ALTDORF – Ein Schwimmkurs für jeden: Alexander Gallitz unterrichtet Kinder mit und ohne Behinderung im Altdorfer Freibad. Spielerisch und ohne Druck lernen sie, wie sie sich sicher im Wasser bewegen.
Schwimmnudeln liegen in verschiedenen Farben am Beckenrand. Eine Gruppe Kinder macht sich auf den Weg ins Wasser. Auf manchen Gesichtern zeigt sich Begeisterung, auf anderen eher Skepsis. Im Altdorfer Freibad finden gerade die Schwimm-Lern-Wochen statt, initiiert vom Ezelsdorfer Alexander Gallitz. Insgesamt drei Wochen lang geht die Aktion, die einzelnen Gruppen lernen jeweils eine Woche lang – unterrichtet von fünf bis sechs Schwimmlehrern – das Wasser kennen. Am Vormittag in Lauf, am Nachmittag in Altdorf. Gallitz ist Vorstand der Stiftung Deutschland Schwimmt, die Schwimmunterricht für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung anbietet und Menschen mit Behinderung zu Schwimmlehrern ausbildet.
Seit vielen Jahren unterrichtet Gallitz jetzt schon, mit der Pandemie kam allerdings eine Zwangspause. Wegen der monatelang geschlossenen Bäder können aktuell mehr Kinder denn je nicht gut genug schwimmen. „Ich habe die große Befürchtung, dass in zehn Jahren, wenn sie alle Jugendliche sind und an Baggerseen fahren, mit Partys, mit Gruppenzwang, viele nicht gut genug schwimmen können“, sagt er. Als Präsident des Deutschen Schwimmlehrerverbandes setzte er sich deshalb für die Öffnung der Schwimmbäder ein: „Für uns heißt das, wir müssen viel mehr Gas geben, um die Defizite abzuarbeiten.“
Nicht-Schwimmer wegen Corona
Und das versuchen sie in diesen Wochen im Altdorfer Freibad. Wichtig ist Gallitz und seinem Team, dass die Kinder Spaß dabei haben. „Wir sind hier mit fünf oder sechs Lehrern. Wir haben viel Spaß und unser Ziel ist es, den Kindern spielend schwimmen zu lernen. Damit sie den Bewegungsraum Wasser für sich selbst entdecken.“ Ein Punkt, den Gallitz oftmals an Kursen bei anderen Anbietern kritisiert: Häufig lernten die Kinder dabei nur die Bewegungsabläufe der Schwimmarten. „Das finde ich sehr schade. Es bringt nichts, wenn die Kinder von A nach B kommen. Wir brauchen wassersichere Kinder“, sagt er, „es geht ja darum, wenn die Kinder mal vom Steg fallen oder vom Boot fallen, dass sie sich gut retten können.“
Dazu gehöre aber mehr als das Üben der Schwimmtechniken: „Bei uns lernen sie, mit offenen Augen zu tauchen, das Reinspringen und sich im Wasser auf den Rücken zu legen und den Seestern zu machen. Denn dann kann man warten, bis Hilfe kommt, das können hier alle. Die Eltern sind happy, dass wir ihnen das beibringen“, sagt Gallitz.
Der simulierte Dschungel macht Spaß
Die Kinder sind inzwischen im Wasser angekommen und halten sich aufgereiht nebeneinander am Beckenrand fest. Angetrieben von den Lehrern hangeln sie sich von der einen Seite zur anderen. Gallitz erklärt: „Das Äffchen-Spiel dient zur Aufwärmung.“ Die Äffchen, das sind die Kinder. „Sie sind im Dschungel und da gibt es Regen und dann Sturm“, sagt er. Die Schwimmlehrer gehen auf und ab , mal gibt es eine Dusche mit der Gießkanne oder sie spritzen im Schwimmbecken von der Seite etwas Wasser auf die Kleinen. Der Unterricht ist ein Erlebnis, alle Übungen sind in Spiele verpackt. „Das ist eine Riesengaudi. Die Kinder lieben das ohne Ende“, ist Gallitz überzeugt.
Einen weiteren Zweck hat die Aufwärmübung. Der Schwimmlehrer erklärt: „Du siehst auch sofort, bei wem du vorsichtiger sein musst.“ Denn jedes Kind ist unterschiedlich, das merkt Gallitz gerade im Schwimmkurs: „Es gibt die Helden, die springen rein und tauchen. Es gibt die Vorsichtigen und ängstlichen, aber auch sehr schwierige Kinder. Es ist uns aber wichtig, dass auch solche Kinder das Schwimmen lernen.“
Integration liegt ihm deshalb besonders am Herzen. Auch Kinder mit Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten nehmen an seinen Kursen teil. „Unsere Philosophie ist: Jedes Kind soll schwimmen lernen oder zumindest die Chance erhalten“, sagt er. In diesem Jahr nehmen darüber hinaus auch zwei jugendliche Geflüchtete aus dem Irak teil. Den Kurs der beiden zahlt der Helferkreis aus Oberferrieden. Da beide so viel Spaß im Wasser hatten, entschied sich die Stiftung von Gallitz, ihnen nochmals eine Woche zu spendieren.
„Wir sind sehr zufrieden“
Die zweite Woche der Aktion ist inzwischen vorbei, bis dato haben Gallitz und seine Kollegen bereits rund 35 Seepferdchen abgenommen. „Wir sind sehr zufrieden“, lautet daher sein Zwischenfazit. Nur anhand der vergebenen Seepferdchen will er den Erfolg aber nicht festmachen. Denn das Seepferdchen sage noch nichts darüber aus, ob die Kinder schwimmen können. „Ich hatte Kinder mit Seepferdchen, denen hast du Wasser über den Kopf geschüttet, und dann sind die untergegangen, weil sie nie gelernt haben, richtig zu tauchen“, sagt Gallitz.
Der Ezelsdorfer ist sich bewusst, dass nicht jedes Kind eine Wasserratte wird. „Aber wichtig ist es natürlich, dass sie zumindest an Wasser gewöhnt sind und es ihnen Spaß macht“, stellt er klar. Durch den integrativen Anspruch ermöglicht Gallitz jedem Kind, ohne Druck das Element Wasser kennenzulernen. Darüber hinaus wissen die Kinder nach dem Kurs durch die gelernten Techniken wie dem Seestern, wie sie sich in Notsituationen verhalten müssen.
Für die Kurse der nächsten Woche sind noch Plätze frei und Gallitz hofft auf weitere Anmeldungen. „Es wäre schade, wenn die Plätze nicht besetzt wären. Wir sind hier mit fünf, sechs Lehrern, das kriegst du sonst nirgends“, sagt er. Die Schwimmlehrer können so auf die individuellen Fähigkeiten der Kinder eingehen und sie auch mal abseits der Gruppe unterrichten.