Vier Mittelschulen im Landkreis vor dem Aus?

Sie stellen dem dreigliedrigen Schulsystem kein gutes Zeugnis aus (von links): Fritz Schäffer, beim BLLV zuständig für die Schulpolitik, Verbandspräsident Klaus Wenzel und BLLV-Bezirksvorsitzender Gerhard Gronauer. Foto: Sichelstiel
Sie stellen dem dreigliedrigen Schulsystem kein gutes Zeugnis aus (von links): Fritz Schäffer, beim BLLV zuständig für die Schulpolitik, Verbandspräsident Klaus Wenzel und BLLV-Bezirksvorsitzender Gerhard Gronauer. Foto: Sichelstiel2011/12/34434_bllvstudiewenzelklausstudie_New_1322816470.jpg

NÜRNBERGER LAND — Es ist ein düsteres Bild, das der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband zeichnet: Das dreigliedrige Schulsystem steht im Nürnberger Land – wie in vielen anderen bayerischen Landkreisen – vor dem Aus, weil die ersten Mittelschulen schon 2014 wegen fehlender Schüler geschlossen werden müssen. Ein Horrorszenario? Eher eine zurückhaltende Prognose, sagt die Pädagogen-Gewerkschaft.

Fritz Schäffer, der beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Abteilung für Schulpolitik leitet, ist Herr über viele Grafiken und Karten. Eine zeigt die bayerischen Landkreise. Einige Flächen darauf sind schwarz eingefärbt, andere schimmern in einem hellen Grau. Je dunkler der Landkreis, erklärt Schäffer, umso schlimmer sei die Situation der Mittelschulen vor Ort. Auf dem Laptop hat er auch noch eine zweite solche Karte gespeichert. Sie zeigt das Jahr 2030 – und viele, viele dunkle Flecken. Rund die Hälfte aller Mittelschulen im Freistaat sei bis dahin geschlossen, meint der Mann von der Berufsorganisation, die in den vier Kreisverbänden Lauf, Hersbruck, Altdorf und Schnaittach rund 750 Mitglieder hat.

Die einstige Hauptschule hat es trotz ihres neuen Namens schwer: Sie leidet nicht nur darunter, dass es immer weniger Schüler gibt, sondern auch unter dem, was Schäffer „Übertrittsentwicklung“ nennt. Eltern schicken ihre Kinder viel lieber auf die Realschule oder das Gymnasium. Das Nürnberger Land ist ein gutes Beispiel. Nur mehr rund 35 Prozent aller Schüler besuchen hier die Mittelschule. In der Oberpfalz gibt es Landkreise, in denen diese Quote bei 44 Prozent oder sogar höher liegt. Aber überall gilt: Tendenz sinkend.

Ums Nürnberger Land geht es an diesem Tag. Schäffer präsentiert mit Klaus Wenzel, dem BLLV-Präsidenten aus Schnait­tach, und anderen BLLV-Mitgliedern in Rückersdorf die jüngst erschienene Studie zur Zukunft der wohnortnahen Schule (die PZ berichtete). Das Papier zeigt, wie sich die Schullandschaft in Bayern entwickeln wird. Basis sind umfangreiche Daten des Landesamts für Statistik. Man habe, so die Berufsorganisation, daraus eher vorsichtige Schlussfolgerungen gezogen.

Um es kurz zu machen: Der Landkreis ist kein schwarzer Fleck auf Schäffers Karte, er steht am besten da unter allen mittelfränkischen Flächenlandkreisen. Rosig sind die Aussichten aber auch nicht gerade. Spätestens 2020, so die Studie, wird es vier Mittelschulen weniger im Landkreis geben. Das große Sterben wird laut BLLV bald einsetzen: „Spätestens 2014 werden die ersten Mittelschulverbünde zusammenkrachen“, sagt Klaus Wenzel, der Präsident des Verbands. In Erlangen-Höchstadt seien sogar drei Viertel aller Mittelschulen von der Schließung bedroht.

Welche Standorte es im Nürnberger Land treffen wird, ist kein Geheimnis. Es sind die kleinen Orte im Hersbrucker Raum: Happurg, Pommelsbrunn und Velden. Die Hauptschule Hammerbachtal existiert sowieso nur noch auf dem Papier; die letzten Schüler pendeln inzwischen nach Hersbruck.

Wirklich gut sind nur die Zahlen der großen Röthenbacher Mittelschule, für alle anderen Orte im Landkreis prophezeit der BLLV bis 2030 die Einzügigkeit. Das bedeutet: eine einzige Klasse pro Jahrgangsstufe. Und wie attraktiv solche Schulen dann noch seien, könne man sich ja denken, sagen die BLLV-Funktionäre.

Sie haben ihre Lehren aus den jahrelangen Scharmützeln mit der CSU-Regierung gezogen und fordern explizit keine Gemeinschaftsschule. „Wir zeigen nur verschiedene Modelle auf“, sagt Wenzel. Und die besagen: Vielerorts kann die wohnortnahe Schule nur dann erhalten werden, wenn der Freistaat das dreigliedrige Schulsystem aufgibt – ausgenommen sind da eigentlich bloß die großen Städte.

Bei einer Zusammenlegung von Mittel- und Realschule hätten neben der Hauptschule Hammerbachtal wohl nur die Standorte Happurg und Pommelsbrunn Probleme mit dem Schülermangel. Akut von der Schließung wären sie dann allerdings nicht mehr bedroht. Eine Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse würde langfristig jedem Ort die Schule sichern.

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„Unser größter Gegner dabei“, so Wenzel, „ist nicht einmal mehr die Staatsregierung, sondern der Realschullehrerverband“. Der fürchtet unter anderem um die Qualität der mittleren Reife. „Aber die Realschule wird die nächste Schulart sein, die nicht mehr genügend Schüler hat“, sagt der BLLV-Präsident.

Für ihn ist klar: Der Freistaat wird die Dreizügigkeit aufgeben müssen. Tut er es nicht, so ist eine Zentralisierung des Schulsystems die Folge. Schon jetzt schrumpfen die Dörfer. Wenn die Kinder dann auch noch in die nächstgelegene Stadt pendeln, um dort die Mittelschule zu besuchen, sei dieser Sog kaum mehr aufzuhalten.

Andreas Sichelstiel

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