ALTDORF – Im Stadtrat sitzen sie sich direkt gegenüber: Kurt Eckstein (CSU) und Rudi Lodes (SPD). Nach Jahrzehnten politischen Engagements ziehen sie sich nun zurück. Ein Blick in Vergangenheit und Zukunft.
Kurt Eckstein (CSU) und Rudi Lodes (SPD) haben über Jahrzehnte Altdorfs Entwicklung mitgestaltet. Dem nächsten Stadtrat werden die erfahrenen Lokalpolitiker nicht mehr angehören. Sie setzen sich zur Ruhe.

Viele Jahre Hetzerei
„Ein Buch könnte ich schreiben“, sagt Kurt Eckstein, wenn man mit ihm über Politik spricht. Aber mit dem Buch ist das so eine Sache. „Am Ende bin ich dann zu faul“, feixt der langjährige Altdorfer Stadtrat und ehemalige Landtags- und Bezirkstagsabgeordnete und lehnt sich gemütlich in seinem Sofa zurück.
Zu faul? Kann man das sein, wenn man sich über 42 Jahre für Altdorf engagiert hat? Im Stadtrat und seinen diversen Ausschüssen? Und dann die Fahrten nach München in den Landtag, am Dienstag oder Donnerstag abends ins Rathaus, nach der Stadtratssitzung dann zum Bahnhof, anderthalb Stunden Zugfahrt in die Landeshauptstadt. Und zu Ausschusssitzungen in Altdorf oder in Lauf – Eckstein ist ja auch Kreistagsabgeordneter – wieder zurück ins Nürnberger Land. Das war über viele Jahre eine Hetzerei. Faule Leute hätten das nicht so ohne weiteres mitgemacht.
Vermutlich schiebt Kurt Eckstein sein Buchprojekt nicht aus Bequemlichkeitsgründen auf, sondern weil das Werk einfach zu umfangreich werden würde. So viel hat er zu erzählen. Fünf Bürgermeister hat er erlebt, vier in Altdorf als Stadtrat: Kurt Purucker, Friedrich Weißkopf, Rainer Pohl und Erich Odörfer und zuvor über sechs Jahre als Gemeinderat in Pühlheim Bürgermeister Eckstein, nicht verwandt mit ihm.
Seit seinem 16. Lebensjahr ist Kurt Eckstein in der Politik, zuerst in der Jungbauernschaft, dann in der Jungen Union, die er in Altdorf 1973 zusammen mit Dr. Johann Pölloth gründete. Gemeinderat in Pühlheim war er von 1972 bis 1978, dann kam die Gemeinde zu Altdorf, wo er seit 1978 Stadtrat ist und bei Kommunalwahlen immer Ergebnisse holte, die sich sehen lassen können. Als Landespolitiker mit Sitz im Haushaltsausschuss im Maximilianeum konnte er immer unmittelbar beobachten, wie sich Münchner Beschlüsse auf lokaler Ebene abbildeten. „Schon vor 30 Jahren habe ich dafür plädiert, die Straßenausbaubeitragssatzung abzuschaffen“, sagt er. Damals hat keiner auf ihn gehört. Am Ende griff der politische Gegner das Thema auf und konnte punkten.
Früher gingen Politiker entspannter miteinander um
Kommunalpolitik war in den späten 70er und in den 80er Jahren leichter als heute. Den Satz unterstreicht Kurt Eckstein. Leichter auch deshalb, weil die Protagonisten entspannter miteinander umgingen. Nach den Sitzungen im Rathaus war es üblich, dass die Stadtratsmitglieder zusammen ins Wirtshaus gingen. Später dann, erinnert sich Eckstein, unter der Amtszeit von Bürgermeister Rainer Pohl, ging man zwar auch noch ins Wirtshaus, dann blieben aber die Fraktionen unter sich. Und heute ist der Wirtshausbesuch im Anschluss an Stadtratssitzungen eine Seltenheit. Alles ist ein bisschen verbissener geworden. Kaum vorstellbar heute, dass während der Stadtratssitzung geraucht werden darf. Und das obligatorische Sitzungsbier, das früher auf den Ratstischen im Sitzungssaal stand, gibt es schon lange nicht mehr.
Wann ging es im Altdorfer Stadtrat besonders hoch her? Da fallen Kurt Eckstein die Diskussionen um das seinerzeit neue LAU-Kennzeichen ein, bei denen er hart angefeindet wurde, außerdem die Debatte um die Schließung der Geburtshilfestation am Altdorfer Krankenhaus und der Streit um eine eventuelle Mülldeponie auf der Dörlbacher Au. Da gab es Momente, räumt er heute ein, in denen er drauf und dran war, sein Mandat niederzulegen. Schwierige Zeiten waren das mitunter. Verstörend für den Altdorfer Stadtrat auch immer wieder Streitigkeiten im Rathaus um relativ kleine Summen. Im Haushaltsausschuss des Landtags hatte er es mit einem Finanzvolumen von 46 Milliarden Euro zu tun. „Und in Altdorf haben wir dann eine halbe Stunde über 300 Euro gestritten.“
Eine der schwierigsten und schlimmsten Situationen in seiner ganzen politischen Laufbahn war die Trauerfeier für Landrat Klaus Hartmann, nachdem dieser sich erschossen hatte. Kurt Eckstein musste als Kreisvorsitzender der CSU die Trauerrede halten.
Freundschaften über Parteigrenzen hinweg
Die guten Erinnerungen? Dass viele Freundschaften auch über Parteigrenzen hinweg entstanden sind, betont Eckstein. Und wenn man als Landespolitiker sieht, wie man auf lokaler Ebene schnell etwas bewegen kann. Die jahrelange Hängepartie etwa, beim Ausbau der Straße im Schwarzachtal von Grünsberg nach Ochenbruck, hat Eckstein seinerzeit ganz schnell beenden können, weil ihm Ministerpräsident Beckstein den Tipp gab, dass es freie Mittel gebe. Anrufe im Nürnberger Land bei den zuständigen Leuten brachten den zügigen Ausbau dann in Gang. Oder die Burgthanner Burg: Als Bezirksrat sorgte Eckstein seinerzeit dafür, dass der Bezirk für den Ankauf Gelder locker machte.
Am Donnerstag hat Kurt Eckstein seinen 74. Geburtstag gefeiert. Stadtratssitzungen wird er ab der nächsten Legislaturperiode nur noch aus der Distanz verfolgen.
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35 Jahre politisches Engagement
Auge in Auge mit dem 74-Jährigen aus der CSU-Fraktion, drei Meter entfernt am gegenüberliegenden Tisch sitzt im Altdorfer Stadtrat Rudi Lodes von der SPD. Der 75-jährige Sozialdemokrat scheidet ebenfalls aus dem Stadtratsgremium aus. Nach 35 Jahren politischen Engagements im Rathaus zieht sich Lodes zurück. 1985 kam er als Nachrücker für den ausgeschiedenen Stadtrat Rainer Müller ins Gremium. „Mit großen Zielen“, erinnert er sich. Und mit Elan und Fleiß hat er sich damals in die Stadtratsarbeit gestürzt, hat in Ausschüssen mitgearbeitet, in Wasserzweckverbänden und im Aufsichtsrat der Stadtwerke und wurde als bekanntes Altdorfer Gesicht, das über Jahrzehnte auch für die AWO stand, bei allen Kommunalwahlen wieder mit guten Ergebnissen in den Stadtrat gewählt.
Die jungen Leute möchte ich mal in 10 Jahren hören
Dass Lodes kein Mainstreampolitiker ist, wissen alle Altdorfer, die hin und wieder als Zuschauer an Stadtratssitzungen teilnehmen. Mit seiner eigenen Fraktion hat er regelmäßig gestritten, wenn ihm deren Position nicht passte. Dann scheute er sich nicht, mit dem politischen Gegner zu stimmen. Als Außenseiter bezeichnet er sich deshalb in der Rückschau.
In der Grundstückspolitik ist aus seiner Sicht in Altdorf einiges falsch gemacht worden. Hier fehlt Lodes das soziale Element. „Bei der Beschaffung von Gewerbegrundstücken ging vieles, im sozialen Wohnungsbau fast nichts.“ Der Graffiti-Park? „Da wünsche ich den Bürgern, dass er funktioniert und nicht nur ein Hundeausführplatz wird.“ Eine Veranstaltungshalle für Altdorf? „Schon vor Jahren habe ich einen Antrag für ein Hotel und eine Festhalle am Haltepunkt West gestellt und wurde damals nur belächelt.“ Bauplätze in Altdorf? „Ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, aber die jungen Leute, die heute alle von Bauverboten sprechen, möchte ich mal in zehn Jahren hören, wenn sie selbst Wohnungen suchen.“
Die derzeitige Entwicklung in der Kommunalpolitik ist nach Lodes‘ Überzeugung bedenklich. Politik werde nicht mehr in den Parlamenten gemacht, sagt er, „sondern von Interessenvertretern wie Bund Naturschutz, Bienenliebhabern und Abmahnvereinen.“ Und die von Teilen seiner Partei und den Grünen propagierte neue Verkehrspolitik mit Radschnellwegen ist auch nicht Lodes‘ Sache. Dabei ist er passionierter Radler, Urlaube macht er mit dem Fahrrad, mit Jugend- und Erwachsenengruppen.
Und über was freut er sich in seiner Bilanz besonders? Dass ihm die Nürnberger Nachrichten als Arbeitgeber immer mit flexiblen Arbeitszeiten ermöglichten, an den Sitzungen von Stadtrat und Ausschüssen teilzunehmen. Und dass es ihm gelungen ist, die AWO-Begegnungsstätte und einen AWO-Kinderhort in Altdorf zu etablieren.
Ein Buch schreiben, wie Kurt Eckstein erzählt, das könnte er auch, sagt Rudi Lodes. Das wäre dann aber ein Buch über die zahllosen Radtouren, die er in den vergangenen Jahren unternommen hat. Nicht über die Lokalpolitik.