ALTDORF – „Klang meines Körpers“ ist der Titel einer interaktiven Ausstellung, die über Ess-Störungen aufklärt, über die Möglichkeiten der Prävention informiert und kreative Wege aus der Krankheit aufzeigt. Die Ausstellung wurde nun in der Fachakademie für Sozialpädagogik in der Fritz-Bauer-Straße 5 vorgestellt. Eine Reihe von Schulklassen hat sich bereits zum Besuch angemeldet. Weitere Klassen und Gruppen können sich über die Gleichstellungsstelle im Landratsamt, Telefon 09123 9506055, einen Termin geben lassen.
Am Mittwoch, 22. April, ist die Ausstellung von 16 Uhr bis 18 Uhr für alle Interessierten zugänglich.
Die Gleichstellungsstelle, das staatliche Gesundheitsamt, die Erziehungs- und Jugendberatungsstelle und Kiss, die Kontakt- und Infostelle für Selbsthilfegruppen, haben sich darum bemüht, dass die Ausstellung in den Landkreis kam.
Im Rahmen der Ausstellung laden sie am Dienstag, 28. April um 19 Uhr, in der Fachakademie zu einer Trialog-Gesprächsrunde Betroffene und Angehörige zum Austausch in geschütztem Rahmen ein. „Der Erfahrungs- und Wissensaustausch auf Augenhöhe zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten ermöglicht einen Perspektivenwechsel, gegenseitiges Verstehen und eröffnet neue Lösungswege“, so Diplom-Psychologin Ulrike Frings, die an der Gesprächsrunde teilnimmt. Brigitte Bakalov von Kiss-Nürnberger Land wird die Veranstaltung moderieren.
Der „Klang meines Körpers“ ist interaktiv angelegt. Neben sachlichen Informationen zum Thema Ess-Störungen, die einen äußeren Rahmen bilden, lädt die Ausstellung ihre jungen Besucherinnen und Besucher ein, über kreative Medien in die Gefühlswelt von Betroffenen einzutauchen. Die Ausstellung basiert auf einem ganzheitlichen, musiktherapeutischen Ansatz. Im Mittelpunkt stehen Mädchen und junge Frauen, die in Porträts mit Texten und Musik über ihre Krankheit, über Ängste, Nöte und Sehnsüchte berichten. Sie haben die Ausstellung gemeinsam mit der Musiktherapeutin Stephanie Lahusen erarbeitet, die Umsetzung hat der Suchtarbeitskreis im Landratsamt Bamberg begleitet.
Ess-Störungen haben besorgniserregend zugenommen; sie gehören heute zu den häufigsten Krankheitsbildern des Jugendalters. Betroffen sind vor allem Mädchen und junge Frauen im Alter von etwa zwölf bis 25 Jahren. Es wird geschätzt, dass rund fünf Prozent dieser Altersgruppe an Ess-Störungen leiden. Längst sind Magersucht, Bulimie oder Ess-Sucht nicht mehr nur Thema für Ärzte und Therapeuten. Es gibt kaum eine Schule, an der nicht einzelne Schülerinnen oder Schüler an einer Ess-Störung leiden, oft lange Zeit im Verborgenen. Freundinnen und Freunde, Eltern und Lehrkräfte sind oft unsicher, wie sie Betroffene unterstützen können. Die Ausstellung „Klang meines Körpers“ will informieren, Hilfestellung geben und jungen Menschen Mut machen, damit Ess-Störungen gar nicht erst entstehen und Betroffene einen Weg aus der Krankheit finden.
Auch die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml ist besorgt über die steigende Zahl von Magersüchtigen im Freistaat. Huml betonte in München: „Betroffen sind vor allem Mädchen. Fernsehsendungen sollten nicht mit Mager-Models ein falsches Schönheitsideal vermitteln.“
Die Ministerin fügte hinzu: „Die Magersucht ist keine Erkrankung von heute auf morgen, sondern ein langer Prozess, der sich schleichend ankündigt. Deshalb ist Wachsamkeit gefordert.“
Bei der ersten Besichtigung der Ausstellung in der Fachakademie konnte Anja Wirkner, die Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamtes, neben Mitarbeiterinnen des Staatlichen Gesundheitsamtes, der Erziehungs- und Jugendberatungsstelle und von Kiss, der Kontakt- und Infostelle für Selbsthilfegruppen, auch Kreisrätin Christina Diener und die Altdorfer Stadtratsmitglieder Margit Kiessling, Andreas Kasperowitsch und Adalbert Loschge begrüßen. Schulleiterin Gabriele Reiser dankte sie für die Unterstützung durch die Fachakademie.
Die Besucher konnten sich dann die kreativ gestalteten Tafeln von Lara, Mia, Melissa, Nathalie und Annika ansehen und die Schatzkisten mit den Hilfsmitteln, die ihnen aus der Krankheit geholfen haben. Mit sehr persönlichen Bildern, Texten und ausgewählten Musikstücken sprechen die betroffenen Jugendlichen die Besucherinnen und Besucher direkt an. Kreativität als heilsames Mittel zur Prävention und Überwindung von Ess-Störungen wird aufgezeigt. Auf den Rückseiten der Ausstellungstafeln gibt es sachliche Tipps und Hinweise.
Da auch vermehrt Jungen von Ess-Störungen betroffen sind, wurde der Ausstellung eine Tafel von David hinzugefügt, die am Eingang zum Saal zu sehen ist und die sehr persönliche und bewegende Geschichte eines betroffenen jungen Mannes erzählt.
ZUM THEMA
Die Frage, ob jemand wirklich an einer Ess-Störung leidet, ist zunächst schwer zu beantworten, denn die Grenzen sind oft fließend. Folgende Störungen unterscheiden die Fachleute:
Magersucht
Jugendliche und Erwachsene, die an Magersucht leiden, sind stark untergewichtig. Durch Hungern und extremes Körpertraining versuchen sie, ihr Gewicht zu reduzieren. Die Betroffenen nehmen ihren Körper nicht mehr objektiv wahr. Sie halten sich für zu dick, obwohl sie stark untergewichtig sind.
Ess-Brechsucht – Bulimie
Bei Jugendlichen und Erwachsenen, die an Bulimie leiden, bewegt sich das Gewicht meistens im Normalbereich. So kann die Erkrankung von Betroffenen oft lange verheimlicht werden und bleibt unerkannt. Es kommt bei ihnen zu wiederholten Ess-Anfällen, anschließend wird das Erbrechen selbst herbeigeführt.
Ess-Sucht
Bei dieser Krankheit treten Heißhungeranfälle auf. Die Folge ist zumeist eine stetige Gewichtszunahme. Aber nicht alle Übergewichtigen sind ess-süchtig!
Biggerexie
Die Biggerexie oder Muskeldysmorphie ist vor allem eine junge Männer betreffende Ess-Störung. Das Ziel der Betroffenen ist der perfekte Körper. Anders als bei der Magersucht und der Bulimie steht dabei nicht der Gewichtsverlust im Vordergrund, sondern der Muskelaufbau. Durch exzessives Training sowie der Einnahme von Nahrungsergänzungs- oder Dopingmitteln versuchen die jungen Männer, dem erstrebten „Idealkörper” näherzukommen.