RUMMELSBERG – Heute ist Tag der Querschnittlähmung. Seit 2019 wurden 3600 Patienten in Rummelsberg behandelt.
Am 5. September 2025 ruft die Internationale Rückenmarkgesellschaft zum Internationalen Tag der Querschnittlähmung auf. Dr. Matthias Ponfick, Chefarzt des Querschnittzentrums am Krankenhaus Rummelsberg, ordnet die Erkenntnisse zu einer aktuellen Studie ein, welche die Deutschsprachige Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) anlässlich des Aktionstages veröffentlicht hat. Konkret geht es um die aktuellen Ergebnisse der German Spinal Cord Injury Survey, kurz GerSCI-Studie. Die von der Klinik für Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg koordinierte Befragungsstudie liefert umfassende Einblicke in die Lebensrealität von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland. An der nach 2017 zum zweiten Mal durchgeführten internationalen Studie nahmen 2023/2024 weltweit 32 Länder teil. In Deutschland beteiligten sich 15 Zentren der DMGP.
Rund 23.600 betroffene Personen wurden kontaktiert, von denen 2.670 die 90 Fragen der Umfrage beantwortet haben. Rund 20 Prozent aller Querschnittlähmungen in Deutschland sind durch Stürze verursacht, die meisten führen zu Lähmungen an Armen und Beinen (Tetraplegie). Die Ergebnisse zeigen schwerwiegende Folgen der Querschnittlähmung auf, die weit über die allgemein bekannte Rollstuhlabhängigkeit hinausgehen. Erstens: Fast 50 Prozent aller Befragten leiden unter ausgeprägten bis extremen Schmerzen. Zweitens: Über ein Drittel berichten über erhebliche Beeinträchtigungen der Blasen- und Darmfunktion. Drittens: Über 40 Prozent berichten über erhebliche Einschränkungen der sexuellen Funktionen.
„Die GerSCI-Zahlen machen deutlich: Eine Querschnittlähmung bedeutet einen massiven Verlust an Selbstständigkeit und Lebensqualität und stellt eine große Herausforderung hinsichtlich der medizinischen Versorgung, der Hilfsmittelversorgung und der gesellschaftlichen Teilhabe dar. Umso wichtiger sind öffentliche Präventionskampagnen zur Aufklärung über Sturzrisiken bei jungen (Kopfsprung in flaches Wasser) und über Maßnahmen zur Sturzvorbeugung bei älteren Menschen (Sturz im häuslichen Umfeld)“, betont PD. Dr. med. Andreas Badke, erster Vorsitzender der DMGP. Die Wiederholung der GerSCI-Erhebung ermöglicht erstmals Aussagen zu zeitlichen Trends als Grundlage für gezielte Verbesserungen der Versorgung und Inklusion. Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern wird helfen, strukturelle Schwächen in der Versorgung von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland zu identifizieren und politische Handlungsfelder aufzuzeigen.
Regionales Querschnittzentrum
Die Ergebnisse der Studie liegen auch Chefarzt Dr. Matthias Ponfick vor, der das Zentrum im Herbst 2017 am Krankenhaus Rummelsberg gründete und seitdem medizinisch leitet. Damals war das Zentrum deutschlandweit das 28. seiner Art. Seit 2019 bis heute wurden bislang 3600 Patienten behandelt. Zu den Erkenntnissen der Studie sagt der Neurologe: „Die Studie ermöglicht einen seltenen Einblick in die Versorgungsrealität von Menschen mit Querschnittlähmung, der uns in der Klinik – trotz des Angebots der lebenslangen Nachsorge – häufig verwehrt bleibt. Zudem zeigt sich im Vergleich zu 2017, dass zehn Prozent weniger Teilnehmer einer bezahlten Arbeit nachgehen. Dies kann zum einen durch den demografischen Wandel bedingt sein, zum anderen auch die Schwierigkeit der aktuellen wirtschaftlichen Lage darstellen, mit welcher Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind.“
Zwar seien die Unfälle erfreulicherweise rückgängig, von leerstehenden Betten kann jedoch keine Rede sein. „Durch den demografischen Wandel und das höhere Alter nimmt der Anteil der Querschnitte, welche erkrankungsbedingt sind, zu. Zusätzlich besitzen ältere Menschen bereits häufig schon mehrere Nebenerkrankungen, die ebenfalls behandelt werden müssen“, weiß Ponfick, dessen Zentrum von der DMGP als Querschnittgelähmten-Zentrum zertifiziert ist. Die Bedeutung für Menschen mit Behinderung hat man in Rummelsberg erkannt – und das werde auch im gerade entstehenden Neubau berücksichtigt. Ponfick erklärt: „Wir bekommen mehr Betten und mehr Ausstattung. Das ist ein klares Signal der Verantwortlichen und der Sana Kliniken AG, dass Medizin für Menschen mit Behinderung notwendig ist – und ein tolles Signal für den Standort Rummelsberg.“
Im Neubau der Klinik wird das Angebot von bislang 35 auf 44 Betten in der Querschnittmedizin erhöht. Durch die Leistungserweiterung um die Bereiche Gastroenterologie und Viszeralchirurgie hat sich seit Frühjahr das Angebot für Patienten mit Querschnittlähmung vor Ort noch einmal erweitert. Eine regelhafte Darmkrebsvorsorge für Querschnittgelähmte ist möglich und zudem kann durch die beiden Abteilungen das Angebot an Maßnahmen zur Regulierung der Mastdarmtätigkeit und dadurch ein querschnittspezifisches Mastdarmmanagement angeboten werden.