Die Sache mit der Weihnachtsstimmung

Fritz Körber erinnert sich zuhause in Behringersdorf an seine Kindheit. | Foto: Privat2020/12/Fritz-Korber-Weihnachtsfreude-1.jpg

SCHWAIG. Der Schwaiger Altbürgermeister Fritz Körber hat in seinen 80 Jahren viele Erinnerungen an Weihnachten gesammelt. Vor allem das erste friedliche Weihnachten 1945 wird er nie vergessen. Für die PZ schildert er Kindheitserinnerungen und seine Stimmung an Weihnachten.

Wieder liegen ein Weihnachtsfest und ein Heiliger Abend vor mir, wie schon so viele Male in meinem Leben. Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich mir in diesem Jahr Zeit zur Besinnung nehme. Ich will mich auf die Suche machen und herausfinden, was das Geheimnis meiner Weihnachtsfreude ist. Und ich hoffe, ich finde die richtige Balance zwischen Stille und Geschäftigkeit, zwischen Hören und Reden, zwischen Licht und Dunkelheit.

Jetzt nehme ich mir die Zeit, vor einer brennenden Kerze zu sitzen, langsam zur Ruhe zu kommen, Weihnachtsmusik zu hören und meinen Gedanken nachzuhängen. Je länger ich das Licht betrachte, umso deutlicher wird mir, dass auch ich Licht verbreiten kann. Das, was mich erfreut, kann ich weitergeben, und das, was ich erzähle und erlebt habe, kann auch meinen Mitmenschen weiterhelfen. 

Erste Friedens-Weihnacht 1945

Deutschland lag in Schutt und Asche. Viele Familien waren noch auseinandergerissen, Millionen von Frauen und Müttern warteten noch in banger Sorge auf die Heimkehr ihrer Männer aus der Kriegsgefangenschaft. Trauer um die Toten und Vermissten mischte sich mit der Erleichterung, dass endlich keine Bomben mehr fielen. 

Die Versorgung mit Lebensmitteln war katastrophal. Es fehlte am Notwendigsten und die Wohnungen konnten kaum geheizt werden. Aber trotzdem war das Weihnachtsfest 1945 zum ersten Mal seit Jahren wieder ein Fest des Friedens, ein Fest der Hoffnung. 

Unsere Familie hatte Glück nach Kriegsende, verglichen mit den Schicksalen anderer Menschen. Vater kam bereits im Spätsommer aus der Kriegsgefangenschaft und hatte auch eine Arbeit gefunden. Wir alle freuten uns auf das bevorstehende Weihnachtsfest, feierten wir doch erstmals als ganze Familie mit Vater und Mutter. Advent und der Heilige Abend, so sagte man schon damals, sei die stillste Zeit im Jahr. Doch in meinem Bubenalter sah ich das ganz anders. 

Bereits Anfang Dezember hatte ich meinen Wunschbrief an das Christkind geschrieben. Zuerst schrieb ich anstandshalber das, was ich täglich sah: Neue Fäustlinge und Strümpfe, die Mutter mit der Wolle der aufgetrennten Jacke unseres Großvaters bereits strickte. Hoffnungsvoll und mit großer Geduld notierte ich in Großbuchstaben die höchsten meiner Träume: eine Eisenbahn und einen Ball. 

Wann kommt das Christkind?

Der Nikolaus-Abend schien schon ewig vorbei. Immer wieder quälten wir unsere Mutter mit der Frage: „Wie lange denn noch?“ „Bald“, war die Antwort, „könnt ihr‘s denn nicht erwarten?“ Und immer mal wieder hörten wir sie auch sagen: „Dieses Jahr ist das Christkind arm.“ 

Endlich kam der Heilige Abend und mit ihm die letzte der vorweihnachtlichen Aktionen, das Bad in der Küche. Ich saß in der Zinkwanne und stimmte mich mit dem Singen der üblichen Weihnachtslieder auf die bevorstehende Bescherung ein. 

Mutter hatte es geschafft, einen kleinen Christbaum zu organisieren. Auch der Weihnachtsschmuck hatte die Kriegstage unbeschadet überstanden. Aufgeregt warteten wir Kinder in der Küche auf das Glockenzeichen des Christkindes. Und ich sehe noch vor mir, als sei es gestern gewesen, den kleinen Weihnachtsbaum auf der Nähmaschine. 

Mutter hatte diesen mit silbernen Kugeln und viel Lametta dekoriert, wie das damals eben üblich war. Und noch mehr Wunder: Für Adelheid, Hans und mich ein „Christkindchenteller“ mit einem rotglänzenden Apfel, mit Nüssen und einige Plätzchen. Es duftete nach angesengtem Tannengrün im Zimmer. Wir sangen Weihnachtslieder. Vater und Mutter umarmten sich, wir Kinder hielten uns an den Händen. 

Der Wunschzettel ging wohl verloren

Dass die Kerzen nur die Stummel der Vorjahre waren, merkten wir Kinder erst später. Doch wahrscheinlich ist damals mein Wunschzettel an das Christkind nicht angekommen oder verloren gegangen. Spielzeug-Eisenbahn und Ball waren 1945 für Kinder fromme Wünsche. Und, so dachte ich damals, war es vielleicht doch die ungemein genaue himmlische Buchführung, die alle meine Sünden sorgfältig verzeichnete, die sich mit besonderer Frömmigkeit wenige Tage vor Weihnachten nicht mehr abgelten ließen. 

Viele Menschen suchten damals Trost in der Kirche. Die Weihnachtsbotschaft für die Menschen war deshalb so wichtig, weil viele in Notunterkünften lebten und nicht wussten, was der nächste Tag bringt. Abertausende Flüchtlinge aus den damaligen Ostgebieten drängten sich verzweifelt in den Auffanglagern. 

Und einige Jahre später: Ich erinnere mich an meine Doppelrolle im Krippenspiel als Zwölfjähriger in unserer Kirche in Behringersdorf und ich denke zurück, wie ich als Kind nicht genug von dem Zauber der Adventszeit bekommen konnte. Und sicher werde ich wieder, wie damals 1948 am Nürnberger Christkindlmarkt umgeben von Ruinen, vor der Krippe stehen und das Weihnachtswunder bestaunen. 

Eine nostalgische Weihnachtsgeschichte

Vielleicht klingt meine Weihnachtsgeschichte von 1945 für junge Leser reichlich nostalgisch. Ich habe mich aber bemüht, möglichst genau aufzuschreiben, was mich damals bewegte. 

Dabei weiß ich sehr wohl, dass die Diskrepanz zwischen dem damaligen Erleben und den Erfahrungen meiner Generation und der meiner Kinder groß ist. Und es wird zusehends schwerer, sich darüber zu verständigen. 

Das Jahr 2020 liegt in wenigen Tagen hinter uns. Es war geprägt von Corona, von schwierigen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten, von erschütternden Naturkatastrophen und menschlichem Leid. Um ihr nacktes Leben zu retten, sind Millionen von Menschen auf der Flucht. Die menschlichen Tragödien, die sich vor unseren Augen abspielen, sind unbeschreiblich. 

Der Weihnachtsfreude auf der Spur

Mit gemischten Gefühlen werden die Menschen an Heiligabend die Weihnachtsgeschichte hören. Es ist eine über 2000 Jahre alte Geschichte auch von Flucht und von der Suche nach einer Bleibe. 

Nun ist Weihnachten da. Und ich bin dem Geheimnis meiner Weihnachtsfreude auf der Spur. Licht kommt in die Dunkelheit, so kann man die Weihnachtsbotschaft formulieren. Noch vor wenigen Tagen war mir kaum nach Weihnachten zumute. Die Sehnsucht nach Weihnachten, die ich von früheren Festen kannte, wollte sich nicht einstellen.

Doch jetzt ist sie wieder da. Ich weiß nicht, woher sie kommt. Aber ich weiß, dass sie mich ergriffen hat und ich mich auf Weihnachten freue.

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