Chris Boettcher in Hersbruck

Udo nölt, Eddie quengelt und Peter frotzelt

Chris Boettcher imitiert, singt und spielt Pantomime in einem Tempo, das ihm keiner so schnell nachmacht. Foto: W. Grzesiek2014/03/5_2_3_2_20140320_CHRIS.jpg

HERSBRUCK – Der bayerische Comedian Chris Boettcher bescherte dem Hersbrucker Sparkassensaal mit seinem neuen Programm „Spieltrieb“ verstärkt auch ein jüngeres Publikum. Das musste bei der hohen Schlagzahl der Gags anfangs erst warm werden, wollte am Schluss aber den perfekten Karikaturisten von Showsternchen und Politstars gar nicht mehr gehen lassen – nicht einmal zehn Meter.

Der wahre Profi zeigt sich halt, wenn was schiefgeht. Als in der 67. Minute der zweiten Halbzeit Chris Boettcher plötzlich der Saft ausgeht (natürlich nicht ihm, sondern den Batterien seines Mikros), baut er eine Nummer über die vermeintliche Qualität von Markenbatterien so fix in die laufende Story über Männer jenseits der 40 ein, dass die Panne gleich vergessen ist. „Männer sind Helden – außer sie haben Schnupfen“, so sein Song über männliche Wehleidigkeit. Er selbst aber hat ganz offensichtlich Steherqualität. Denn allein das Tempo, in dem er gefühlte 20 Mal in der Minute vom Sitz am E-Piano zum Stand an der Bühnenrampe und zurück eilt, ist dauerhaftes Fitnessprogramm.

Dieser Ingolstädter kann nicht nur seinen Mitbürger Seehofer perfekt als Sangesbruder imitieren, sondern auch andere politische Schwergewichte. Vor allem aber zieht es Boettcher in die Welt der Show- und Sportstars, deren Hohlheit und Marotten er schon in ganz kurzen Anspielungen bloßlegt. Ein Oli Kahn muss gar nicht erst den Mund aufmachen, um seine Verkrampftheit zu offenbaren.

Wenn dann Loddar (Matthäus) und Franz (Beckenbauer), die guten Freunde, statt im Funk live auf der Bühne erklingen, erkennt man die Kreativität dieses Komödianten des Digitalzeitalters. Die Dialoge der zwei Fußball- und Weltpolitikexperten könnten für die Radioclips mühsam zusammengestückelt sein. Aber tatsächlich kann Boettcher seine beiden Helden aus dem Stand längere aktuelle Dialoge führen lassen. Und klar, dass an einem solchen Abend dabei auch Uli Hoeneß Karriere als Knastbruder kommentiert wird: Der Runde muss ins Eckige!

Boettchers Spieltrieb führt das Publikum im Sparkassensaal („dieses wunderschöne barocke Ambiente hier in Hersbruck“) vom Liebeslied der Kanzlerin (mit Francois Hollande) über die allgegenwärtigen Fernsehgesichter von Christine Neubauer und Eckard von Hirschhausen bis zu Boettchers Lieblingsgegnern aus der Volksmusik-Sparte.

Pantomime zu Schlagerhits

Hier kippt die Persiflage in die Realsatire. Es gibt sie nämlich wirklich, die CD „Göttliche Hitparade“, die Sanges- und Hirngrößen wie Hansi Hinterseer und Stefan Mross vereint. Deren Songs muss Boettcher nur noch anspielen und dann dazu pantomimisch agieren. Wenn Florian Silbereisen trällert: „Ich glaub an Gott, ich bin ein Teil von seinem Plan“, dann fällt dem Comedian dazu nur noch ein: Das glaub ich nicht! Wem diese konzentrierte und amüsante Kulturkritik nicht genügt, für den hat Boettcher in seinen nachdenklicheren Nummern auch einiges parat über den Kampf der Geschlechter, zwanghafte Anglizismen oder die Pubertät aus Sicht der leidenden Eltern: „Mit achte schmusns di nieder, wolln di net verliern / mit 15 darfst ders nur noch per Facebook kontaktiern.“

Das Gedicht über den Urlaubsclub- Animateur, der keinen Bock mehr hat und daher sein Publikum quält, hat gar Gruselqualitäten. Ein Glück, dass Boettcher offensichtlich noch viel Lust, Power und Ideen hat. Sein Miss-Wahlen-Hit „Zehn Meter gehen“ macht ihm immer noch selbst Spaß. Und in einer einzigen Liedzeile vom nölenden Udo (Lindenberg) über den quengelnden Eddie (Stoiber) bis zum rotzigen Peter (Maffay) zu gelangen, das macht so schnell kein Animateur nach.

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