NÜRNBERGER LAND – Es ist eine Krankheit, über die die Medizin noch nicht viel weiß, die Betroffene aber schwer belastet: das Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS) oder Myalgische Enzephalomyelitis (ME). Menschen, die darunter leiden, sind chronisch erschöpft oder spüren nach einer Belastung eine langanhaltende Erschöpfung. Im Nürnberger Land hat sich nun eine Selbsthilfegruppe gegründet, in der sich Betroffene austauschen können. Am heutigen Montag, 8. Februar, von 14.30 bis 16 Uhr gibt es einen ersten Videochat.
Initiiert hat die Selbsthilfegruppe Brigitte Bakalov, Diplom-Sozialpädagogin bei der Selbsthilfeorganisation Kiss. Auslöser, dieses Angebot auch im Landkreis Nürnberger Land zu machen – in Mittelfranken gibt es bereits zwei Chronic-Fatigue-Syndrom-Selbsthilfegruppen – waren Berichte, wonach viele Covid-19-Patienten nach ihrer offiziellen Gesundung an dem Syndrom leiden. „Corona war der Auslöser, das Thema nun auch im Landkreis anzugehen“, sagt Bakalov.
Bisher haben zwei moderierte Schreibchats stattgefunden. „Wir wollten den Menschen die Möglichkeit geben, sich erst einmal vorsichtig zu öffnen, bevor wir in den direkten Kontakt gehen.“ Das Bedürfnis, sich weiter auszutauschen, sei nach den ersten Veranstaltungen „groß gewesen“, schildert Bakalov. So hätten Betroffene, darunter bislang kein Covid-19-Patient, geschildert, wie sich das Chronic-Fatigue-Syndrom auf ihr Leben auswirke, dass sie sich etwa nach alltäglichen Aktivitäten wie einem Spaziergang oder einem Einkauf teils stunden- oder tagelang erholen müssten und auch nach dem Schlafen nicht ausgeruht fühlten. „Hinzu kommen häufig Konzentrationsstörungen, Reizempfindlichkeit, Kopf- und Gliederschmerzen. Die Betroffenen leiden sehr.“
Dies werde noch dadurch verstärkt, dass den Erkrankten oft nicht geglaubt werde oder die Beschwerden relativiert würden. Auch weil die Erkrankung noch so unbekannt sei. „Man traut sich deshalb gar nicht, darüber zu sprechen.“ In der Selbsthilfegruppe gehe es darum, alles sagen und fragen zu dürfen und durch den Erfahrungsaustausch zu lernen, „ich bin nicht allein und vor allem, ich bin in Ordnung“. Häufig fehle Menschen mit dieser Erkrankung die Selbstliebe: „Sie zweifeln an sich, weil sie nicht mehr leistungsfähig sind.“ Aber auch konkrete Tipps werden in der Gruppe ausgetauscht. „Dem einen hilft das, dem anderen das. Schon allein das zu hören, ist für die Betroffenen motivierend.“
Online-Selbsthilfeangebote werden bei Kiss auch in Zukunft ein fester Bestandteil des Programms sein. Dafür gibt es jetzt „Kiss.On“ als eigene Plattform. Die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie haben laut Brigitte Bakalov die ohnehin schon geplante Entwicklung nur noch beschleunigt. Bereits jetzt gebe es über 60 Gruppen, die sich online treffen und austauschen.
Zu „Kiss.On“ gelangt man über die Mittelfrankenseite der Organisation unter www.kiss-mfr.de/online-treff. Wer Interesse an der Selbsthilfegruppe hat, der sollte sich per E-Mail an [email protected] anmelden. Nach eingegangener Anmeldung wird der Link zum virtuellen Raum per E-Mail verschickt. Nähere Infos gibt es am Telefon unter 09151/90 844 94.
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Immer mehr Ärzte halten CFS für eine Multisystemerkrankung, die Immunsystem, Nervensystem und dEnergiestoffwechsel beeinflusst. Wie viele Menschen die Erkrankung haben, ist nicht klar. In Deutschland könnte es laut Schätzungen von Patientenorganisationen bis zu 300 000 Betroffene geben.