Diva mit dünner Stimme

Willy Astor mit „ChanceSongs“ in Hersbruck

„ChanceSongs“: Willy Astor hatte Chancen, an dem Abend zu punkten. Er nutzte sie nicht. | Foto: S. Camin2017/01/7788771.jpeg

HERSBRUCK – Mit Willy Astor holten sich die Stadt und die Sparkasse ein echtes Großkaliber nach Hersbruck. Organisatorisch – die Halle war voll besetzt mit Menschen, die sich auf einen schwindelerregend-zungenbrecherischen Abend mit dem Wortakrobaten gefreut hatten – und akustisch lief auch alles gut. Aber dann ging es los mit divenhaften Starallüren, gepaart mit einer dünnen Stimme. Immerhin begeisterte Astor beim ersten Lied der Zugabe.

Ja, der Einstieg durch die beiden Vertreter der Organisatoren war unglücklich: Stargast Willy Astor wurde nicht „standesgemäß“ angekündigt. So verpasste er seinen Einsatz, joggte vom hinteren Teil nach vorne und konnte sich die Kritik auf der Bühne nicht verkneifen, dass er nicht gewusst hatte, wann er nun an der Reihe sei.

Alles störte die Diva
Ließ er das Publikum für die Nicht-Ankündigung büßen, war er schlecht drauf oder wollte er sich bewusst von seinem lustigen Programm distanzieren? Unklar. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die Diva-Attitüden losgingen. Als erstes störte den Künstler ein „fft fft“-Geräusch. Sein Keyboarder tippte verschmitzt auf eine Waschmaschine, doch es war die Lüftung. Astor vermutete, es sei Laub hineingekommen. Fotografieren mit Blitz verbot sich Astor gleich nach fünf Minuten, das störe ihn. „Ich kann unvollständig nicht weitermachen“, kommentierte er das Hinausgehen einer Frau 30 Minuten nach Beginn. Bei ihrer männlichen Begleitung erkundigte er sich nach ihrem Namen – für den Rest des Abends musste sich Caroline, die kurz darauf zurückkam, immer wieder Geschichten von ihrer schwachen Blase anhören. Die anderen Besucher forderte Astor auf, ihre Notdurft in der Pause zu verrichten.

Doch zum Gesang. Die Lieder hat Willy Astor alle selbst geschrieben, sie handeln von Chancen, die jeder im Leben bekommt und mal nutzt und mal eben nicht. „Ich liebe dich sowas von“ lautete ein Liebeslied an seine Frau, das Pendant dazu „Nur wegen dir“ handelte von Liebeskummer. Oder in Astors Worten: „Der Schmerz soll aufhören, er ist unverschlimmerbar.“ Während seine Songs immer wieder fast philosophische Weisheiten beinhalteten („Liebe braucht keine Erlaubnis oder keine Lizenz“), fehlte seiner Stimme der Tiefgang komplett.

In „Warte niemals, bis du Zeit hast“ empfiehlt er, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Das hätte wohl auch so mancher Besucher im Nachhinein lieber: seine Zeit (wo)anders verbracht. Astor bediente noch einige Klischees in seinen Songs, da ging es ums Glück, um den Versuch, fränkisch zu singen bei „Drei im Weckla“, und bei „Hausboot“ ums Aussteigen. Immerhin kam hier Schwung rein, indem seine Musiker fröhlich dazu pfiffen.

Der Humor blitzt auf
Hoffnung gab es beim ersten Stück der Zugabe, als endlich, endlich Astors Wortakrobatik aufblitzte. Was ein „Hängereh“ im Baum macht, fragten sich die Zuschauer einige Minuten, bis der Künstler das Rätsel löste und den Namen des Rehs verriet: Gista. Oder auch: „Hängereh-Gista“ (Hängeregister). Das war’s dann aber auch schon wieder mit der humorvollen Einlage, und Astor quälte sein Publikum mit einer 30-minütigen Zugabe.

Den Organisatoren, der Stadt Hersbruck und der Sparkasse, kann wahrlich niemand einen Vorwurf machen, denn selbst auf Astors Homepage war keine Spur vom neuen Programm zu sehen. Dass es ein Liederabend wird, war klar, doch dass Astor seiner Rolle als Kabarettist gar nicht gerecht wird, war so nicht absehbar. Oder anders ausgedrückt: Es war nicht die Katze im Sack gekauft, sondern eher ein Katzenjammer.

„Wie das Programm ist der Fernseher zu flach“ singt Astor in „Einfach sein“. Und das war auch der Abend, ebenso wie seine Stimme: einfach zu dünn.

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