Vor fünfzig Jahren kamen die ersten Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Aus diesem Anlass hat die deutsch-türkische Autorin Lale Akgün jetzt in der Röthenbacher Stadtbücherei gelesen – auf Einladung des SPD-Ortsvereins.
Die ehemalige Bundestagsabgeordnete las Passagen aus ihren Büchern „Tante Semra im Leberkäseland“ und „Der getürkte Reichstag“, die den Alltag ihrer eigenen, 1962 nach Deutschland emigrierten Familie wiedergeben. Lale Akgün erzählt von den ersten Kontakten ihrer Eltern zu den neuen deutschen Nachbarn, deren Cocktailparty sich als abendliches Treffen eines Bibelkreises entpuppt. Sie schildert die Bestrebungen ihres Vaters, bekennender Sozialist, den anderen Gastarbeitern den Klassenkampf nahezubringen, während diese sich doch eigentlich nur bei einem Tässchen Tee mit ihren Landsleuten austauschen möchten.
Und schließlich, in ihrem zweiten Buch, gewährt sie einen Einblick in ihren Alltag als Bundestagsabgeordnete („die exotischste Frau im Bundestag“) und Ehefrau eines Mannes, der ganz und gar nicht dem Klischee des türkischen Patriarchen entspricht.
Manche der geschilderten Situationen kommen einem bekannt vor, sind vielleicht schon so klischeehaft, dass man sie kaum glauben mag – haben wir in fünfzig Jahren wirklich so wenig dazugelernt? Und doch unterscheiden sich Akgüns Bücher von den derzeit so beliebten Multi-Kulti-Biographien. Denn hier spricht jemand, dessen Interesse weit davon entfernt liegt, die interkulturellen Unterschiede, die man nun mal nicht wegreden kann, zu bloßen Schenkelklopfer-Witzen zu verwursten.
„Ich habe das Thema ja schon auf unterschiedlichste Art behandelt, aber ich denke, dass ich mit diesem Buch mehr zur Integration beigetragen habe als so manche politische Veranstaltung“, sagt sie über ihr erstes Buch „Tante Semra im Leberkäseland“, das bereits 2008 erschienen ist. Und ihr selbst mache es auch einfach Spaß, Geschichten zu erzählen, in denen das menschliche Miteinander im Vordergrund stehe, und mit denen sie Menschen berühren oder zum Lachen bringen könne. Letzteres gelang ihr natürlich auch bei ihrem Röthenbacher Publikum, das nur aus einer Handvoll Zuhörer bestand. Diese aber amüsierten sich köstlich über die vielen ironischen Seitenhiebe auf die türkischen, aber auch deutschen Gewohnheiten. Julia Seuser