ALTDORF – Unter dem Leibniz-Gymnasium gibt es eine riesige Keller-Anlage mit meterdicken Betonmauern. Als „Atombunker“ bezeichnen Schüler und Lehrer die geheimnisumwitterten Räume im Untergrund, deren Betreten bis heute verboten ist.
Tatsächlich ist der unter der Leibniz-Turnhalle und unter dem Pausenhof gelegene Keller bunkerartig ausgebaut und wurde für den Katastrophenfall eingerichtet. Bis 1997 war er als Hilfskrankenhaus konzipiert mit einer Kapazität von über 600 Betten.
Katastrophen-Klinik im Keller
Am Landratsamt in Lauf, das für die Liegenschaft zuständig ist, gibt es eine Urkunde aus dem Jahr 1970, als die Katastrophen-Klinik im Keller unter dem Leibniz fertiggestellt wurde. Sie bescheinigt die Anerkennung des Krankenhauses als Zivilkrankenhaus im Sinne des Genfer Abkommens über kriegerische Auseinandersetzungen. Die Urkunde ist in deutsch, englisch, französisch und russisch verfasst.
„Damit die Russen nach ihrem Einmarsch gewusst hätten, womit sie es hier zu tun habe“, sagt Horst Oertel augenzwinkernd. Oertel ist zuständig für die Liegenschaften des Landkreises und hat in den vergangenen Jahren die ehemaligen Krankenhausräume teilweise in Lagerräume umgewandelt. 1997 gab der Bund nämlich seine Hilfskrankenhäuser auf, die unterirdischen Anlagen wurden umgewandelt in Schutzräume für den Zivilschutz.
2007 beendete die Bundesregierung dann das öffentliche Schutzraumkonzept, weil dessen Aufrechterhaltung viel Geld kostete.
Ausbau Ende der 60er Jahre
In Altdorf wurde beim Bau des Krankenhauses Ende der 60er Jahre ein gewaltiger Aufwand betrieben. Die Einrichtung konnte selbst bei einem Angriff mit atomaren Waffen, wenn die oberirdische Umgebung radioaktiv verseucht war, weiter betrieben werden. Sie verfügt über riesige Luftfilter und Notstromgeneratoren, außerdem über einen Brunnen, der sie von der öffentlichen Wasserversorgung unabhängig machte. Der Brunnen ist 150 Meter tief und noch heute voll funktionsfähig, wie auch die gesamte Elektrik und die Luftfilteranlagen im ehemaligen Hilfskrankenhaus.

Der Eingang des Hilfskrankenhauses wird mit einer mehrere Zentimeter dicken Stahltüre verschlossen. | Foto: Blinten2018/01/Bunker.jpg
Dessen Eingangsbereich erreicht man über eine lange Rampe, die noch 2007 im Zuge des Mensa-Neubaus ganz neu angelegt wurde, obwohl im gleichen das Schutzraumkonzept fiel. Der Eingang ist durch eine mehrere Zentimeter dicke Stahltür gesichert, die mit einem gewaltigen Riegel verschlossen wird. Die Aufnahme besteht aus mehreren Räumen für Entgiftung, Entkleidung, usw.
Sechs Operationssäle
An den Wänden verläuft in Augenhöhe ein gelber Streifen, der beim Abschalten der Beleuchtung im Dunklen fluoreszierendes Licht abstrahlt. Vorbei an Lagerräumen, in denen heute unter anderem Krankenakten des Altdorfer Krankenhauses untergebracht sind, kommt man zum Operationsbereich der Katastrophen-Klinik. Sechs Operationssäle gab es hier, die Apparaturen sind allesamt abgebaut, lediglich einige Waschbecken zum Desinfizieren sind noch vorhanden.
Auf der anderen Seite der Anlage ist die Krankenhausküche untergebracht. Weil die Demontage der großen Herde zu aufwändig war, ließ man alles so, wie es seinerzeit eingebaut wurde. Dasselbe gilt für die großen Luftfilteranlagen und die Notstromaggregate.
„Verbotener Ort“
Horst Oertel und Leibniz-Hausmeister Thomas Förther erhalten immer wieder einmal Anfragen von interessierten Bürgern, ob nicht einmal eine Besichtigung der Anlage im Untergrund des Gymnasiums möglich sei. „Wir müssen das aber ablehnen“, sagt Oertel. Weil Akten des Altdorfer Krankenhauses im Keller unter dem Leibniz lagern, ist dessen Zutritt aus Datenschutzgründen verboten. Für den Boten machte der Mitarbeiter des Landratsamts eine Ausnahme – verbunden mit der Vorgabe, die Lagerräume mit Krankenakten nicht zu besichtigen.
So bleibt das ehemalige Hilfskrankenhaus unter dem Leibniz-Gymnasium weiterhin ein „verbotener Ort“ – wie schon zur Zeit des Kalten Krieges, als nur Zivilschutz-Mitarbeiter Zugang zum „Atom-Bunker“ hatten. In zahlreichen Übungen in den 70er und 80 Jahren übten die Verantwortlichen für den Katastrophenschutz hier die Versorgung von Strahlenopfern und Verwundeten im Falle eines Atomschlags.