NÜRNBERGER LAND – Sie hatten vorab für einigen Wirbel und Verwirrung gesorgt: Die fünf Volksentscheide. Am Sonntag setzten die Bürger in der Wahlkabine nicht nur ihr Kreuzchen für die Landtagskandidaten, sondern änderten auch die bayerische Verfassung. Alle fünf Volksentscheide wurden mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Je nach Volksentscheid stimmten zwischen 83 und 91 Prozent mit „Ja“. Die Wahlbeteiligung im Landkreis lag bei 67,99 Prozent, 73.879 Wähler stimmten ab. Besondere Zustimmung fanden die Entscheide über gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land, die Förderung des Ehrenamts und die Schuldenbremse. Wie im Grundgesetz ist nun auch in Bayerns Verfassung verboten, ab dem Haushaltsjahr 2020 neue Schulden aufzunehmen, allerdings gibt es Ausnahmen.
Auch die Forderung nach einer angemessenen Finanzausstattung der bayerischen Kommunen fand großen Zuspruch. Denn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben Gemeinden einen Anspruch darauf, ein angemessenes Budget vom Land zu erhalten. Wie viel Geld fließt, hängt davon ab, wie leistungsfähig der Staat ist. Diese vier Entscheide erhielten zwischen 87 und 91 Prozent „Ja“-Stimmen.
Lediglich 83 Prozent der Wähler stimmten positiv für Volksentscheid 3: Hier geht es um die Informationspflicht bei EU-Angelegenheiten. Der Landtag kann nun die Staatsregierung bei der Übertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten Bayerns auf die EU durch Gesetz binden. Die Staatsregierung muss außerdem alle Stellungnahmen des Landtags maßgeblich berücksichtigen, wenn die Gesetzgebungszuständigkeiten des Freistaats unmittelbar betroffen sind.
In der Stadt Altdorf stand man den Volksentscheiden etwas skeptischer gegenüber als im Landkreis: Etwa zwei Prozent weniger „Ja“-Stimmen erhielten die Entscheide in der Wallensteinstadt im Durchschnitt. Auffällig ist die große Anzahl ungültiger Stimmen in Bayern. Sie lag je nach Entscheid zwischen acht und zwölf Prozent.
Vor zwei Jahren hatte der alte und neue Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Idee zu den Verfassungsänderungen eingebracht. Erstmals öffentlich äußerte er sie beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Im Landtag standen nicht nur die Vertreter der CSU, sondern auch SPD und die Freien Wähler hinter dem Vorschlag. Einzig die Grünen stimmten dagegen. Christine Stahl (Grüne), Vize-Präsidentin des bayerischen Landtags, kritisierte die Volksentscheide mehrfach. Die Verfassungsänderung sei nichts weiter als „Alibi-Politik“, betonte sie mehrfach.
Kritiker hatten bemängelt, dass es sich bei drei Volksentscheiden um Selbstverständlichkeiten handle, die plötzlich Verfassungsrang erhalten sollen. Die vierte Änderung, wonach Bayern nur noch in Ausnahmefällen Schulden machen darf, steht bereits im Grundgesetz. Und bei der fünften Vorgabe, dass bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die EU der Landtag Mitspracherecht hat, seien sich selbst Juristen uneins, ob dies verfassungskonform sei.
Der Landtag hatte die Verfassungsänderungen bereits am 20. Juni mit großer Mehrheit gebilligt. Allerdings mussten auch die bayerischen Bürger mehrheitlich zustimmen, damit die Änderungen rechtskräftig werden.