweimal im Monat wird die Maschine angeschmissen. Norbert Behr, Vorsitzender der Ortsgruppe des Bund Naturschutz, schaut vorbei, sammelt die Mücken aus dem Säckchen und friert sie im heimischen Eisschrank ein bis jemand aus Roses Team die Beute abholt.
Drei Jahre lang, in der Vegetationsperiode von April bis Oktober, sammeln Biologen allein im Freistaat an 21 Standorten die lästigen Blutsauger. Mit ersten Ergebnissen rechnen sie bereits Ende des Jahres. In Bayern führt die Firma Biogents die Untersuchungen durch. Rose ist einer der Mitgründer des Unternehmens, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Mückenfallen zu entwickeln und die Forschung auf diesem Gebiet weiter voranzutreiben.
Beim Monitoring geht es konkret um die Frage, welche Arten von Mücken sich bei uns wo heimisch fühlen. Derzeit rechnen Biologen damit, dass es 50 verschiedene Arten gibt, es könnten aber auch weitaus mehr sein. Zudem wollen sie erforschen, welche Krankheiten diese vielen verschiedenen Mücken einschleppen.
Denn Insekten wie die asiatische Busch- oder die Tigermücken übertragen lebensgefährliche Krankheiten, tropische Infektionskrankheit wie Dengue- und Chikungunya-Fieber oder Hirnhautentzündung. Das Denguevirus gehört zu den sich am schnellsten ausbreitenden Erregern. Laut Weltgesundheitsorganisation erkranken weltweit 100 Millionen Menschen an der Infektionskrankheit. Als Risikogebiete gelten Laos, Thailand, die Philippinen, Indonesien, Australien und Brasilien – bislang. Denn Tigermücken wurden bereits in Italien entdeckt. Dass die Verbreitung von tropischen Viruserkrankunge in Deutschland ein durchaus realistisches Szenario ist, zeigt der Ausbruch von Chikungunyafieber in Frankreich im vergangenen Jahr.
Der Schuldige hierfür ist nicht allein der Klimawandel, sondern vor allem die Globalisierung. „Mücken fliegen gern in Autos“, erläutert Rose. Schließlich riecht es in den Sitzen so gut nach Mensch.
Einmal eingestiegen, ist es für die Blutsauger kein Problem als blinder Passagier von Italien über die Alpen nach Bayern zu gelangen. Wenn sie den Virus bereits in sich tragen oder sich in Deutschland einen Wirt suchen, der einen tropischen Virus in sich trägt, nimmt die Tragödie seinen Lauf. Die Folge: Die Tigermücken verbreiten die Infektionskrankheit munter weiter.
Rose hält es zudem für sehr gut möglich, dass sich die Tigermücke an die kälteren Gegebenheiten in Deutschland assimilieren kann.
Ein weiteres Forschungsthema tut sich auf: „Inwieweit passen sich Mücken dem kühleren Klima an?“ Die Gefahr von Malaria hingegen ist nach Auffassung von Biologe Rose geschwunden. In den 50er Jahren grassierte der Virus in Ostfriesland. Mittlerweile sind die Sümpfe, die als Brutstätte dienten, ausgetrocknet. Zudem werde Malaria von deutschen Ärzten besser erkannt und behandelt, so der Experte.
Viele der Krankheiten müssen erst noch genauer erforscht werden, erläutert Rose. Das sei ein weiteres Ziel des Mücken-Monitorings.
Dann könnten auch heimische Hausärzte darauf vorbereitet werden, dass Patienten mit tropischen, zum Teil äußerst gefährlichen Krankheiten vor ihnen sitzen, die in letzter Zeit gar nicht im entfernteren Ausland unterwegs waren.