LAUF (ik) — Manche Träume muss man leben, findet Stephanie Melk. Der Traum der 31-Jährigen heißt Rettungsdienst. Seit April 2013 ist die Reichenschwanderin die erste weibliche Einsatzleiterin im Rettungsdienst in der Region und führt als stellvertretende Abteilungsleiterin die Rettungswache des ASB Regionalverband Nürnberger Land in Lauf.
Allein unter 16 Männern – wer die zierliche Person mit der burschikosen Frisur sieht, vermutet im ersten Moment nicht so viel Durchsetzungsvermögen. Und doch habe sie keine Probleme gehabt, sich im gemeinsamen ehrenamtlichen Führungsteam der Einsatzleiter von ASB und BRK zu behaupten, meint die 31-Jährige lachend, „die Tatsache, dass ich eine Frau bin, hat Gott sei Dank bislang keine Rolle gespielt“. Vor zehn Jahren hat die gelernte Kinderkrankenschwester als Rettungsassistentin beim ASB Lauf begonnen. „Ich habe damals gemerkt, dass mich mein Beruf nicht erfüllt“, meint Melk. Positive Erfahrungen, die sie in ihrer Jugend bei der Wasserwacht Hersbruck gemacht hatte, bestätigten sie schließlich, im Rettungsdienst zu arbeiten. Ausbildung zur Rettungsassistentin, Anerkennungsjahr, Erste-Hilfe-Ausbilderin, Kriseninterventionsberaterin und schließlich noch Lehrrettungsassistentin – die Karriere der Reichenschwanderin führte beim ASB zehn Jahre lang steil nach oben.
Als Geschäftsführer Tino Städtler sie im vergangenen Sommer fragte, ob sie sich die stellvertretende Abteilungsleitung des Rettungsdienstes vorstellen könne, sagte Stephanie Melk ohne zu Zögern zu.
„Strategische Planung, das hat mich schon immer sehr gereizt“, meint die agile Reichenschwanderin, die seit dem Sommer noch ein Studium zur Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen draufsattelt und derzeit überlegt, ob sie auch noch die Ausbildung zum Organisatorischen Leiter Rettungsdienst, der die Einsätze im Großschadens- und Katastrophenfall koordiniert, machen soll. „Das ist noch ein Ziel, das ich im Auge habe“.
Doch vorerst ist sie als Einsatzleiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin Rettungsdienst beim ASB mehr als ausgelastet. Der Schichtbetrieb, den sie schon aus ihren Jahren als Rettungsassistentin kannte, ist ihr nämlich geblieben. „Doch der belastet mich nicht, ich kenne es nicht anders“, meint sie, „und zum Glück arbeitet mein Mann auch Schicht“.
Doch trägt sie jetzt bei Rettungseinsätzen eine viel größere Verantwortung als bisher: Während sich die Kollegen bei einem Unfall um die Versorgung der Verletzten kümmern, muss Stephanie Melk vor Ort den gesamten Ablauf des Einsatzes koordinieren: Die Verteilung der Verletzten in die Krankenhäuser, den Einsatz von Rettungshubschraubern und Krankenwägen und, falls nötig, die Anforderung weiterer Einheiten, z. B. Unterstützungs- und Schnelleinsatzgruppen. Über Funk immer im direkten Kontakt mit der integrierten Leitstelle in Nürnberg, und am Einsatzort mit den Einsatzleitern von Feuerwehr, Polizei und THW.
Läuft etwas schief, haftet sie im Zweifel dafür. Doch das steckt die 31-Jährige bislang gut weg. „Ich werde im Haus intern gut unterstützt, das hilft“, meint Stephanie Melk. Und nicht zuletzt auch der Zuspruch von Familie und Freunden, die allesamt im Rettungsdienst tätig sind, „da kann ich mich austauschen“.
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Schwieriger ist es, das um zu setzten, was sie als Vorgesetzte und stellvertretende Abteilungsleiterin im Rettungsdienst auch sein möchte, nämlich Ansprechpartnerin für die 15 hauptamtlichen und ca. 30 ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen des ASB bei Sorgen und Nöten. „Manche Kollegen tun sich schwer, sich zu öffnen. Sie kommen von einem Einsatz zurück, man merkt, sie sind belastet, doch sie reden nicht darüber“, meint Stephanie Melk bedauernd.
Dabei sei es ganz wichtig, die Gefühle auch einmal rauszulassen, „es sind ja nicht nur Unfälle, zu denen wir fahren, da läuft meist Routine ab“. Psychisch viel schwerwiegender, das weiß sie aus Erfahrung, sind die sozialen Einsätze, etwa wenn Menschen schon tagelang tot in ihrer Wohnung liegen, Betrunkene randalieren und Kollegen angreifen oder wie jüngst ein Teenager den Freitod wählt, „das sind Erlebnisse, die werden nie Routine und die steckt man auch nicht so schnell weg“.
Ihr halfen dabei in der Vergangenheit stets ihre Familie, ihre Freunde und Kollegen. Und raus in die Natur zu gehen, zu laufen, abzuschalten. Wenn sie im Rettungsdienst schwere Stunden erlebt, ist sie sehr froh darüber, dass ihr eigenes Leben immer in geordneten Bahnen lief. „Ich sage mir dann immer, mein Gott, wie gut geht es Dir“.