Ein Heimspiel für Doris Cramer

SCHWARZENBRUCK – Kräftiger, süßer Pfefferminztee dampft in kleinen Plastikbechern auf einem Silbertablett am Eingang der Gemeindebücherei Schwarzenbruck. Leise arabische Musik liegt an diesem Abend in der Luft. Die Gäste nehmen sich Datteln, Mandeln, getrocknete Feigen und Haferkekse von kleinen Tellern, während Doris Cramer zwischen ihnen herumgeht, Hände schüttelt und über das ganze Gesicht strahlt. Die Autorin begrüßt fast alle der über 50 Gäste persönlich. Oft kennt man sich aus den Jahren, als sie selbst noch Leiterin der Bücherei war. „Die Lesung heute ist für mich ein Heimspiel“, erklärt die gelernte Buchhändlerin.

Heute stellt sie den zweiten Roman ihrer „Marokko-Saga“ mit dem Titel „Die Perlen der Wüste“ vor. Ihr Erstling, „Das Leuchten der Purpurinseln“, kam im letzten Jahr heraus, erscheint bereits in fünfter Auflage und wird derzeit ins Spanische übersetzt. Auch ihr neues Buch spielt im Mittelmeerraum des 16. Jahrhunderts und handelt von der jungen Perlenstickerin Sarah, die sich Hals über Kopf in den venezianischen Kapitän Marino Capello verliebt. Dieser macht sich jedoch aus dem Staub, bevor die Hochzeitsglocken läuten – er hatte es nur auf das berühmte Purpurrezept von Sarahs Mutter Mirijam abgesehen. Kurzentschlossen verlässt die Junge Frau ihr Elternhaus und folgt Capello auf dem Landweg von Agadir nach Venedig – eine gefährliche Reise, auf der sie dem Berberfürsten Saïd begegnet, dessen Karawane sich die junge Frau notgedrungen anschließt. Der Roman erzählt sowohl Sarahs Schicksal, die sich in Venedig behaupten muss, als auch das des Berbers Saïd, der es in Marokko mit einfallenden Osmanen und internen Stammeskonflikten zu tun bekommt.

Cramer versteht es, beim Lesen geschickt zwischen den ausgewählten Passagen ihres Buches überzuleiten. Immer wieder pausiert sie, erklärt kompetent die geschichtlichen Hintergründe oder kommentiert launig das eben gelesene. Als eine Liebesszene ansteht, unterbricht sie nonchalant: „… dann küsste er sie. Und so weiter, und so weiter, und so weiter. Die Liebesszenen lese ich jetzt nicht. Nur soviel: sie gibt sich ihm hin. Rück-halt-los. Unter Palmen!“ Später, als ein Kampf ansteht, warnt sie grinsend ihr Publikum: „Das wird blutig. Also, wer schwache Nerven hat …“ Die Zuhörer lachen herzlich.

Vertrautes Verhältnis

Auch bei der Fragerunde im Anschluss an die Lesung spürt man das vertraute Verhältnis zwischen der Autorin und ihrem Publikum. Ohne Scheu stellen die Zuhörer Fragen an Cramer, die ebenso offen antwortet. „Nächstes Jahr wird ein dritter Band erscheinen“, erzählt sie, 265 Seiten habe sie schon fertig, Abgabe sei im nächsten Jahr. Erscheinen sollte der Band eigentlich im Frühjahr 2015, aber sie habe sich mit ihrer Verlegerin und Lektorin unterhalten und man sei sich einig, „lieber ein schönes Buch zu haben, anstelle eines schnellen.“

Die Zuhörer wollen noch vieles von der Autorin wissen. „Ja, die Wasserfälle gibt es wirklich, das sind die Cascades D‘Ouzoud. Ein Traum. Mittlerweile gibt es allerdings dort auch einen Eisverkäufer und einen Coca-Cola-Verkäufer. Trotzdem ist es wunderschön.“ Die Berber gebe es ebenfalls noch, die trügen aber heute Handys. Auch stünden überall Solarzellen, „um Ampeln zu betreiben, die keiner beachtet“. Bei ihrer letzten Reise nach Marokko, vor sechs Jahren, habe sie noch viele der alten Traditionen erlebt, die sich trotz allem gehalten hätten, so Cramer.

Ob eine Verfilmung geplant sei, will eine Zuhörerin wissen. Bis jetzt noch nicht, erwidert die Autorin. „Mal abwarten. Erstmal lesen das jetzt die Spanier. Aber wenn Hollywood kommt, sage ich Bescheid.“ Seien Reisen nach Marokko nicht gefährlich, fragt ein anderer Zuhörer. „Ich glaube, ich habe jetzt die 24. Reise in dieses Land gemacht. In all den Jahren ist mir noch nie etwas abhanden gekommen oder etwas passiert.“ Wie sie arbeite, will jemand wissen. Ob sie um neun Uhr anfange und dann bis Mittag schreibe? „So spät“, entfährt es der Autorin, „ich stehe trotz meines wohlverdienten Ruhestandes mit dem Wecker auf und sitze um halb acht geduscht und komplett angezogen mit Kaffee am Schreibtisch und arbeite bis vier Uhr nachmittags am PC. Danach mache ich meinen Haushalt.“ Noch viele Fragen folgen, erst gegen 21 Uhr kommt Cramer dazu, die ersten Bücher zu signieren. Wieder sucht sie das Gespräch mit jedem einzelnen Zuhörer. Es ist ihr Heimspiel.

Frank Erik Walter

Doris Cramer: „Die Perlen der Wüste“. Blanvalet Verlag, München; 637 Seiten; 9,99 Euro

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