Diskussion mit dem Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, Thorsten Schäfer-Gümbel

Kultur für alle – denn sie ist kein Luxus

Hörte gut zu und nahm Stellung zu den Anliegen der Kunstschaffenden auf dem Podium: Thorsten Schäfer-Gümbel (Mitte). Mit in der Diskussionsrunde saßen (von links) Hans Strauß, Dr. Birgit Friedel, Reinhard Eiber und Moderator Hannes Schönfelder. | Foto: Spandler2016/12/thorsten-Schaefer-guembel1.jpg

FEUCHT – „Kultur für alle“ sollte möglich werden, denn Kultur ist kein Luxus. So lässt sich zusammenfassen, was ein Austausch von Kulturschaffenden in Feucht auf Einladung der örtlichen SPD mit dem Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, Thorsten Schäfer-Gümbel, zum Ergebnis hatte. Der Fraktions- und Landesvorsitzende der hessischen Genossen kam im zweiten Anlauf nach Feucht. Vor einem Jahr wollte er anwesend sein, als Kurt Dilfer für seine 70-jährige Mitgliedschaft in der Feuchter SPD die Ehrenmitgliedswürde erhielt, musste jedoch absagen. Den Besuch holte er in dieser Woche nach. Dafür dankte ihm Ortsvorsitzende Inge Jabs.

Hannes Schönfelder hatte die Moderation des Gesprächs im Saal der Galerie Bernstein übernommen, wo die Zuhörer zunächst einem Video lauschten, auf dem Buchhändler Karl Kuhn, der nicht live vor Ort sein konnte, zur Buchpreisbindung und anderen Themen befragt wurde. Diese Regelung sei enorm wichtig, erklärte Kuhn, schließlich sei ihr Deutschlands herausragende Buch- und Verlagskultur zu verdanken. Daher sein Appell an die Politik, sich auch weiterhin für dieses Markt-Instrument einzusetzen.

Selbstverständlich kam auch das Thema Amazon-Handel zur Sprache, der dem örtlichen Buchhändler durch seine offensichtliche Wettbewerbsverzerrung ein deutlicher Dorn im Auge ist. „Es ist einfach unmöglich, dass eine Firma ihre Steuern woanders zahlt als dort, wo sie die Einrichtungen und die Infrastruktur nutzt“, appellierte Kuhn an Schäfer-Gümpel, sich hier für die Interessen der niedergelassenen Händler stark zu machen. Von dem erhielt er in jeder Beziehung Zustimmung. Keiner wolle hier, dass die Buchpreisbindung falle, und die Steuer-Regelung für Amazon sei schlicht eine „Sauerei“. Nur leider könne man hier auf nationaler Ebene nicht viel bewirken, und in der EU gebe es zu viele Staaten, die offensichtlich selber von dieser Regelung profitierten.

Bessere Förderung gefordert

Dr. Birgit Friedel, die Vorsitzende des Musikbunds Feucht und „Mit-Geburtshelferin“ von „Feucht kann Kultur“, zielte darauf ab, dass die notwendige Bündelung von Kulturinitiativen nur durch Ehrenamtliche möglich sei, und forderte konsequenterweise eine stärkere Förderung. Hier sah der Vorsitzende des Kulturforums keine völlige Übereinstimmung. Die Ehrenamtlichen engagierten sich, weil ihnen das Spaß mache, so der Hesse. Allerdings läge das Problem seiner Ansicht nach im „Zwei-Klassen-Ehrenamt“: „Die einen bekommen eine Vergütung, die anderen nicht.“ Er würde hier gern bei der Entlastung der Aktiven von Bürokratismus ansetzen, dort, wo es Gesetzeslücken oder unsinnige Vorschriften gebe. Das verschaffe Verdruss. Friedels Eindruck, es gebe weniger Ehrenamtliche, sei nicht ganz richtig. Die Menschen wollen sich engagieren, aber nicht mehr im klassischen institutionellen Verein.

Der Feuchter Bildhauer und Lehrer an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Reinhard Eiber, der dort die Bildhauerwerkstatt leitet, berichtete über den Wandel, der sich seit seiner eigenen Studienzeit in Ausbildung und Berufspraxis vollzogen hat. Insbesondere der Kunstmarkt habe sich drastisch geändert. „Früher hat man was produziert, mit dem man handeln konnte.“ Doch der Kauf und Verkauf von Kunstwerken gehorcht nun anderen Gesetzen, so Eiber. Kunst, die man an die Wand hängt oder auf einen Sockel stellt, wird immer seltener. Dies ist der Digitalsierung auch in der Kunst zu verdanken, der Tatsache, dass bei Ausstellungen mehr und mehr Installationen geschaffen werden, die gar nicht für den Erwerb gedacht sind. Die wegbrechenden Einnahmen vom Verkauf von Kunst werden durch erweiterte Fördermöglichkeiten aufgefangen. Außerdem wies er auf die Entwicklung hin, dass Kunst mehr und mehr nicht von Kreativen, sondern von Landschaftsarchitekten oder -büros im Zeitalter der Digitalisierung und Reproduzierbarkeit geschaffen wird, was auch Thorsten Schäfer-Gümbel eine „bedenkliche Entwicklung“ nannte. Neben der Umstrukturierung des Kunstmarktes gehe dies eindeutig auf Kosten der Individualität.

Pädagogisches Moment

Hans Strauß, der Gründer des Themenkunstvereins in der Galerie Bernstein, stellte sein Haus vor, das eigentlich kein Verein sei, sondern eine Begegnungsstätte für alle Menschen – unabhängig von Alter, Bildung, Geschlecht, Genre, im eigentlichen Sinn von „Kultur für alle“. Hier drehe man am pädagogischen Moment von Kunst, das eine besondere Form von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nötig mache. Denn Kunst brauche Publikum, um gegen den Mainstream anzukommen. Ein großes Problem aber, das ihn und seine Mitstreiter beinahe den Verein auflösen lassen wollte, sei die undurchsichtige Praxis der Gema, berichtete Strauß ausführlich. Auch für selbst komponierte Musik wurden ihm von dort Rechnungen gestellt. Starke Worte fand er für dieses Gebaren: „Die Gema-Strukturen sind kunstverhindernd, mafiotisch.“ Erst durch die öffentliche Berichterstattung, unter anderem beim Boten habe sich das Verhältnis gebessert. In puncto Ehrenamt sprang er Dr. Birgit Friedel bei: „Das Ehrenamt ist wichtig und wird dann weiter funktionieren, wenn es unterstützt wird“, stellte er fest, monierte aber, dass diese Hilfe für die einzelnen Kunstvereine sehr unterschiedlich ausfällt. Er würde sich wünschen, dass sich die politischen Gemeinden hier mehr engagierten.

Hier hakte Thorsten Schäfer-Gümbel ein und nannte die Gema eine „große Baustelle“. Da müsse man pragmatische Lösungen finden, mahnte er an, ohne auf die speziellen Auswirkungen der verfehlten Berechnungen von Musik-Aufführungen einzugehen.

Kommunen sind gefordert

Ferner erinnerte er daran, dass die Kommunen wesentlich mehr Unterstützung leisteten als der Bund, dass aber die Förderung von Kultur leider keine gesetzliche Aufgabe, sondern nur eine freiwillige Leistung ist. Aus diesem Grund würde finanzielle Unterstützung an Kunstvereine immer als erstes in Frage gestellt, wenn es um Einsparungen geht. An Hand von Beispielen bewies er allerdings, dass Kunst eben auch einen sozialen Auftrag erfüllt und sich Brennpunktbezirke, in denen kulturelle Angebote aufgebaut wurden, stets positiv entwickelt hätten. Dennoch sei der „Kunst-für-alle“-Anspruch leider noch nicht erfüllt, denn die Kunst erreiche nur etwa 50 Prozent der Bevölkerung. Daher resümierte er: „Die Kommune hat hier eine zentrale Aufgabe.“

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