98-jährige Lauferin im VHS-Französisch-Kurs

Chapeau, Madame!

98-jährige Lauferin im VHS-Französischkurs
Sprechen auf Französisch über Fahrräder und Politik: die VHS-Kursteilnehmer in „Französische Konversation“ mit der 98-jährigen Paula Froschauer (Mitte, blaues Oberteil) und Leiterin Josiane Riess (rechts daneben). | Foto: Kirchmayer2017/06/Paula-Froschauer-Franzosisch-Konversation-98-Jahre-VHS.jpg

LAUF — Zum Lernen ist es nie zu spät, sagt ein Sprichwort. Paula Froschauer nimmt sich das zu Herzen. Die Lauferin besucht den VHS-Kurs Französische Konversation – mit 98 Jahren.

Heute steht Verkaufen und Verhandeln auf dem Stundenplan. „Wie viel möchtest du für das Wörterbuch?“, fragt ein Teilnehmer des VHS-Kurses „Französische Konversation“. Französischer Wein oder gebrauchte Fahrräder wechseln virtuell den Besitzer.

Die frankophonen Kursteilnehmer im PZ-Kulturraum in Lauf sind längst nicht nur dem Schulalter entwachsen – die meisten haben auch das Arbeitsleben schon hinter sich. Das mag auch daran liegen, dass der Kurs Montag vormittags stattfindet. Paula Froschauer ist dennoch eine Ausnahme. Sie könnte die Mutter der anderen Teilnehmer sein. Sie ist 98 Jahre alt – die Älteste mindestens im Bereich der VHS Unteres Pegnitztal.

„In meinem Alter geht es darum, dass ich jemanden sehe, mit jemandem zusammenkomme und dass ich intelligente Menschen treffe“, sagt sie selbstbewusst. Sie und die anderen Kursteilnehmer wollen keine neue Sprache lernen. Es geht fast allen darum, das, was man einst wusste, nicht komplett zu vergessen, erklärt Kursleiterin Josiane Riess. „Sie wollen mehr oder weniger auf ihrem Sprachniveau bleiben“, sagt die 65-Jährige aus der französischsprachigen Schweiz über ihre Schüler.

Leben und Arbeiten in Paris

Auch für Froschauer ist Französisch keine ganz neue Herausforderung. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kam sie im Saarland zur Welt und wuchs dort unter französischer Verwaltung auf. Schon in der Schule lernte sie die Sprache.
Später, in den 1960ern und 1970ern, arbeitete sie acht Jahre lang als Krankenschwester in einem Pariser Krankenhaus. Dort sagte man nicht etwa sœur, also Schwester, sondern „madame“, erinnert sie sich mit einem Lächeln im Gesicht.

Grande Dame Paula Froschauer.
Grande Dame Paula Froschauer. | Foto: Kirchmayer2017/06/Paula-Froschauer-98-Jahre-VHS-Kurs-Franzosisch-e1496416728493.jpg

Ausgerechnet unter einem jüdischen Arzt arbeitete sie. Der Ungar konnte zwar selbst Deutsch, aber um ihr Französisch zu perfektionieren, unterhielt er sich mit Froschauer nur in der Landessprache. Eines Tages, erinnert sie sich, habe er sie auf Deutsch angesprochen. „Jetzt plötzlich?“, wunderte sie sich. Jetzt könne sie ja auch gut genug Französisch, entgegnete der Arzt. Vorbehalte habe es in Paris kaum gegeben, trotz der drei blutigen Kriege zwischen den beiden Nachbarstaaten. „Die Franzosen waren sehr nett und freundlich zu mir.“

Über Saarbrücken kam sie vor 16 Jahren nach Lauf, wo ihr zweitgeborener Sohn lebt. Der älteste ist mittlerweile gestorben, der jüngere wohnt noch in Saarbrücken. „Ich pendele hin und her“, sagt Froschauer. In Lauf wohnt sie nach wie vor in einer eigenen Wohnung und kommt größtenteils gut zurecht. Nur eine Putzfrau leistet sie sich mittlerweile.

Kursteilnehmer sind Freunde geworden

Seit sechs Jahren ist Froschauer im Kurs von Josiane Riess. Die Teilnehmer sind mittlerweile eine Art Freundeskreis geworden, manche sind seit vielen Jahren dabei. Nach dem 90-minütigen Kurs treffen sich alle jede Woche noch in einem Café. Gesprochen wird dann aber auf Deutsch, verrät Riess. Schließlich wolle jeder etwas von sich erzählen. Das ginge auf Deutsch dann doch besser.

Eigentlich wollte Froschauer schon in Saarbrücken einen Französisch-Kurs an der VHS belegen. „Machen Sie das nicht, beim nächsten Mal haben Sie alles vergessen“, belehrte sie damals eine Lehrerin. Darüber kann Froschauer heute nur schmunzeln. Sie belegte dann stattdessen einen Englischkurs.

Mit 75 dachte Paula Froschauer, lange werde sie eh nicht mehr leben. „Jetzt lebe ich immer noch. Wie mache ich das nur?“ Wie lange will sie noch dabei sein und mitreden auf Französisch? „So lange wie ich kann.“

„Wir müssen sie jedes Jahr überzeugen, mitzumachen, weil sie denkt, dass sie stört“, sagt Riess. Dabei gehört Froschauer im Kurs dank ihrer Schulzeit und der Arbeit in Frankreich zu den besten Sprechern. „Est-ce je parle bien français?“, fragt die 98-Jährige sicherheitshalber ihre Kursleiterin. „Spreche ich gut Französisch?“ „Très bien“, sehr gut, ist die Antwort. Was die Aussprache angeht, sei sie eine der Besten, sagt Riess.

Französische Lektüre

Gesprochen wird über vieles. Reisen, Essen, die ehemaligen französischen Kolonien, Politik. „Die Teilnehmer wissen mehr über die Wahl in Frankreich als über die in Deutschland“, sagt Josiane Riess und lacht. Auch Bücher liest Froschauer gerne auf Französisch. Sachbücher über die Natur, aber auch Romane. „Wenn ich ein Wort nicht weiß, schaue ich im Wörterbuch nach, im dictionnaire.“

Bis vor wenigen Jahren kam die rüstige 98-Jährige noch mit dem Bus. Mittlerweile bringt sie ihr Sohn, der in Lauf wohnt, per Auto und holt sie danach wieder ab. Mit dem Laufen hat Froschauer aber keine Probleme. „Ich habe einen Stock, aber ich vergesse ihn immer“, sagt sie und lächelt verschmitzt. Auf ein gepflegtes Äußeres legt sie sichtlich Wert. Auch auf die richtige Körpersprache. Dass viele ältere Menschen wegen körperlicher Gebrechen gebeugt laufen, gefällt ihr nicht. „Man muss sich gerade halten“, sagt sie stolz und drückt demonstrativ das Rückgrat durch.

Deutschlands großer westlicher Nachbar ist für Froschauer eine Art zweite Heimat. „Ich habe halb Frankreich bereist“, sagt sie. Der Kurs reist zwar alle zwei Jahre in eine französische Stadt. Aber Froschauer kommt nicht mehr mit. Sie möchte niemanden belasten. „Es kann ja immer etwas passieren in dem Alter.“

Für ihren 100. Geburtstag hat sie ein großes Fest angekündigt. Im ­April 2019 wäre es soweit. Den Kurs will sie natürlich auch einladen. Und was kommt auf den Tisch? Was sonst: natürlich französisches Essen.

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