FEUCHT – Mittlerweile kursieren die unterschiedlichsten Zahlen zu Stromkosten und Verbrauch der Obdachlosen-Container in Feucht. Ein Gespräch zwischen Bewohnern und fgw-Geschäftsführer Vollbrecht zeigt jedoch: Die Zahlen allein sagen über die Situation der Obdachlosen wenig aus.
Weil die Obdachlosen in den Containern am Ortsrand von Feucht ihren Strom mit einer Chipkarte bezahlen, die sie zuvor mit Geld aufladen müssen, kann der eine oder andere nicht heizen (wir berichteten). Das Problem: Ihnen fehlt aktuell schlicht das Geld.
Jetzt im Winter geht das an die Substanz der Bewohner. „Kaum macht man die kleine Heizung aus, zieht die Kälte durch die besagten wärmeverglasten Fenster, Wände und Türen und auch vom Boden in die Container“, schreibt einer von ihnen im Internet. Mit Hilfe der Fleißigen Bienchen, einer privaten Initiative, kämpfen die Obdachlosen für eine Verbesserung ihrer Situation.

Als Reaktion auf die Berichterstattung im Boten und in einem Fernsehbericht des Bayerischen Rundfunks hat der Markt Feucht eine Meldung veröffentlicht, in der die Zahl 1,35 Euro als täglicher Kostenpunkt für Strom auftaucht. „Woher kommt diese Zahl?“, haben die Obdachlosen wissen wollen und sich mit Raimund Vollbrecht, Chef der Feuchter Gemeindewerke (fgw), getroffen.
„Nehmen wir Container A, da haben wir eine Belegung im ganzen Jahr“, sagt Vollbrecht. „Container A, das ist?“, fragt einer der Obdachlosen. „Die Lina, das ist die Lina“, erwidert ein anderer (Namen von der Redaktion geändert).
1,35 Euro im Durchschnitt
Die 61-jährige Lina lebt seit über einem Jahr in ihrem Container. Lina ist für die 1,35 Euro verantwortlich, mit denen fgw und Markt Feucht die Kosten des täglichen Stromverbrauchs in einem Container beziffern. Die Zahl stimmt: Nimmt man Linas jährliche Stromkosten von 492,75 Euro und teilt sie durch 365 erhält man 1,35. Aber was sagt das eigentlich aus? Nicht viel, sieht man genauer hin.
Die 1,35 Euro verraten zum Beispiel nichts darüber, was die Obdachlosen an einem Wintertag verbrauchen, mit Temperaturen im Minusbereich, an dem sie durchgängig heizen müssen. Dann müssen sie nämlich mit deutlich mehr rechnen.
„Wenn die Heizung abgeschaltet wird, sind die Container sofort kalt“, erklärt einer von ihnen. Wenn die 2.000 Watt fressende Heizung 16 Stunden läuft, kostet das beim kWh-Preis von 35 Cent 11,20 Euro am Tag. Auch die Marktgemeinde räumt in ihrer Stellungnahme ein, dass „der tatsächliche Verbrauch an Tagen mit starkem Frost höher“ ist.
Noch ein weiterer Grund spricht gegen die 1,35 Euro als Beleg eines Verbrauchs, den man als Referenzgröße heranziehen kann. Die Zahl entspricht dem, was die Obdachlose Lina auf ihre Karte eingezahlt hat, dem also, was sie sich leisten konnte. Nicht aber dem, was sie tatsächlich bräuchte.
Erstattung der Stromkosten
„Das ist eine Milchmädchenrechnung“, sagen die Obdachlosen. Josef (Name von der Redaktion geändert) ärgert das: „Wenn du nur 20 Euro im Monat übrig hast, dann zahlst du nur 20 Euro ein. Aber dass von diesen 30 Tagen nur zehn Tage beheizt sind und an den anderen Tagen nichts ist, das sieht keiner.“
Lina und Josef leben wie die meisten anderen von Hartz IV. Ihnen steht pauschal ein gewisser Betrag für Wohnen und Heizen zu. In seiner Stellungnahme erklärt der Markt Feucht, darüber hinaus bekomme man „die anteiligen Kosten für die Heizung aus dem gesamten Stromverbrauch vom Jobcenter erstattet, wenn die Rechnung für die Stromkarte vorgelegt wird“.
Michael Thalheimer vom Ordnungs- und Sozialamt des Marktes Feucht bietet seine Hilfe bei der Korrespondenz mit dem Jobcenter an. Die Erstattung der Stromkosten geschieht allerdings rückwirkend, die Obdachlosen müssen also jedes mal in Vorleistung gehen.
Zwei Bewohnern fällt das besonders schwer, denn sie müssen pro Kilowattstunde (kWh) nicht nur die 35 Cent für den Strom zahlen, sondern zusätzlich 40 Cent, mit denen sie ihre Schulden bei den Gemeindewerken tilgen, die sie von einer früheren Wohnung haben. Ihnen wird pro kWh ein Betrag von 75 Cent von der Chipkarte abgezogen.
Dass sie für ihre Schulden aufkommen müssen, ist auch Ingrid Vitzthum klar. Die Helferin kritisiert jedoch, dass es noch schwerer falle, zu heizen, wenn pro kWh dieser höhere Betrag abgebucht wird.
Die Bienchen wollen erreichen, dass ihren Schützlingen die Stromkosten im Winter erlassen werden. Derweil sammeln sie Geld, das sie auf die Chipkarten aufladen.
Zuständigkeit bei Gemeinde
Zwei Stunden hat sich fgw-Chef Vollbrecht Zeit genommen. Den Austausch findet er gut. Die Verantwortung aber sieht er an anderer Stelle: „Ich kann Ihnen nicht zugestehen, dass wir den Strom vergünstigt oder umsonst heraus geben. Wir müssen zwischen der Zuständigkeit der Feuchter Gemeindewerke als Stromlieferant und der des Marktes Feucht als öffentliche Hand unterscheiden.“ Das Ganze sei ein kommunalpolitisches Thema und die fgw hätten nun mal keine Sozialtarife für benachteiligte Menschen.
Einige Verbesserungsvorschläge will er mit in seine Gremien nehmen, etwa den, ob man nicht eine energiesparendere Heizung einbauen könne.
Auch das Thema Duschen wird Vollbrecht und den Marktgemeinderat weiter beschäftigen. Die Obdachlosen haben in ihrem Container zwar ein Waschbecken, duschen aber können sie nicht. Bisher haben sie sich außen zwischen den Containern mit einer Schüssel Wasser über den Kopf geschüttet.
In Bad oder Container?
Sobald das Freibad öffnet, könnten die Obdachlosen dort vor den regulären Öffnungszeiten duschen. Ingrid Vitzthum solle sie dazu begleiten. Die findet das Angebot gut, den Vorschlag, dass sie dabei sein soll, aber nicht. „Es geht nicht. Ich kann nicht jeden Tag um halb acht im Freibad sein.“ Vollbrecht und Vitzthum wäre es ohnehin lieber, der Marktgemeinderat ließe sich bis dahin eine andere Lösung einfallen.
Herbert Bauer (CSU) hat dazu bereits einen Antrag gestellt: „Der Markt Feucht solle prüfen, wie eine frostsichere, für alle Obdachlosen zugängliche Duschmöglichkeit an der Jägersruh realisiert werden kann, und zeitnah mögliche Alternativen den gemeindlichen Gremien zur Entscheidung vorlegen.“
Zudem beantragt er, „dass die Veraltung über die Situation aller Obdachlosen in den letzten zehn Jahren berichtet und dem Marktgemeinderat die Rechtsgrundlagen für die Unterbringung vorübergehender Obdachlosigkeit erläutert.“ Vielleicht könnte in dieser Sitzung auch einer der Obdachlosen über die Situation an der Jägersruh berichten.